Hospitality Jobs nach wie vor unbeliebt Zahlen aus USA UK und Frankreich zeigen wie verzweifelt die Lage ist
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Hospitality-Jobs nach wie vor unbeliebt

Zahlen aus USA, UK und Frankreich zeigen, wie verzweifelt die Lage ist

Frankreich leidet schwer. 'Die Rückkehr aller unserer Mitarbeiter ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Wiederbelebung unseres Geschäfts', sagt Accor-CEO Sébastien Bazin.Foto: unsplash alex harmuth

London. In den USA ziehen zwei Drittel der Arbeitssuchenden einen Job in der Hospitality-Branche noch nicht einmal in Betracht. 50 Prozent ehemaliger Hospitality-Angestellter wollen für kein Geld der Welt wieder zurück in ihren Job. In Grossbritannien sind nach dem Lockdown 200.000 Arbeitskräfte nötig, um die Branche wiederzubeleben. In Frankreich kämpft jedes einzelne Hotel mit einer Fluktuation von 15 bis 30 Prozent. Das tut alles richtig weh. Sarah Douag liefert Zahlen, beschreibt Frust und Folgen.

USA: Kein Incentive kann überzeugen

Personal-Engpässe gibt es in der Hospitality-Branche schon lange, aber die Pandemie hat das Problem weltweit verschärft. In den Vereinigten Staaten beispielsweise zeigt eine kürzlich von Joblist durchgeführte Umfrage, dass die Arbeitslosenquote trotz einer Wirtschaft, die sich dem Normalzustand annähert, immer noch um mehrere Prozentpunkte höher ist als vor der Pandemie, und dass viele Arbeitnehmer immer noch Schwierigkeiten haben, den richtigen Job zu finden.

Überraschenderweise sind Hospitality-Jobs nach wie vor unbeliebt. Der Joblist-Bericht zeigt, dass 60% der befragten Arbeitssuchenden einen Job in dieser Branche für ihre nächste Stelle nicht einmal in Betracht ziehen. Der häufigste Grund für das mangelnde Interesse ist, dass sie ein anderes Arbeitsumfeld, eine höhere Bezahlung, bessere Benefits und eine flexiblere Zeit-Einteilung bevorzugen würden. Die alarmierendste Erkenntnis ist, dass für 69% der Befragten keine Anreize ihre Meinung ändern würden, nicht einmal ein höheres Gehalt, kostenloses Essen oder ein Bonus.

Service? Nein danke. Die Analyse der amerikanischen Joblist isternüchternd. Foto: unsplash bimo luki 

Arbeitssuchende, die bereits Erfahrung in der Hospitality-Branche haben, verlieren ebenfalls das Vertrauen. Obwohl sie deutlich mehr Interesse an Stellen im Hotel- und Gastgewerbe haben als der Gesamtdurchschnitt, ziehen 38% von ihnen Cafés, Restaurants, Bars oder Hotels für ihre nächste Stelle nicht einmal in Betracht. Dies stellt eine grosse Veränderung dar, da laut Joblist ein grosser Prozentsatz der ehemaligen Hospitality-Arbeitskräfte die Branche verlassen möchte.

Das Unternehmen unterstreicht, dass die Pandemie den Beschäftigten in der Hospitality-Branche eine Gelegenheit bot, ihre Beschäftigungssituation neu zu bewerten und andere Karrierewege in Betracht zu ziehen.

Obwohl die Umfrage zeigt, dass 39% von ihnen mit einem höheren Gehalt, mehr Leistungen oder einem Bonus zurückkehren würden, zeigt sie auch schockierend, dass über 50% der ehemaligen Beschäftigten in der Branche, die derzeit nach einer anderen Stelle suchen, angaben, dass keine Gehaltserhöhung oder ein Anreiz sie motivieren würde, in ihren alten Restaurant-, Bar- oder Hoteljob zurückzukehren. Autsch!

