EU spricht sich aus für Staatshilfen aus Ukraine Krieg mit Folgen Welche Hilfen einzelne Länder erwarten können
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EU spricht sich aus für Staatshilfen aus

Ukraine-Krieg mit Folgen: Welche Hilfen einzelne Länder erwarten können

Es gleicht einem Puzzle: Um Unternehmen zu entlasten, treffen die europäischen Staaten ganz unterschiedliche Regelungen.Foto: adobe stock syaheir

Brüssel. Mitgliedsstaaten haben grünes Licht von der EU bekommen, Unternehmen zu helfen, die unter den Folgen des Ukraine-Kriegs leiden. Gewerkschaften warnen ansonsten vor dem Tod tausender Unternehmen in diesem Sommer. Anspruch auf Direktzuschüsse, Garantien, Kredite und Darlehen mit subventionierten Zinssätzen haben Unternehmen mit Liquiditätsengpass. Die Hilfen müssen an die Erhöhung der Energiepreise gekoppelt sein.

Im Kampf gegen steigende Lebenshaltung- und Energiekosten und auch unterbrochene Lieferketten direkt im Anschluss an die Pandemie helfen Länder wie Frankreich oder Irland ihren Unternehmen, sich über Wasser zu halten. Die Niederlande und Grossbritannien scheinen die Ansicht zu vertreten, dass Steuererhöhungen das passendere Mittel sind. Gewerkschaften auf dem gesamten Kontinent rufen um Hilfe und warnen davor, dass Tausende verschuldete Unternehmen trotz leichter Erholung den Sommer nicht überstehen werden.

Im März gab Margrethe Vestager, die Exekutiv-Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, bekannt, dass die Sanktionen der EU gegen Russland weitreichende Auswirkungen auf die russische Wirtschaft haben, die europäische Wirtschaft aber auch beeinträchtigen und dies in den kommenden Monaten weiterhin der Fall sein wird. In einem Statement sagte sie, dass "die wirtschaftlichen Folgen des Krieges abgefedert und schwer betroffene Unternehmen und Sektoren auf koordinierte Art und Weise unterstützt werden müssen".

Vor diesem Hintergrund ermöglicht die Kommission den Mitgliedstaaten, die im Rahmen der Staatshilfen vorgesehene Flexibilität zu nutzen, um diese beispiellose Situation zu bewältigen und gleichzeitig die Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt zu wahren.

Die Website der EK erklärt, wie der Befristete Krisenrahmen die bereits bestehenden Möglichkeiten ergänzt, die den Mitgliedsstaaten zur Verfügung stehen, wie beispielsweise Massnahmen zur Entschädigung von Unternehmen bei Schäden, die durch aussergewöhnliche Umstände entstanden sind.

Brexit, Covid-19 und Ukraine – tausende britische Unternehmen werden das vierte Quartal 2022 wohl nicht überstehen.Foto: adobe stock fizkes

Was bedeutet das genau? Das bedeutet, dass die Mitgliedsstaaten Unternehmen, die von der aktuellen Krise betroffen sind, mit einer begrenzten Summe unterstützen können und so dafür sorgen, dass die Unternehmen über ausreichend Liquidität verfügen; ausserdem können Unternehmen für zusätzliche Kosten entschädigt werden, die durch aussergewöhnlich hohe Gas- und Strompreise entstehen. Die Hilfen für hohe Energiekosten dürfen 30% der anrechenbaren Kosten nicht überschreiten.

Wer ist berechtigt? Diese Massnahmen stehen Unternehmen zur Verfügung, die in Schwierigkeiten stecken, da sie aufgrund des Ukraine-Kriegs, der direkt auf die Pandemie folgte, über nicht ausreichend Liquidität verfügen. Die Hilfen müssen an die Erhöhung der Energiepreise gekoppelt sein, da die Krise mit Russland die Wirtschaft auf unterschiedliche Weise betrifft, darunter auch die physische Unterbrechung von Lieferketten. Unterstützung ist in jeder Form möglich, auch in Form von direkten Zuschüssen, staatlicher Garantien, damit Banken betroffenen Unternehmen weiterhin Kredite gewähren, sowie öffentliche und private Darlehen mit subventionierten Zinssätzen. Die Darlehen richten sich nach den betrieblichen Erfordernissen jedes Unternehmens. Die Mitgliedsstaaten sind aufgefordert, vor der Gewährung von Hilfen für gewisse Sicherheiten zu sorgen, darunter auch die Einführung von Anforderung hinsichtlich der Nachhaltigkeit.

