HR Daten sammeln wie Finanz Daten Predictive People Analytics hilft Managern bei diversen Entscheidungen
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HR-Daten sammeln wie Finanz-Daten

Predictive People Analytics hilft Managern bei diversen Entscheidungen

HR-Daten helfen das Potential der Mitarbeiter zu heben.Foto: ktsdesign stock.adobe

München. Mit Hilfe von "Predictive People Analytics" sollen HR-Daten zu besseren Management-Entscheidungen führen und z.B. über Projekte mitentscheiden. Traditionelle HR-Daten verlieren deshalb ihre Bedeutung. Heute sind HR-Daten in jedem Meeting präsent, sagt ein Unternehmen. Beim ersten Summit in München unter dem Stichwort PPA war dann aber auch zu hören: Dank KI braucht man künftig keine Menschen mehr in der Entscheidungsfindung.

"People Analytics sind nicht nur HR-Daten," erklärte Dietmar Eidens, HR-Vorstand bei dem Wissenschafts- und Technologie-Unternehmen Merck in Darmstadt. "Es ist viel mehr." Die Datenanalyse ermögliche es, bessere und datengetriebene Geschäftsentscheidungen zu treffen und nur das sei es, was zählt. Ziel von People Analytics ist es, aus vorhandenen Daten Prognose-Instrumente zu entwickeln, Kausalitäten aufzudecken und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten.

Zu den Daten gehören neben den bekannten Personaldaten zu Alter, Ausbildung etc. beispielweise Gehälter, Leistungsbeurteilungen, Kündigungen und die Arbeitszufriedenheit. Doch um aus diesen Daten umfangreiche Schlüsse zu ziehen, braucht es die Datenanalyse – also People Analytics. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass Unternehmen nur dann erfolgreich sind, wenn sie das Potential ihrer Mitarbeiter ausschöpfen und frühzeitig auf Probleme reagieren. Ob bei der Standort-Wahl für eine Zweigstelle, für eine Produkt-Einführung oder das Talent Management – mit People Analytics können Mitarbeiter-Daten gezielt genutzt werden.

Das Thema beschäftigt nicht nur HR-Manager, sondern auch Arbeitnehmer-Vertreter, Berater und Investoren. "Human Capital spielt eine immer grössere Rolle bei der Bewertung von Unternehmen", beobachtet Theo Siegert, auf dessen Anregung es zu der Tagung kam. Der Geschäftsführer des Familien-Unternehmens de Haen-Carstanjen & Söhne ist Mitglied in zahlreichen Aufsichtsräten und lehrte bis 2012 als Honorar-Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

Richtig eingesetzte Mitarbeiter leisten mehr. Die professionelle Analyse hilft dabei.Foto: fizkes stock.adobe

Veranstalter des ersten PPA-Summits ist der Lehrstuhl für Organisationsökonomik an der LMU. "Wir wollen eine Plattform für den Wissensaustausch zwischen der Wissenschaft und den Unternehmen über aktuelle HR-Themen schaffen", erklärte Lehrstuhlinhaber Prof. Florian Englmaier. So gebe es bereits umfangreiche Forschung, die auch klare Indikationen für das Management habe und künftig möchte man intensiver mit den Unternehmen bei Themen wie Digitalisierung, Diversity, Innovationen, Leadership, Talent Management oder Entlohnung kooperieren.

Alte HR-Daten verlieren an Wert

Voraussetzung für People Analytics ist eine gute Datenbasis, an der es bisher in den meisten Unternehmen hapert. Beim Unternehmen Merck, das in den drei sehr unterschiedlichen Bereichen Health Care, Life Science und Performance Materials tätig ist, habe man bereits 2011 mit der systematischen Datenerfassung begonnen, berichtet HR-Vorstand Eidens. Bis dahin habe es nur die Zahlen im Jahresbericht gegeben.

