In Brüssel nichts Neues Der neue HOTREC Präsident Christensen sieht die Branche gut aufgestellt
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In Brüssel nichts Neues?

Der neue HOTREC-Präsident Christensen sieht die Branche gut aufgestellt

Brüssel ist nah und manchmal doch weit weg für die Branche: Die HOTREC versteht sich als Bindeglied und Lobbyist.Foto: EU Parlament Verbindungsbüro Österreich

Brüssel. Seit Januar führt der Däne Jens Zimmer Christensen den europäischen Dachverband HOTREC in Brüssel. In einem ersten Interview mit hospitalityInside.com gibt er sich sehr zufrieden mit dem Erreichten in der Branche. Er hält die Branche für gut aufgestellt und absolut zukunftsfähig. Der neue Präsident will sich weiterhin um Jobs kümmern, um Umwelt und niedrige Mehrwertsteuer. In Brüssel nichts Neues?

Als jahrelanges Mitglied des HOTREC Executive Committee wurde Jens Zimmer Christensen nun zum Präsidenten des Dachverbands mit Sitz in Belgien gewählt. Das Mandat läuft zwei Jahre und hat am 1. Januar 2019 begonnen. Der Däne folgt auf die Österreicherin Susanne Kraus-Winkler. Christensen ist seit 1994 Eigentümer und Manager des Hotels Maritime in Kopenhagen. Seit 2009 ist er ausserdem Vorsitzender von Horesta Denmark und seit letztem Jahr der Hotel Stars Union. hospitalityInside.com stellte ihm einige Fragen, um besser zu verstehen, welche Rolle HOTREC in Brüssels spielt und wie die Agenda für 2019 aussieht.

Jens, zunächst einmal wollen wir Ihnen zu Ihrer Wahl gratulieren. Wie sehen Sie die Zukunft der Hotellerie in diesen Zeiten der grossen Veränderungen?

Dem Wachstum beim Tourismus und der Hotellerie steht eine rosige Zeit bevor, doch es muss unbedingt in Qualität investiert werden sowie in Digitalisierung und Weiterbildung, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden und nachhaltigen Tourismus zu betreiben. Der Tourismus ist in den letzten sieben Jahren in der EU um rund 5% pro Jahr gewachsen. 2017 konnte er auf globaler Ebene um 7 % zulegen und in Europa sogar um 8%, das somit seine Position als führende Destination beibehält. Laut aktuellster Eurostat-Zahlen schuf die Hotellerie zwischen 2013 und 2016 1,6 Millionen Arbeitsplätze in Europa. Das ist ein starker Beitrag zur europäischen Wirtschaft trotz vieler Wettbewerbs-Probleme und Markt-Herausforderungen in Europa.

HOTREC-Präsident Jens Zimmer Christensen, jetzt für zwei Jahre im Amt.Foto: Hotrec

Denken Sie, dass die Branche dem sich ständig erneuernden Umfeld gewachsen ist?

In einer sich verändernden und von Technologie angetrieben Welt hat die Hotellerie als Tor zur Innovation gedient, nicht nur hinsichtlich Dienstleistungs- und Produkt-Entwicklung, sondern auch technologisch, wodurch die Branche zu den Spitzenreitern zählt. Im letzten Jahrhundert hat sich der Sektor weiterentwickelt, neue Formen der Übernachtung geschaffen und seine Dienstleistungen den Wünschen der Kunden angepasst. Der wichtigste Antrieb war hierbei die wachsende Zahl der Touristen-Ankünfte, die von 25 Millionen in den fünfziger Jahren auf heute über eine Milliarde gestiegen ist, wodurch wiederum entsprechend die Nachfrage nach Hotels und neuen Dienstleistungen gestiegen ist.

Zählen da auch Airbnb und Co. dazu?

Ja. Einer der grössten Veränderer war tatsächlich die sogenannte Collaborative Economy, die ursprünglich den Wunsch nach einem "neuen Beherbergungs-Format" verfolgte.

Denken Sie, dass Hoteliers flexibel genug sind, um auf die neuen Erwartungen der Kunden reagieren zu können?