Bis wann? Der Befristete Krisenrahmen gilt bis zum 31. Dezember 2022. Die Kommission wird vor Ablauf dieses Datums beurteilen, ob er verlängert werden muss.

Da sie die Vorteile nutzen wollen, fordern europäische Unternehmen und Branchenverbände bereits ihre jeweiligen Regierungen auf, die Rückzahlung von Covid-19-Darlehen zu verschieben, die Mehrwertsteuersätze zu senken und vieles mehr.

Frankreich: Hospitality-Branche kämpft mit Rückzahlungen

In Frankreich hat der Staat seit März 2020 bereits 143 Milliarden Euro an staatlichen Krediten vergeben. Nach Angaben der französischen Bankenvereinigung haben zwei Jahre später 16% der 697.000 Unternehmen, die ein Darlehen erhalten haben, dieses vollständig zurückgezahlt, der Rest hat Teilzahlungen geleistet.

Wenig überraschend ist, dass die Unternehmen, die Schwierigkeiten haben, den Tilgungsplan einzuhalten, im Dienstleistungssektor angesiedelt sind, einschliesslich Tourismus und Hospitality, Reisen, Veranstaltungen, Fitnessstudios etc. Hier geht es um 25.000 bis 30.000 Unternehmen, die jeden Monat den Gegenwert von 1,5 Umsatztagen zurückzahlen sollten, und angeben, dass dies nicht geht.

Bruno Le Maire, Wirtschafts- und Finanzminister, ist offen für eine befriedigende Lösung für alle Seiten und hat sich bereit erklärt, die Rückzahlungen innerhalb von zehn Jahren anstatt der ursprünglich geplanten sechs Jahre anzubieten. "Der staatlich garantierte Kredit, der Zehntausende Unternehmen gerettet hat, darf diese bei der Rückzahlung dieser Kredite nicht untergehen lassen", so Le Maire.

Der Minister steht auch der Frage der Abgabenbefreiung für Unternehmen, die "beispielsweise 65% ihres Umsatzes verloren haben oder neue restriktive Massnahmen" im Kampf gegen Covid-19 ergreifen, "sehr positiv" gegenüber. In einem Brief an die Regierung bitten viele französische Unternehmer und CEOs erneut um Hilfe und geben an, dass diese Massnahmen nicht ausreichen.

Die niederländische Fluggesellschaft KLM hat bereits zwei Drittel der Corona-Staatshilfen zurückgezahlt.Foto: adobe stock Gudellaphoto

Gefangen zwischen Ukraine-Krieg, steigender Inflation, unterbrochener Lieferketten und Verknappung von Bauteilen und Rohstoffen mussten viele Branchen ihre Produktionskosten erhöhen und können den PGE nicht wie geplant zurückzahlen. In der Hospitality-Branche sind die Mitarbeiterkosten aufgrund von Personalmangel gestiegen, die Energiekosten haben sich wegen des Kriegs erhöht, F&B kostet mehr aufgrund von ungeordneten Lieferketten, etc.

Obwohl die Prognosen für die Sommersaison für französische Hoteliers sehr vielversprechend sind, fürchten sie, dass "ein fantastischer Sommer" nicht ausreicht, um sich von zwei Jahren Pandemie zu erholen. Das Risiko der Insolvenz im 4. Quartal ist für viele von ihnen Realität. Die französische Beobachtungsstelle für Wirtschaftsbedingungen hat ihre Wachstumszahlen für 2022 von 4,2% auf 2,7% stark nach unten korrigiert und die Wirtschaftsprognosen für einige Sektoren eingetrübt. Diese Art von Ankündigungen stärkt normalerweise nicht das Vertrauen der Verbraucher.

