F B neu gedacht voll funky Jean Ploner und Omer Kaddouri über vegane, exotische andere Trends
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F&B neu gedacht: voll funky

Jean Ploner und Omer Kaddouri über vegane, exotische & andere Trends

Mehr Mut zu mehr Kreativität! Hotels dürfen in F&B von der trendigen Gastronomie lernen. Foto: unsplash pablo merchan montes

Wiesbaden. Gezüchtetes Fleisch aus Zellkulturen, vegane Gourmetküche, Ghost Kitchen: Das Food & Beverage Management von heute steht vor der Herkules-Aufgabe, aus allen Strömungen und Trends die richtige Strategie für das Hotel herauszufiltern. Das ist aufregender als je zuvor. Zwei Gastro-Profis liefern eine Kaskade an Ideen.

Wohin entwickelt sich der Food & Beverage-Bereich, welche neuen Ideen gibt es und welche Entwicklungen werden sich durchsetzen? hospitalityInside.com hat sich hierzu unter F&B-Experten umgehört. Eine davon ist die Ernährungswissenschaftlerin und Gesundheitspsychologin Hanni Rützler aus Wien, Autorin des Food Report, der seit Jahren vor allem im deutschsprachigen Raum für Furore sorgt. 2013 wurde Rützler durch die weltweit live übertragene Verkostung des ersten In-Vitro Burgers in London auch international bekannt.

Bei den durch die Corona-Pandemie beeinflussten Food-Trends 2022 setzt Rützler auf drei Schwerpunkte, die bereits in früheren Reports eine Stellung einnahmen, sich aber nun verfestigten. Zum einen ist dies der Trend zum Zero Waste. Dank des Cradle-to-Cradle-Ansatzes und der weiterentwickelten Sharing Economy wächst das Bedürfnis, Müll nicht nur wiederzuverwerten, sondern ihn erst gar nicht anfallen zu lassen.

Trend 1: Null Abfall

Als herausragende Beispiele im Bereich Müllvermeidung und Nachhaltigkeit führt Rützlers u.a. das Restaurant Dingsdums Dumplings in Berlin auf, das über Kooperationen im Lebensmittelhandel überschüssige Produkte günstig einkauft und sie als Füllungen in Teigtaschen verarbeitet. Diese werden dann schockgefrostet und entweder zu den Kunden nach Hause geliefert, im Catering des Unternehmens verwendet oder inzwischen auch im eigenen Snack-Restaurant verkauft. Ein weiterer Zero Waste Caterer ist Purslane aus New York.

Food-Trendforscherin und Trendsetterin Hanni Rützler.  Foto: Thomas Wunderlich

Mit dem Thema Müllvermeidung hat sich auch Jean-Georges Ploner beschäftigt. Mit seinem Unternehmen F&B Heroes in Frankfurt bewegt er sich seit über 25 Jahren auf dem internationalen Food & Beverage Parkett. "Müllvermeidung lohnt sich auch wirtschaftlich. Insbesondere die Entsorgung von Nassmüll ist enorm teuer geworden," sagt er. Hierfür stünden den Branchen inzwischen aber auch platzsparende Geräte zur Verfügung, mit denen sie Nassmüll innerhalb von 24 Stunden selbst kompostieren könnten. Ein solches Gerät setze z.B. das Seehotel Wiesler am Titisee ein. Allerdings müsse dies mit den regionalen Entsorgungsbetrieben abgestimmt werden.

Trend 2: Lokales + Exotisches

Als zweite Trend-Säule hat Rützler die Local Exotics herauskristallisiert. Sie bringen den Widerspruch lokaler Lebensmittel-Produktion mit der Sehnsucht nach exotischen Genüssen in Einklang. Beispiele aus der Praxis sind u.a. das Tropenhaus Eden im bayerischen Kronach mit dem Anbau exotischer Früchte von der Guave bis zur Papaya oder die Feldhelden Rheinland aus Köln, die Quinoa anbauen.

Auch im Bereich Meeresfisch und Krustentiere gibt es immer mehr inländische Erzeuger, z.B. Crusta Nova aus Langenpreising in Bayern, wo die Tiere in geschlossenen Aquakulturen ohne jeglichen Einsatz von Antibiotika und Chemikalien gezüchtet werden. Die Fleischzüchtung im Labor verzeichnet inzwischen ebenfalls riesige Fortschritte. In Ness Ziona bei Tel Aviv beispielsweise können Gäste im Testrestaurant The Chicken von Supermeat gezüchtetes Hähnchenfleisch geniessen.