 

GROSSBRITANNIEN: Durch Corona noch mehr verloren

Im Vereinigten Königreich sollte die jüngste Lockerung aller gesetzlichen Beschränkungen die Erholungsphase des Hospitality-Sektors einläuten; stattdessen sehen sich die Unternehmen mit einer Reihe dringlichster Herausforderungen konfrontiert, zu denen auch der Personalmangel gehört, was Branchen-Leader zu der Annahme veranlasst, dass der Weg zur Erholung noch viele Monate lang holprig sein wird.

"Der Sektor hat im Laufe der Pandemie bereits mehr als 12.000 Betriebe und mehr als eine halbe Million Arbeitsplätze verloren; ohne weitere angemessene Unterstützung werden noch mehr Betriebe und Arbeitsplätze verlorengehen", erklären der Verband UKHospitality und die Gewerkschaft der Pubs.

In einer gemeinsamen Erklärung teilen drei Verbände die grössten Bedenken hinsichtlich der Personal-Situation. Eine von ihnen durchgeführte Umfrage unter mehr als 350 Unternehmen, die Zehntausende von Betriebe im Land betreiben, ergab, dass 100% von ihnen derzeit offene Stellen haben. In einem Drittel der Betriebe sind sogar Führungspositionen zu besetzen. Nach Angaben von UKHospitality werden immer noch über 200.000 Arbeitskräfte benötigt, um die Wiederbelebung der Branche nach dem Lockdown zu begleiten.

Wie überall sind es auch in Grossbritannien niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen und prekäre Verträge, die die Mitarbeiter dazu bringen, den Beruf zu wechseln, kombiniert mit unsozialen Arbeitszeiten und mangelndem Respekt von Kunden und Arbeitgebern, wenn man den Kommentaren der Arbeitnehmer in den sozialen Medien Glauben schenken darf. Die wiederholten Schliessungen haben ihnen eindeutig den nötigen Freiraum gegeben, um ihre Karriere und ihre Work-Life-Balance zu überdenken, und viele kehren jetzt, wo die Kunden wieder da sind, nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurück. Zumindest nicht für das gleiche Gehalt.

Laut Online-Jobbörse Adzuna liegt das Durchschnittsgehalt im Vereinigten Königreich im Hospitality-Sektor bei 24.400 Pfund Sterling und damit ganze 10.000 Pfund unter dem Durchschnittsgehalt für andere ausgeschriebene Stellen.

Covid-Folgen in UK: Ausländische Gäste sind da, ausländische Mitarbeiter sind weg. Foto: unsplash fraser cottrell

Brexit verschlimmert es weiter

Die Situation ist verschärft sich doppelt: Der Mitarbeiter-Mangel in Grossbritannien wird nämlich auch durch den Brexit getrieben, dessen neue Einwanderungsregeln die Unternehmen darin beeinträchtigen, auf Personal aus dem Ausland zurückzugreifen. Einige würden sagen, dass dies nicht neu ist, da die Branchen-Köpfe auf das Problem starren, seit die Regierung deutlich gemacht hat, welche Art von Brexit-Abkommen sie anstrebt. In der Tat, aber die Pandemie hat die verheerenden Auswirkungen noch verschlimmert und viele europäische Arbeitskräfte in ihre Heimatländer zurückgetrieben und sie haben nicht vor, zurückzukehren. Offizielle Statistiken vom März 2021 zeigen, dass innerhalb eines Jahres eine Million Menschen das Land verlassen haben.

Es ist keine Überraschung, dass mehrere Restaurant- und Hotelketten erklären, sie könnten nicht öffnen, weil ausländische Mitarbeiter in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Ironischerweise ist es ausgerechnet einer der prominentesten Brexit-Befürworter der Branche, Tim Martin, Gründer der Pub-Kette Witherspoons, der nun Boris Johnson auffordert, die Beschränkungen zu lockern und eine Visa-Regelung für EU-Arbeitskräfte einzuführen, um den Druck auf die Unternehmen zu mindern. Laut der britischen Zeitung The Telegraph schlug er sogar vor, dass Länder, die geografisch näher am Vereinigten Königreich liegen, bevorzugt behandelt werden könnten.