Irland: reduzierte Mehrwertsteuer verlängert

Anfang letzten Monat hatte Irland angekündigt, dass die reduzierte Mehrwertsteuer von 9% für die Hospitality-Branche bis 2023 verlängert wird. Diese Rate wurde 2020 eingeführt, um Folgen von Covid-19 abzumildern, und sollte im August auslaufen. Im Gespräch mit lokalen Medien erklärte Finanzminister Paschal Donohoe, wie die Tourismus- und die Hospitality-Branche "ohne Eigenverschulden" in Mitleidenschaft gezogen wurden und "jede Chance braucht, um in den kommenden Jahren überlebensfähig zu sein".

Neben der Mehrwerteuer-Regelung unterstützt Irland die Branche auch durch einen "beispiellosen Lohnzuschuss, um sicherzustellen, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf dem Höhepunkt der Pandemie in Verbindung blieben, aber wir müssen die Regelung auslaufen lassen", erklärte der Minister und fügte hinzu, dass alle nicht zur Hospitality-Branche gehörenden Unternehmen bereits im April 2022 aus der Regelung ausgeschieden seien, so dass nur noch Hotels, Restaurants, Clubs etc. darin verbleiben.

Die irische Hospitality-Vereinigung möchte gegen die Entscheidung, sowohl Lohnzuschüsse als auch die Mehrwertsteuer-Senkung zu streichen, Berufung einlegen. "Wir werden uns dafür einsetzen, dass der Mehrwertsteuersatz von 9% mindestens bis Ende 2023 beibehalten wird", so Vertreter Adrian Cummins. Aber die Regierung, die die Kosten auf insgesamt 500 Millionen Euro schätzt, wird sie mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht für diesen Zeitraum verlängern.

Grossbritannien: Tausende werden Q4 nicht überleben

Obwohl sie nicht von der EU-Beihilferegelung betroffen sind, fordern führende Vertreter der Hospitality-Branche und des Lebensmittelsektors im benachbarten Vereinigten Königreich ebenfalls eine angepasste Mehrwertsteuer, "um die Kostenspirale in den Griff zu bekommen". Laut dem lokalen Verbraucherpreis-Index ist die Inflation in den 12 Monaten bis April 2022 auf einen Höchststand in den letzten 40 Jahren von 9% gestiegen, gegenüber 7% im März 2022. Als Opfer einer dreifachen Bedrohung – Brexit, Covid-19 und Ukraine – werden Tausende britische Unternehmen, insbesondere KMU sowie unabhängige Hoteliers, das vierte Quartal nicht überstehen, wenn nicht schnell Hilfe kommt. Die Energierechnungen sind dramatisch gestiegen und die Mehrwertsteuer ist wieder auf 20%, also dem Satz vor der Pandemie.

Die Branche fordert die Regierung nun auf, die Mehrwertsteuer in der Hospitality-Branche auf 12,5% zu senken und eine temporäre Senkung der Mehrwertsteuer für Energiekosten für Unternehmen von 20% auf 5% zu gewähren.

Kate Nicholls, Präsidentin der britischen Hospitality-Vereinigung, ist mit verschiedenen Ministern in Kontakt getreten, um die Probleme der Branche zu definieren und zu lösen. In einem Podcast erzählte sie jüngst von Gesprächen mit dem Wirtschaftsminister, um das Unternehmertum zu fördern, mit dem Tourismusrat, um Strategien zur Erholung von Volumen und Werten umzusetzen, aber auch mit Akteuren der Energiewirtschaft, um gemeinsame Lösungen für die aktuelle Energiekrise zu finden. "Es ist wichtig, dass Minister und Beamte verstehen, dass die Kosten der Geschäftstätigkeit die Krise der Lebenshaltungskosten anheizen. Wenn man das Problem der Lebenshaltungskosten für die Verbraucher lösen will, muss man sich mit dem exponentiellen Anstieg der Geschäftskosten befassen", erklärt Nicholls.

Die Kommunalverwaltung in Brüssel will das Beherbergungsgewerbe mit 18 Millionen Euro unterstützen.Foto: adobe stock jorisvo

Nicholls ist der Ansicht, dass die Unterbrechung der Lieferketten aufgrund von Covid-19, der Krieg in der Ukraine, der langfristige wirtschaftliche Auswirkungen haben wird, und der Arbeitskräftemangel zusätzlich zu den Massnahmen der Regierung, die zu einem höheren Mehrwertsteuersatz, einem höheren nationalen existenzsichernden Lohn und einem höheren NIC geführt haben, es der Branche unmöglich machen, rentabel und überlebensfähig zu bleiben.