Trend 3: Verantwortung für Fleisch

Den dritten Trend nennt Rützler Real Omnivore. Diese Zielgruppe möchte sich beim Genuss keinem radikalen Verzichtsregime unterordnen. Sie ist aber bereit, dafür Verantwortung zu übernehmen und z.B. in Zellkulturen entwickeltes Fleisch, pflanzenbasierte Ersatzstoffe oder auch den Verzehr von Insekten als Lieferant für Proteine zu akzeptieren.

Ploner dazu: "Ich halte es für richtig, nicht jeden Trend aus dem letzten Winkel der Erde mitzuspielen. Wir haben häufig sogar regionale Produkte, die mit den Trendprodukten vergleichbar sind. Ich kann Chia z.B. wunderbar mit Leinsamen ersetzen. Wir sollten nicht mehr so viel importieren, sondern Dinge lieber selbst züchten."

Wenn Kräuter und Salat auf dem Dach wachsen: Urban Farming wird auch bei Hotels immer beliebter.Foto: Hotel Wellington Madrid

Leider sei das Fleisch eines Rhönschafs aber nach wie vor teurer als das eines Lamms aus Neuseeland. Deshalb vertrete er die Maxime: "Wer nur über den Einkaufspreis geht, wird die Welt nie verändern." Was der Umstellung beim Wareneinsatz auf Bio-Produkte anbelange, so hinke die Hotellerie hier aus unerklärlichen Gründen hinterher. "Wenn Motel One in der Lage ist, sein Frühstücksbuffet auf Bio umzustellen, weshalb haben die anderen das nicht schon längst getan?" fragt er sich.

Die Zukunft liegt im Gemüse

Der Entwicklung von Fleisch aus Zellkulturen stehe er grundsätzlich positiv gegenüber, sofern dieses auch aussehe und schmecke wie Fleisch. Veganen Produkten fehlten bisweilen wichtige Effekte, wie das Knacken beim Biss in eine Bratwurst. Hier könne er sich gut einen aus Zellkulturen hergestellten Wurstdarm mit veganer Füllung vorstellen. Leider sei bisher aber auch der Geschmack von tierischem Fett schwer zu ersetzen. "Bei Proteinen entscheidet auch immer der Kopf mit. Bin ich bereit für Insekten oder nicht?"

Ein weiterer Schwerpunkt des Food Report 2022 sind die Vegourmets, die durch eine gemüsereiche, aber eben auch genussvolle Post-Corona-Gastronomie bedient werden. Zum Beispiel im veganen Restaurant Gauthier in London oder im Lucky Leek in Berlin, das derzeit aber leider noch geschlossen ist. Dazu Ploner: "Die Innovation der Zukunft liegt nicht im Fleisch, sondern im Gemüse."

Die Gastro-Utopie 2030

Grundsätzlich unterscheidet Ploner die Gastronomie in die Bereiche gastronomische Industrie, worunter er im Wesentlichen die System-Gastronomie zählt, und in Verwöhn-Gastronomie, sprich die klassische Individual-Gastronomie mit Vollservice, wie sie auch meist in der gehobenen Hotellerie praktiziert wird. "Nur 25 Prozent der Menschen machen sich überhaupt Gedanken darüber, was sie essen, die restlichen 75 haben andere Prioritäten und setzen ihr Geld woanders ein", bedauert er. Die skalierbare System-Gastronomie werde zunehmen und die Verwöhngastronomie müsse weiterhin sehr viel Herzblut und Engagement an den Tag legen, um die verbliebenen 25 Prozent an Kunden an sich zu binden.

Jean-Georges Ploner: Die System-Gastronomie drängt die Verwöhngastronomie stark zurück.Foto: F&B Heroes

Während des Corona-Lockdowns hat Ploner mit seinem Team eine gastronomische Utopie 2030 formuliert, die u.a. Wege aufzeigt, wie sich Gastronomen partnerschaftlich zusammenschliessen könnten, um ihr Überleben langfristig zu sichern. "Die Frage ist ja immer auch, was noch finanzierbar ist", sagt er. "Die Menschen werden weiterhin den Wunsch nach Geselligkeit verspüren und ausgehen wollen, das hat man auch während der Pandemie gesehen, als sie in den Untergrund gingen, um sich zu treffen."