Über pures Reden hinausgehend hat UKHospitality vor kurzem einen 12-Punkte-Plan zur Bewältigung der Mitarbeiter-Krise vorgestellt. Der Plan zeigt, was Arbeitgeber selbst tun können und wie die Regierung diese Bemühungen unterstützen kann. Ausserdem wird eine neue Partnerschaft zwischen UKHospitality und dem Ministerium für Arbeit und Renten zur Förderung von Arbeitsplätzen in der Branche vorgestellt.

Die Vorsitzende von UKHospitality, Kate Nicholls, betont, dass der Sektor eine wunderbare Vielfalt an Aufgaben und spannenden Karrieren bietet und ein stabiler Arbeitgeber für Millionen von Menschen in ganz Grossbritannien ist. "Wir können Hospitality von Weltklasse bieten, mit grossen und kleinen Arbeitgebern, die erstklassige Ausbildungsprogramme, Lehrstellen und Karrierewege anbieten. Es ist jedoch klar, dass wir neue Leute für unseren Sektor gewinnen und die Vorteile eines Jobs oder einer Karriere in der Hospitality-Branche hervorheben müssen", sagte sie. Vor der Pandemie beschäftigte die Branche 3,2 Millionen Menschen und war damit der drittgrösste private Arbeitgeber in Grossbritannien.

In dem Plan wird die Regierung u.a. aufgefordert, so schnell wie möglich alle Restriktionen aufzuheben und das Vertrauen in den Sektor wiederherzustellen, den Arbeitnehmern im Ausland die Rückkehr zu ermöglichen, die Auflösung der Ausbildungsabgabe seitens der Arbeitgeber einzufrieren, damit die Branche in hochwertige Trainings investieren kann. Ausserdem soll die Regierung die Auswirkungen des neuen Immigrations-Systems und seine Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit sowie die Erholung der Branche und die breite Wirtschaft überdenken. Sie soll den ermässigten Mehrwertsteuersatz dauerhaft einführen und den Schwellenwert für die Arbeitgeber-Beiträge zur Sozialversicherung verdoppeln, damit die Unternehmen wachsen und höhere Löhne zahlen können.

Die Arbeitgeber verpflichten sich ihrerseits, mehr mit Hochschulen und Universitäten zusammenzuarbeiten, Recruitment- und Loyalitäts-Kampagnen zu starten und die Recruitment-Website careerscope.uk.net fördern, und vieles mehr.

 

FRANKREICH: Von 120.000 Beschäftigten keine Spur

Auf der anderen Seite des Ärmelkanals geht es ihren französischen Kollegen nicht besser. Von der Bretagne bis Marseille und sogar in Paris hindert der Mitarbeiter-Mangel eine Reihe von Hotels und Restaurants daran, zu öffnen oder er zwingt sie, ihre Öffnungszeiten einschränken. In Marseille beispielsweise hatte das InterContinental, ein 5-Sterne-Haus mit Blick auf das Mittelmeer, das im Juli zu 91% ausgelastet war, Schwierigkeiten, Personal einzustellen, nachdem die Regierung im Juni alle Restriktionen aufgehoben hatte.

Im Gespräch mit der Wirtschaftszeitung Les Echos bestätigt Accor-CEO Sébastien Bazin, dass der Aufschwung zwar "vor der Tür" stehe, der Arbeitskräfte-Mangel aber eine "dramatische" Situation in der Hotellerie schaffe. Bazin fügt hinzu: "Die Welt hat sich verändert, ebenso die Erwartungen der Arbeitnehmer. In allen Branchen gibt es viele, die die Opfer und persönlichen Einschränkungen der letzten Jahre nicht mehr akzeptieren wollen. Die Hotel-Branche braucht mehr als 100.000 Mitarbeiter, und heute hat jedes einzelne Haus in Frankreich mit einem Personal-Engpass von 15 bis 30% zu kämpfen".