"Die Preise sind im zweistelligen Bereich gestiegen. Das Vertrauen der Verbraucher hat sehr gelitten, was sich unweigerlich auf die Nachfrage auswirkt", fasst Nicholls zusammen, die neben anderen Lösungen die Aussetzung der Ökosteuer vorschlägt, die 60% bis 70% der Energierechnungen ausmacht. "Die Regierung sollte langfristiger denken anstatt sofortige Krisen-Massnahmen zu ergreifen", so ihre Schlussfolgerung.

Niederlande: Keine Steuererhöhung, Hilfe bei Schulden

In den Niederlanden hat KLM bereits zwei Drittel der Staatshilfen zurückgezahlt, die das Unternehmen zur Überwindung der Pandemie erhalten hatte. Das Kabinett stellte KLM 3,4 Milliarden Euro an Hilfen zur Verfügung, von denen es 942 Millionen Euro in Anspruch nahm. Das Unternehmen schuldet dem Staat noch 277 Millionen Euro. Obwohl sich der Luftfahrtsektor schneller erholt, sind die meisten Branchen im Land, von Einzelhandel bis Hospitality, nach wie vor stark angeschlagen.

Seit 1. April sind die Corona-Hilfsmassnahmen eingestellt und ab 1. Oktober 2022 müssen die Unternehmen ihre Steuerschulden innerhalb von fünf Jahren zurückzahlen. Das Problem ist, dass die meisten von ihnen trotz staatlicher Hilfen ihre Rentenersparnisse aufgebraucht haben und nun vor einem Schuldenberg stehen. In einem gemeinsamen Schreiben an das Kabinett fordern die Gewerkschaften des Gastgewerbes, die Frist für die Rückzahlung der Steuerschulden auf zehn Jahre zu verlängern und fordern die Regierung auf, einen massgeschneiderten Sanierungsplan für die am stärksten betroffenen Sektoren auszuarbeiten.

Der Königliche Verband Koninklijke Horeca Nederland, der Hoteliers und Gastronomen vertritt, forderte die Regierung ebenfalls auf, von neuen Steuern abzusehen, da die Unternehmer bereits genug belastet sind. "Hospitality-Unternehmen sollten bei Schuldenproblemen unterstützt und nicht mit höheren Steuern belastet werden. Das wäre kontraproduktiv", so KHN. In einem Statement erklärte der Verband, dass Hoteliers und Gastronomen trotz Reiseerholung jeden Cent ihres Umsatzes im Jahr 2022 benötigen, um ihre Steuer- und sonstigen Schulden zu begleichen und ein wenig anzusparen, um neue Investitionen tätigen zu können.

"Das Kabinett möchte die Bürger so weit wie möglich vor der Inflation schützen, aber die Steuern für Unternehmen zu erhöhen, ist nicht der richtige Weg. Die meisten Hospitality-Unternehmen haben nach wie vor Liquiditätsprobleme und kämpfen ums Überleben. Hohe Inflation, Arbeitskräftemangel, Anstieg der Energiepreise, Corona-Schulden und mehr – das alles zusammen macht jegliche Erholungsbestrebungen zunichte", so KHN warnend.

Belgien: Neuer Hilfsplan für Tourismusunterkünfte

In Belgien hat letzte Woche die Kommunalverwaltung in Brüssel einen neuen Plan zur wirtschaftlichen Unterstützung von Tourismusunterkünften verabschiedet. Das Dekret zielt darauf ab, das Beherbergungsgewerbe im Rahmen der Covid-19-Krise zu unterstützen. Die Europäische Kommission hat den Mechanismus im Rahmen der vorübergehenden Staatshilfen bestätigt. Für diesen Zweck wurden insgesamt 18 Millionen Euro bereitgestellt.

"Diese neue Staatshilfe ist für die am schwersten betroffenen Unternehmen im Sektor der Tourismusunterkünfte vorgesehen, denn dieser Sektor hat am stärksten unter der Covid-19-Krise gelitten und braucht nach wie vor Zeit, um zum Vorkrisen-Niveau zurückzukehren", so die Regierung in Brüssel in einer Pressemitteilung. / Sarah Douag

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