Human Resources oder Human Capital Aethos Consulting über den sensiblen Umgang mit Kosten und Menschen
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Human Resources oder Human Capital?

Aethos Consulting über den sensiblen Umgang mit Kosten und Menschen

Entlassen oder nicht? HR-Abteilungen kommt in diesen kritischen Zeiten eine besondere Bedeutung zu.Foto: unsplash campaign creators

Wiesbaden. International operierende Hotelketten kündigen im Zuge der Corona-Pandemie riesige Entlassungswellen an, die auch die Headquarter einschliessen. In Deutschland fängt die Kurzarbeit Mitarbeiter noch einige Monate auf, doch auch hier laufen die Geschäfte in der Stadthotellerie weiter miserabel, was zu Entlassungen führen dürfte. Welche Konsequenzen können die Kündigungen mittelfristig auf die Unternehmen haben und wie managt man sie am besten? Die "Human Resources"-Abteilung gewinnt in diesen kritischen Zeiten an Gewicht: Ihre Expertise und Feinfühligkeit im Umgang mit Mitarbeitern entscheidet über das "Human Capital" der Zukunft. Ein Gespräch mit der weltweit agierenden Aethos Consulting.

Obwohl in vielen Ländern der Welt das Business wieder gestartet ist, läuft es doch meist auf Sparflamme und unter scharfer Kosten-Kontrolle, die sich insbesondere im rückläufigen Personaleinsatz niederschlägt. Mitarbeiter der Branche sind inzwischen mit einer dramatischen Entlassungswelle konfrontiert, welche insbesondere für diejenigen in Ländern mit geringer sozialer Absicherung, wie den USA, verheerend sein wird.

Marriott beispielsweise informierte seine Mitarbeiter am 27. Mai darüber, dass Beurlaubungen und reduzierte Arbeitszeiten, die im April eingeführt wurden, bis zum 2. Oktober 2020 verlängert werden. Ausserdem initiierte das Unternehmen ein freiwilliges Übergangsprogramm für US-Mitarbeiter, die sich entweder in anderen Häusern der Gruppe einsetzen lassen oder das Unternehmen freiwillig verlassen können, um sich anderweitig zu orientieren. Ähnliche Angebote werden auch für andere Teile der Welt erwogen. Marriott rechnet erst nach 2021 mit einer Normalisierung des Geschäfts und geht davon aus, dass im Laufe des Jahres eine beträchtliche Anzahl von Positionen gestrichen werden müssen. Wie viele Mitarbeiter das sein werden, stehe noch nicht fest.

Konkreter wird da Hilton. Die Gruppe liess am 16. Juni verlauten, dass im Zuge der notwendigen Kosten-Reduzierung rund 2.100 Mitarbeiter weltweit entlassen werden müssten sowie bereits angetretene Beurlaubungen, Stunden-Reduzierungen und gekürzte Gehälter weitere 90 Tage beibehalten würden. Mitarbeiter des Unternehmens, die von diesen Massnahmen betroffen seien, erhalten laut Hilton eine Abfindung, Unterstützung beim Outplacement, Zugang zu einem beschleunigten Rekrutierungsverfahren bei der Wiederaufnahme von Reisen, ferner einen erweiterten Zugang zum Reiseprogramm für Go Hilton-Teammitglieder und den erweiterten Hilton Honors-Status für Teammitglieder; Hilton-Alumni erhalten zudem Zugang zu Online-Ressourcen.

Thomas Mielke: Falsche Stellen abzubauen, schadet dem Unternehmen genau so wie zu viele Kosten zuzulassen.Foto: Aethos Consulting

Auch Oyo entlässt US-Mitarbeiter

Doch es sind nicht nur die US-Ketten, die jetzt die Reissleine ziehen. Der indische Disruptor Oyo hat inzwischen einen Grossteil seiner Mitarbeiter in den USA entlassen, wie die Online-Seite Livemint meldet. Bereits vor zwei Monaten hatte Oyo Mitarbeiter in den USA beurlaubt, um Geld zu sparen, nun informierte der COO die dortigen Mitarbeiter, dass viele von ihnen entlassen würden – dafür aber immerhin Aktienanteile und Outplacement-Unterstützung erhielten.