Eine neue französische Plattform vereinfacht das Suchen und Finden für beide Seiten.Foto: Marko Novkov 

Ein Disaster. So qualifiziert Sébastien Bazin die aktuelle Situation. Obwohl der CEO bereits im März wusste, dass ein Teil seiner Mitarbeiter nicht zurückkehren würde, hoffte er, dass sie trotzdem da sein würden. "Wir waren für unsere Teams da; wir hätten uns gewünscht, dass sie da sind, wenn wir sie am meisten brauchen [...] Die Rückkehr aller unserer Mitarbeiter ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Wiederbelebung unseres Geschäfts", erklärte er gegenüber Les Echos. Der Gouverneur der Banque de France kann dem nur zustimmen. In einer offiziellen Mitteilung wies er darauf hin, dass mehr als vier von zehn Unternehmen Schwierigkeiten haben, qualifiziertes Personal einzustellen, und warnte, dass dies "sozial und wirtschaftlich inakzeptabel" sei.

Franck Trouet, der die unabhängigen französischen Hoteliers und Gastronomen in der Initiative GNI vertritt, ist überaus besorgt. "Wir haben keine Nachricht von 120.000 Beschäftigten erhalten. Sie sind abgewandert, haben den Beruf wegen einer besseren Lebensbalance oder oft aus finanziellen Gründen wie dem Verlust der Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung aufgegeben." Capfun, der Marktführer der Camping-Branche in Frankreich, hat in diesem Sommer ebenfalls zu kämpfen. Der Konzern stellt normalerweise 4.000 Mitarbeiter ein. In dieser Saison fehlen 500 Mitarbeiter.

Um auf den dringenden Bedarf an jungen Talenten zu reagieren, werden Fachleute in mehreren Regionen kreativ. In der Region Vendée z.B. haben die UMIH85 und die Greta CFA Anfang dieses Monats ein dreijähriges Programm für unbegleitete Minderjährige mit Flüchtlingsstatus ins Leben gerufen. "Unsere Region nimmt 297 Minderjährige auf. Wir haben einen Mitarbeiter-Engpass und sie sind bereit zu lernen", resümiert die UMIH85. Das ist zwar ermutigend, aber nur ein Tropfen auf den heissen Stein der offenen Stellen in der Branche.

Mix an motivierenden Ideen

Der Mangel an qualifiziertem Personal ist kein lokales Problem. Es ist ein nationales Problem und deshalb hat die UMIH im vergangenen Mai eine neue digitale Rekrutierungsplattform gestartet. Nach zweijähriger Entwicklungszeit ist hcr-emploi.fr nun für Arbeitnehmer und Arbeitgeber einsatzbereit. "HCR Emploi ermöglicht es Hotel- und Restaurant-Besitzern, kurzfristige Arbeitsverträge abzuschliessen, und vereinfacht die Verwaltungsverfahren. 90% unserer Mitglieder sind sehr kleine Unternehmen mit weniger als 11 Mitarbeitern, die keine Personalabteilungen haben", betont der Präsident der Sozialkommission der UMIH. Während die Plattform für Bewerber kostenlos ist, müssen Arbeitgeber ein Abonnement abschliessen und eine monatliche oder jährliche Gebühr entrichten.

In der Praxis kommen viele Ideen von den Unternehmern selbst. Einer schlägt etwa vor, Mitarbeiter, die einen Freund werben, mit einem 100-Euro-Bonus zu belohnen. Ein anderer hat einen "Glückschef" eingestellt, der die Moral der Mitarbeiter hochhält. Ein anderer plant, mehr Mitarbeiter als nötig einzustellen, falls welche gehen, während der nächste vorschlägt, ihnen mehr zu zahlen.

Selbst Sébastien Bazin scheint dem zuzustimmen. "Diese Krise hat uns die Zeit gegeben, darüber nachzudenken, was wir gut machen und was verbessert werden kann. Die Mitarbeiter in der Hotellerie arbeiten hart; sie müssen mehr Anerkennung und Wertschätzung erfahren, sei es durch das Gehalt oder etwas anderes", sagte er.

Im französischen Hotel- und Gaststättengewerbe erwarten fast acht von zehn Fachleuten, dass sich das Geschäft im Jahr 2021 im Vergleich zu Vor-Covid mindestens halbieren wird. Das sieht ganz danach aus, als ob es morgen keine Gehaltserhöhungen geben wird. / Sarah Douag

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