Positiv wertet Ploner, dass während der Krise eine Systematisierung der Individualisierung stattfand und sich viele Gastronomen digital besser und betriebswirtschaftlich schlanker aufgestellt hätten.

Gastro-Küchen als Genossenschaft?

Einer seiner Vorschläge zur Effektivitäts-Steigerung lautet, Gastronomie-Küchen in einer Art genossenschaftlichem Modell zu systematisieren. "Allein in Frankfurt schnippeln täglich mehrere tausende Köche Karotten. Solche Tätigkeiten könnte man in einer Manufaktur bündeln und die Köche zum wirklichen Kochen und nicht für die Vorbereitung einsetzen." Auch Modelle wie Urban Farming seien von einem einzelnen Restaurant nicht zu finanzieren, im Zusammenschluss aber durchaus.

Bereits in ihrem Food Report 2020 hatte Rützler verschiedene Formen des Urban Farming vorgestellt. Sie reichen von in China oder Dubai geplanten kompletten Stadtteilen, in denen Gemüse in Gewächshäusern gezüchtet werden soll über Mini-Farmen im Kühlschrank-Look, die in Restaurant-Kellern beispielsweise zur Zucht von Pilzen dienen können bis zur Salat-Ernte von Restaurant-Wänden, wie es das Restaurant Good Bank in Berlin praktiziert.

Mehr Mut, mehr Flexibilität!

Grundsätzlich, so Ploner, müssen die F&B-Branche künftig mutiger und flexibler sein. Neue Immobilien-Projekte hätten häufig eine Entstehungszeit von bis zu fünf Jahren. Da mache es keinen Sinn, das Konzept oder eine Gastronomie-Marke bereits bei der Planung festzulegen. "Ich muss früh wissen, welche Flächen wofür vorgesehen sind. Zum Beispiel wo liegt die Terrasse, wie gross soll der Gastraum/die Küche sein? Was ist der Sinn der Fläche? Wie wird die Verweildauer sein?" Die Marke oder die Ausrichtung des gastronomischen Konzepts könne später entschieden werden.

Ploner spricht sich zudem für Pop Up-Restaurants aus. So habe er das bisherige Burger-Restaurant "Die Kuh, die lacht" in Frankfurt kurz vor dem zweiten Lockdown in das Pop Up Vunk umgewandelt, dessen Name für ein Remix aus fun, vegan und junk food steht. Leider war es bisher nur 10 Tage im Betrieb und muss seinen Erfolg nun erst beweisen.

Omer Kaddouri und seine neue F&B-Partnerin Novella Rosi, eine Pionierin der veganen Pizza in Amsterdam.Foto: privat

Hotel-Gastro: bitte individueller
und origineller

Der Hotellerie rät Ploner, sich mehr von der kreativeren Individual-Gastronomie inspirieren zu lassen. Zwei seiner jüngsten Hotel-Gastronomie-Entwicklungen sind z.B. das Belá Belá im Steigenberger Hotel Herrenhof in Wien oder das RIWA im Hotel Sonne in Füssen. Beide Gastronomien verbindet neben einer zeitgemässen Küche mit regionalen und internationalen Einflüssen ein individuelles Storytelling. In Wien steht dabei die Figur des ersten Gastronomen am Standort Belá Waldmann im Mittelpunkt, in Füssen der Genussmenschen und Komponisten Richard Wagner.

Erste Hotelgruppen stellen ihre Konzepte inzwischen auf solche Trends um. Die Moon New Era Hotels stellten in diesen Tagen ihre neue vegetarische Restaurantmarke Y|Restaurant vor, ein fleischloses Fine Dining Konzept, das erstmals in dem zur Gruppe gehörenden Romantik Hotel der Adelshof in Schwäbisch Hall umgesetzt wird. Und die kreativen me and all Hotels der Lindner Gruppe, die schon seit geraumer Zeit mit Pop Up-Konzepten arbeiten, starten in ihrem Haus in Hannover im Juli mit dem Konzept Mamas Tapas. Dabei zieht der Gastronom Nihad Findik als neuer Local Hero in das Haus ein und übernimmt das Pop Up-Restaurant von Vorgänger Nobel.