In Deutschland verhindert das Kurzarbeitergeld aktuell noch Massen-Entlassungen in der Hotellerie und die Branche hofft, bei einer baldigen Konjunktur-Belebung auf solche verzichten zu können. Doch das erscheint angesichts der Lage eher unrealistisch.

Welche Konsequenzen ausblutende Teams für Hotel-Unternehmen hat und wie man am besten mit Personal-Reduzierungen umgeht, fragte Susanne Stauss Thomas Mielke, Managing Director im Londoner Büro der amerikanischen Aethos Consulting Group. Das weltweit tätige Beratungsunternehmen zählt Hotels, Restaurants, Casinos, Kreuzfahrt-Gesellschaften, Clubs und Reiseveranstalter zu seinen Kunden. Zu den Kernkompetenzen gehören Executive Search, Vergütungsberatung, Organisationsentwicklung und psychometrische Beurteilungen.

Thomas, internationale Hotelgruppen haben aufgrund der Corona-Krise Entlassungen von teilweise mehreren tausend Mitarbeitern angekündigt. Wird das mittelfristig nicht zu Problemen führen?

Mittel- bis langfristig sehen die meisten Unternehmen positiv in die Zukunft. Das Problem liegt im Hier und Jetzt, wo hohe Kosten im starken Kontrast zu niedrigen Umsätzen stehen – dementsprechend müssen etliche Unternehmen mit Widerwillen die Reissleine ziehen und Stellen abbauen.

Die Situation erfordert es, dass man sich der Realität stellt – das Wichtige ist hierbei, dass das Management sowohl die nächsten 12 bis 18 Monate berücksichtigt als auch das Geschäftsumfeld nach Corona. Baut man zu viele oder gar die falschen Stellen ab, so schädigt man sich definitiv, wenn es um den Wiederaufbau nach der Krise geht. Ist man zu optimistisch bezüglich der Bewältigung der Kosten, so geht man das Risiko ein, nach der Krise kein Unternehmen mehr zu haben.

Die HR-Abteilung sollte somit federführend in die Restrukturierung des Unternehmens miteingebunden werden. Sie darf nicht als administrative Abteilung abgeschrieben werden, die sich lediglich um die Vertragsauflösungen kümmert. Erfolgreiche Unternehmen haben HR immer auf eine Ebene mit der Geschäftsführung gesetzt.

Das Fachwissen dieser Abteilung und deren Information bezüglich derEntwicklungsmöglichkeit, dem Potential und der Belastbarkeit einzelner Mitarbeiter ist essentiell, ebenso wie deren Expertise, wenn es um die Neu-Skizzierung und die Umsetzung von neuen Arbeitswegen/-prozessen und Entscheidungsabläufen geht – all das garantiert einen erfolgreichen Restart. Erfolgreiche Unternehmen müssen in einer Krise der HR-Abteilung auch die nötigen Ressourcen zur Verfügung stellen, um verbleibende und entlassene Mitarbeiter gut unterstützen zu können.

'Yes, I can' - der Slogan von Radisson Hospitality ist Symbol: Die proaktive 'Can-Do'-Einstellung der Branche überzeugt auch die, die Mitarbeiter abwerben möchten.Foto: Radisson Blu Royal

Diejenigen, die angestellt bleiben, werden höchstwahrscheinlich einem höheren Druck ausgeliefert sein und sich an neue Gegebenheiten schnell anpassen müssen. Diejenigen, die entlassen wurden, müssen sich in einem schwierigen Umfeld nach neuer Arbeit umschauen. Gute Unternehmen und Geschäftsführer erkennen, dass beide Gruppen aktive Unterstützung brauchen – Themen wie Coaching und 'Re-Skilling', aber auch Burn Out und Talent Management werden die HR-Abteilungen 2021 und 2022 mehr als beschäftigt halten.

Kann die Branche im Falle einer Erholung schnell wieder Fachkräfte rekrutieren? Besteht nicht die Gefahr, dass die Entlassenen in andere Branchen abwandern?