Ausgangspunkt für die Datenanalyse müsse immer ein Problem sein, das es zu lösen gilt. Der Schlüssel sei es, dabei fokussiert zu bleiben: Was ist das Geschäftsproblem und wie lösen wir es? "Wir vergleichen das mit der Entscheidungsfindung im Finanzbereich oder im Supply Chain Management," so Eidens. HR sei daher der People Data Provider. Es gehe darum, die People-Dimension eines Wissenschafts- und Technologie-Unternehmen zu formen. Traditionelle HR-Daten seien begrenzt und werden ihre Bedeutung verlieren, so Eidens. "Wir brauchen ein neues Set von HR-Fähigkeiten". Von den 25 Mitarbeitern in seinem Team seien 20 ausgebildete Datenanalysten, häufig ohne HR-Kenntnisse. "Leader wollen verlässliche und korrekte Daten, aufbereitet auf eine einfache und verständliche Weise," betonte Eidens. "Halten Sie die Komplexität und die Fülle im Hinterzimmer."

So gibt es bei Merck das Tool Mia, das z.B. die Verkaufserlöse pro Kopf anzeigt. Daraus liessen sich dann die Mitarbeiterkosten und der Wert des Geschäfts erkennen und entscheiden, ob man etwa an einem Geschäftsbereich festhält oder ihn aufgibt. Beim Recruiting durchforstet man die sozialen Netzwerke nach Experten. "Wenn wir einen spezialisierten Augenarzt für einen bestimmten Krebstyp brauchen, suchen wir potentielle Kandidaten anhand der Publikationen zu dem Thema", so Eidens. "Wo sind solche Experten und in welchem Netzwerk sind sie aktiv?" Aus seiner Einstellung zur Wissenschaft machte der Merck-Vorstand keinen Hehl: "Wenn die Wissenschaft helfen kann, okay. Wenn nicht, machen wir es selbst". Auch der nächste Schritt steht für ihn schon fest: "Dank künstlicher Intelligenz brauchen wir künftig keine Menschen mehr bei der Entscheidungsfindung".

Prof. Florian Englmaier von der LMU: Wir wollen eine HR-Plattform für den Wissensaustausch zwischen Wissenschaft und Unternehmen.Foto: privat

Kein Meeting mehr ohne HR-Daten

Auch bei Henkel hat man in den letzten Jahren an der Verbesserung der Daten-Qualität gearbeitet, berichtete Carsten Bertling, Global Head Compensation & Benefits, Processes & Systems, Management & Analytics bei Henkel. Denn bisher gab es unterschiedliche, oft auf bestimmte Bereiche beschränkte Daten. Es sei oftmals nicht klar gewesen, wem die Daten gehörten und wer verantwortlich ist. "Das führte zu einem geringen Vertrauen in HR-Daten", gestand Bertling. Das habe man inzwischen geändert, klare Definitionen eingeführt, der Report wurde den Bedürfnissen des Business angepasst und das Daten-Management in neues Visualisierungstool integriert, zu dem auch das Management Zugang hat. Dabei seien die Daten stets – anonymisiert – bis zum einzelnen Mitarbeiter verfolgbar.

"Heute sind HR-Daten in jedem Meeting präsent," erklärt Personalmanager. Wo früher eher aus dem Bauch entschieden wurde, bekommen Entscheidungen durch People Analytics eine solide empirische Fundierung. Manager erhalten in Echtzeit Auswertungen und Analysen. Es gebe eine bessere Integration in den Planungsprozess und die Manager fragten inzwischen gezielt nach den HR-Daten. "Das ist eine nette Erfahrung für HR", so Bertling.

"Wir werden immer wieder gefragt, wie man vorhersagen kann, ob ein Mitarbeiter das Unternehmen verlassen will," berichtete Barbara Wittmann, Country Manager für Deutschland, Österreich und die Schweiz, bei LinkedIn. "Alle wollen die Kristallkugel, aber die gibt es nicht." Bei LinkedIn setze man auf ein konstantes Feedback mit zwei bis vier Puls-Befragungen im Jahr. Die Ergebnisse bekomme jeder Mitarbeiter innerhalb einer Woche. An der Wortwolke könne man dann erkennen, wie sich die Stimmung verändert hat und entsprechend reagieren.

Beispiel ING Bank

Ein Beispiel, wie die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis funktionieren kann, zeigte Maria Guadalupe, Wirtschaftsprofessorin am INSEAD in Fontainebleau bei Paris. Dabei hat die renommierte Business School die Online-Bank ING bei ihrem Transformationsprozess begleitet. Die Bank sei die erste Organisation mit einer traditionellen hierarchischen Struktur, die sich zu einer agilen Organisation mit autonomen Teams gewandelt habe. "Auslöser waren vor allem zwei Dinge," erklärte Guadalupe. "Die Komplexität des Geschäfts und die Krise beim Mitarbeiter-Engagement".