Und der bekannte Münchner Gastronom Michael Käfer wird im August neben seinem Feinkosthaus in München das vegetarisch-vegane Restaurant Green Beetle eröffnen, wie er jüngst der Presse verriet. Dort werde zudem alles, vom Stuhl bis zum Geschirr, aus unbehandelten Materialen sein.

Neni startet durch

Ein ursprünglich aus der Individual-Gastronomie stammendes gastronomisches Konzept, das schon früher erfolgreich in der Hotellerie Einzug gehalten hat, ist die Marke Neni von Haya Molcho und ihren vier Söhne aus Wien. Im Mittelpunkt der Neni Restaurants steht die moderne Küche Tel Avivs. Franchise-Nehmer der Marke Neni in den Benelux-Ländern ist der heute in Amsterdam lebende ehemalige President und CEO der Rotana Hotels, Omer Kaddouri. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Ronald Huiskamp von H-Hospitality Consultants eröffnete er im Februar 2019 ein Neni in Amsterdam, das sofort grossen Erfolg hatte.

Das Neni Amsterdam als Standalone-Restaurant: Mit To Go kam es gut durch die Krise.Foto: H-Hospitality 

"Im März 2020 stellten wir sofort auf Take-away und Delivery um", so Kaddouri. "Damit hatten wir genug Cashflow, um durch die Pandemie zu kommen." Im September dieses Jahres geht das Neni Plantage Pop Up der beiden im Plantage Viertel von Amsterdam an den Start. Für Utrecht und Rotterdam wurde bereits einen LOI unterschrieben, weitere Wunschstandorte sind Antwerpen, Brüssel und Luxemburg.

Vegan To Go und
Food Market

"Auch die Neni Küche ist überwiegend vegan", so Kaddouri, der demnächst mit einem weiteren, ganz neuen Konzept auf den Markt kommt: Mastino Vegan Pizza, einer veganen Pizzeria mit ausschliesslichem To Go-Angebot. Hierbei arbeitet er mit Novella Rosi zusammen, einer Pionierin der veganen Pizza in Amsterdam. Das erste Outlet der beiden wird im September im populären De Piip Viertel von Amsterdam eröffnen. "Novella ist die leidenschaftliche Gastgeberin und Köchin, ich kreiere die Marke und die Story um sie herum und sorge dafür, dass unser Konzept die entsprechende PR in wichtigen Medien erhält." Als nächstes Konzept hat Kaddouri eine Art Food Market mit vielen verschiedenen asiatischen Küchenrichtungen im Kopf. "Ganz casual und mit erschwinglichen Preisen", erklärt er.

Zu einer neuen Konkurrenz der stationären Gastronomie entwickelten sich während der Pandemie auch die sogenannten Ghost Kitchen, mit denen sich bereits der Food Report 2021 beschäftigte. Hierbei handelt es sich um Küchen ohne Restaurant, die verschiedene Küchenstile unter jeweils eigenen Markennamen per Lieferservice über das Internet anbieten. Sie dringen auch zunehmend in das Geschäftsfeld von Catering-Unternehmen vor, z.B. in Form von Pop Up Kitchens oder Streetfood-Trucks. Erfolgreiche Ghost Kitchen sind zum Beispiel Vertical Food aus Berlin oder der vegetarische und biologische Liefer- und Cateringservice Rita bringt’s aus Wien.

Grundsätzlich haben sich Ausser-Haus-Gerichte in jüngerer Zeit auch qualitativ weiterentwickelt. Optimierte Verpackungssysteme und Rezepturen sorgen dafür, dass die Speisen den Transport besser überstehen, sowohl optisch als auch geschmacklich. Für Restaurant-Betreiber, die neben Köchen und Wareneinsatz auch Pachten und Mitarbeiter-Gehälter bezahlen müssen, heisst dies im Klartext: Mit der steigenden Qualität von Delivery Food werden ihre Lokale mehr und mehr zu Orten, an denen neben dem Essen die Aufenthaltsqualität an Bedeutung gewinnt. Restaurants werden mehr denn je als Genussorte und Treffpunkte geschätzt. / Susanne Stauss

 

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