Die Hotellerie hat sich durch viele Krisen hinweg als robuster Arbeitgeber erwiesen – egal, ob es sich um die unterschiedlichen Finanz- und Wirtschaftskrisen, die SARS-Krise oder aber die Folgen von Terror-Anschlägen handelte. Nach einem Tief kommt immer wieder ein Hoch, und gerade eine solch einschneidende Krise wie Corona sorgt aufgrund der tiefgründigen Schockwelle anschliessend oftmals auch für mehr Risiko-Bereitschaft bei Unternehmen bzw. für mehr Innovation. Dessen sind sich die Mitarbeiter bewusst – oftmals bleiben sie deshalb dem Sektor treu, in dem festen Glauben, dass sich auch bald wieder eine Möglichkeit ergeben wird, sich in der Industrie beweisen und weiterentwickeln zu können.

Gleichzeitig sollte erwähnt werden, dass viele in der Branche ihr Bestes getan haben, um Mitarbeiter ggf. bei anderen Hotels, Franchise-Partnern oder innerhalb anderer Abteilungen unterzubringen. Leider gab es hier etliche Hürden zu überwinden, und so ist ein gewisser Abgang oder Verlust von Mitarbeitern an andere Branchen unausweichlich. Die Dienstleistungsorientierung der Mitarbeiter aus der Hotellerie, deren proaktive 'Can-Do'-Einstellung, das hohe Ausmass an Eigenständigkeit und auch deren Unternehmer-Denken sind gefragte Eigenschaften auf dem Arbeitsmarkt.

Was muss man tun, um Mitarbeiter zu halten?

Prinzipiell gibt es innerhalb der Hotellerie einen sehr grossen Zusammenhalt. Mitarbeiter schätzen das Arbeitsumfeld und ihre Kollegen und haben eine Passion für die Branche – oftmals kommen Mitarbeiter somit wieder zurück in die Hotellerie, nachdem sie andere Industriezweige beschnuppert haben. Allein darauf kann man sich jedoch als Arbeitgeber nicht verlassen.

Das Wiederaufstocken nach der Krise wird somit auch davon abhängen, wie gut die Firmen und deren Franchise-Partner die Entlassungen gehandhabt haben: Hat man sich fair benommen oder wurde die Krise genutzt, um lang geplante Massnahmen zur Effizienz-Steigerung umzusetzen? Hat man etwaige Unterstützungsprogramme entwickelt, um den entlassenen Mitarbeitern zu helfen, eventuell neue Stellen zu finden oder ein Trainingsprogramm zu absolvieren? Wurde der Kontakt mit Entlassenen aufrechterhalten, um diese ggf. schnell zurückholen zu können? Hat man sich darum bemüht, die Krise zu nutzen, um intern neue Massnahmen voranzutreiben, die einen als Arbeitgeber attraktiver machen?

Knowhow-Träger gefragt: Dem Gast mehr Zeit widmen und ihn richtig beraten - das bringt Erfolg.Foto: Holiday Check

Sobald Mitarbeiter in der Branche sind, ist die Loyalität gross. Das Problem ist somit eher, eine grössere Anzahl an potenziellen Mitarbeitern überhaupt erst einmal für die Branche begeistern zu können. Eventuell wird hier die leider zu erwartende höhere Arbeitslosigkeit helfen, nach der Krise mehr Talents für sich gewinnen zu können.

Grosse Konzerne entlassen auch Mitarbeiter in der Zentrale. Bluten die Unternehmen an dieser Stelle nicht aus?

Mielke: Innerhalb der Hotellerie gibt es viele hochspezialisierte Bereiche und oftmals kann ein Unternehmen einen deutlichen Wettbewerbsvorteil erreichen, wenn es die richtige Person für eine Führungsposition gewinnen und halten kann. Über die Jahre hinweg hilft diese dann, das sogenannte "institutionelle Wissen" weiterzuentwickeln – d.h. die Expertise und das Fachwissen, aber auch die Information über die Art und Weise, wie sich das Unternehmen durch gewisse Prozesse oder Abläufe von Mitbewerbern erfolgreich absetzen und differenzieren kann.