Die rund 3.000 Mitarbeiter wurden multifunktionalen Teams zugeteilt. Zwei Jahre befragten die Forscher die Mitarbeiter, um herauszubekommen, was die Performance und das Engagement antreibt. Dabei sei es sehr hilfreich gewesen, dass INSEAD den Mitarbeitern klar signalisiert habe, keine individuellen Daten an ING zurückzugeben. Das Ergebnis: Die Zufriedenheit hat zugenommen. Es gab in den Teams grosse Veränderungen in den ersten sechs Monaten, danach war es relativ stabil. Das Vertrauen in andere Teammitglieder und in die Führung des Tribes sowie Teamstabilität und Zeit miteinander sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren. "Je mehr Vertrauen es gibt, desto mehr Effizienz," so die Wissenschaftlerin.

Digitales ja, aber den Menschen nicht unterschätzen!Foto: olly Fotolia

Der Mensch ist immer
noch begehrt

Eher etwas altbacken wirkten dagegen die Präsentationen zweier Professoren der London School of Economics, die sich auf ältere Studien bezogen. Catherine Thomas, Associate Professor of Managerial Economics and Strategy, beschäftigte sich mit Investitionen in die Weiterbildung. Der starke Anstieg bei den CEO-Gehältern bedeute, dass Talente mit General Management-Fähigkeiten gefragt sind. Das wiederum hänge mit der Weiterbildung in den Unternehmen zusammen. Denn die könnten ihre Mitarbeiter entweder in General Management-Kompetenzen oder in unternehmensspezifischen Kompetenzen trainieren. Doch Mitarbeiter, die in General-Management trainiert sind, profitieren davon, wenn sie das Unternehmen verlassen.

Daher stelle sich die Frage: Wer zahlt die Investitionskosten? Und wie viel sollten die Unternehmen in die beiden Bereiche investieren? Forscher kamen zu dem Schluss: Der Mitarbeiter sollte seine General Management-Weiterbildung selbst zahlen. "Wenn man das weiter durchdenkt, kommt man zu der Erkenntnis, dass es zu wenig Investment gibt," erklärt Thomas. Dazu komme ein weiteres Problem: Mitarbeiter, die am Anfang ihrer Karriere stehen und die Weiterbildung am ehesten benötigen, hätten kein Geld dafür.

Jordi Blanes-I-Vidal, Associate Professor of Managerial Economics and Strategy, berichtete über zwei Kooperationsprojekte der Hochschule zum Thema Kommunikation. Das eine fand gemeinsam mit der Polizei von Manchester statt und zeigte, dass es effektiver ist, wenn der Mitarbeiter, der einen Notruf annimmt, mit dem Polizisten, der die weiteren Massnahmen einleitet, in einem Raum und nicht an unterschiedlichen Orten sitzt. Diese Teams waren schneller, verhinderten mehr Verbrechen und lösten mehr Fälle. Anders verhielt es sich bei Call Center-Mitarbeitern des OTAs Ctrip in China. Sie arbeiteten zu Hause mehr Minuten pro Schicht, nahmen mehr Anrufe entgegen und sparten sich die lange Fahrtzeiten zum Arbeitsplatz.

In den drei Workshops zu den Themen "HR-Management in der agilen Welt", Digitalisierung und Informationsfluss" sowie "Identifikation und Entwicklung von Talenten" wurde nicht nur intensiv diskutiert, es wurde auch deutlich, dass noch viele Fragen offen sind. Was bedeutet eigentlich Agilität? Und sollen auch Mitarbeiter in der Produktion agil sein? Was ist ein Talent? Wie identifiziert man es? Führen Algorithmen zu besseren Entscheidungen bei der Personalauswahl? Ein Teilnehmer brachte es treffend auf den Punkt: "HR weiss oft viel zu wenig und sieht künstliche Intelligenz als etwas Magisches. Aber da ist nichts magisch". / Bärbel Schwertfeger

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