Grundsätzlich ist es somit von Vorteil, Institutional Knowledge innerhalb eines Unternehmens beizubehalten. Das Problem ist, dass viele Organisationen die Sparschraube haben ansetzen müssen, ohne dass dieses Wissen vorher an die nächste Generation weitergegeben werden konnte. Hier gilt es zukünftig, die Unternehmen durch proaktive HR- und Mitarbeiter-Förderprogramme besser aufzustellen.

Welche Schlüssel-Positionen sollten nicht gestrichen werden?

Man sollte Obacht walten lassen, nicht zu schnell zu agieren. Zum Beispiel haben einige Unternehmen angekündigt, ihre Entwicklungsteams deutlich zu verkleinern. In der Vergangenheit hat sich dies jedoch als Fehler bewiesen, denn speziell in der Entwicklung basiert das Geschäft auf professionellen Kontakten, die über mehrere Jahre hinweg etabliert und gepflegt werden. Zudem dauert es teilweise etliche Jahre, etwaige neue Projekte/Standorte an Land zu ziehen, diese zu verhandeln und die Projekte dann letztendlich an das operative Team zur Eröffnung abzugeben. Obgleich die jetzige Krise wohl mindestens 18 Monate anhalten wird, so ist eine drastische Reduktion des Entwicklungsteams eine überraschend kurzfristige Management-Entscheidung – und das anschliessende Aufstocken des Entwicklungsteams nach der Krise wird nicht unbedingt günstiger sein als das, was man jetzt für die Entlassungen bezahlen muss.

Ähnliches gilt für andere Bereiche – u.a. haben Unternehmen ihre Sales & Marketing Teams deutlich verkleinert. In einer Zeit, wo man sich jedoch neu aufstellen und höchstwahrscheinlich auf eine neue Segmentierung einstellen muss, ist auch dies verwunderlich. Ebenfalls hat man von Entlassungen von Fachexperten in Operation oder gar der HR-Abteilung gehört – beides Bereiche, die essenziell sind.

Viele Mitarbeiter, auch junge, passen sich einer Krise sehr schnell an.Foto: unsplash tim gouw

Welche Gründe könnten für Entlassungen sprechen?

Entlassungen sind meist sehr harte Entscheidungen – manchmal jedoch können diese auch Vorteile bringen, sowohl für den Arbeitgeber als auch den Arbeitnehmer.

Eine Trennung ermöglicht es dem Arbeitnehmer z.B., Erfahrungen in anderen Geschäftsfeldern und/oder Firmen-Kulturen sammeln zu können, sich mit neuen Problemstellungen zu beschäftigen oder sich an neuen Projekten zu beweisen, die so der ehemalige Arbeitgeber nicht hätte offerieren können. Auch wenn eine Trennung oftmals ungewollt erfolgt, so ergeben sich für den Arbeitnehmer dennoch oftmals Möglichkeiten, sich persönlich als auch beruflich schneller und besser weiterzuentwickeln.

Für den Arbeitgeber bietet sich bei deutlich schlankerem Personalstand ggf. die Möglichkeit, anderen Mitarbeitern eine Chance zu geben. Etliche Unternehmen haben hiermit in den vergangenen Krisen durchaus positive Erfahrungen gemacht und z.B. beobachtet, dass sich noch recht unerfahrene Manager schneller als erwartet in ihrer neuen Position behaupten können. Oftmals haben wir auch einen Innovationsschub beobachtet sowie eine deutlich erhöhte Effizienz und Produktivität.

Generell jedoch sollten sich Unternehmen während Zeiten des Wandels der Gefahr bewusst sein, die eigene Firmenkultur durch den Verlust vieler Mitarbeiter oder aber durch das Dazustossen von zahlreichen neuen Mitarbeitern zu gefährden bzw. zu verwässern. Denn für viele Hotel-Unternehmen ist die Firmenkultur ein fester Bestandteil in der Differenzierung zu anderen Mitbewerbern – sowohl als Arbeitgeber als auch gegenüber den Kunden. Für andere Hotel-Unternehmen wiederum kann sich eine solche Veränderung ggf. auch als Weckruf erweisen, sich schnellstmöglich an neue Realitäten und Gegebenheiten anzupassen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Susanne Stauss

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