Viele haben bereits ihre Flexibilität und Kreativität unter Beweis gestellt. AccorHotels ist beispielsweise Aktionär der Marke Mama Shelter und hat die Marke Jo&Joe ins Leben gerufen, wo Unterbringung als offenes Haus für Reisende und Nachbarn mit Einzel- und Gruppen-Zimmern umgesetzt wird. Auf ähnliche Weise betreibt die Marke Generator einige "Nobel-Hostels". Andere grosse Marken passen ihr Angebot diesem neuen Trend an, wie beispielsweise Marriotts Moxy, citizenM oder 25hours. All diese Beispiele zeigen, dass der Hotel-Sektor bereits grosse Investitionen tätigt, um sich neuen Kunden und neuer Nachfragen anzupassen, basierend auf Modularität und dem Teilen von Erlebnissen, was zu Innovation führt.

Welche Art von Innovation?

Nun, die Branche integriert immer mehr digitale Lösungen in das tägliche Geschehen. Wir bringen auch neue Initiativen mit ein. Gemeinsam mit europäischen Partnern hat HOTREC AppTourYou entwickelt, ein Online-Trainings-Tool für die Hotellerie, insbesondere für kleine und sehr kleine Unternehmen, sowie die Mitarbeiter-Rekrutierungs-Plattform Hospitality Skills Passport und seit Neuestem auch eine Plattform mit Startups, die innovative Tools entwickeln, die Hoteliers den Alltag mithilfe von Technologie erleichtern (Anm. d. Red.: In einem früheren Interview gab HOTREC-CEO Christian de Barrin an, dass der "Skills Passport" nicht den Erwartungen entsprach / sh. Link unten).

Robotik ist in der Branche auch immer weiter verbreitet, so dass der Service effektiver wird und die Mitarbeiter sich noch mehr auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden konzentrieren können.

Mama Shelter: Solche Konzepte bringen die Branche zum Umdenken.Foto: Hotel

In welchem Umfang ist die Hotellerie an den Themen Nachhaltigkeit und Lebensmittel-Abfällen beteiligt?

Durch Unterstützung der von der UNWTO geförderten Nearly Zero Energy Hotels und der Förderung von Nachhaltigkeit über die vor Kurzem veröffentlichten Richtlinien zur Reduzierung von Lebensmittel-Abfällen und zur Verbesserung von Energie-Effizienz leistet die Branche bereits einen Beitrag, um Europa nachhaltiger zu gestalten.

Denken Sie, dass die Branche für die Zukunft gerüstet ist?

Ich denke schon. Sie ist bereit für die Zukunft. Die Anpassung an die Zukunft wird immer wichtiger, da der Tourismus in den nächsten Jahren weiterhin wachsen wird. Die UNWTO sagt zwischen 2020 und 2030 für die meisten Destinationen in der EU ein jährliches Wachstum von 2,8 % voraus, was jedes Jahr rund 10 Millionen zusätzliche Touristen bedeutet.

Welche Rolle sollte der Verband Ihrer Meinung nach, als HOTREC-Präsident für 2019-2020, in der zukünftigen europäischen Politik-Landschaft spielen?

In den letzten fünf Jahren hat die Branche gezeigt, welche grosse Rolle sie in der Politik-Landschaft in der EU spielt. Erfolge wurden in der gemeinsamen Wirtschaft durch die Umsetzung der Mitteilung der Kommission zur Kurzzeit-Vermietung und einer Reihe von Workshops erzielt, die dazu dienten, Richtlinien zu diesem Thema zu erarbeiten; und natürlich die Zugeständnisse von Airbnb gegenüber der Europäischen Kommission vom 20. September.

Ausserdem wird im Hinblick auf Digitalisierung die sogenannte Platform-to-Business Regulierung dafür sorgen, dass Unternehmen fairer und transparenter sein können. Bei der Besteuerung haben sich die EU-Institutionen darauf geeinigt, niedrige Steuersätze für Hotellerie-Leistungen beizubehalten und das Mehrwert-Steuersystem zu reformieren. Im Bereich REFIT und in Verbraucher-Angelegenheiten wird mit der bevorstehenden Veröffentlichung des EU-Gesetzestextes eine Erhöhung der Transparenz und Fairness auf Online-Plattformen für Verbraucher erreicht. Und was das Thema Datenschutz betrifft, wurden kleine und mittelständische Unternehmen in der Branche berücksichtigt und die Bürokratie soweit wie möglich reduziert.

Was schlägt HOTREC konkret vor?

Für 2019-202 schlägt HOTREC Lösungen vor, die dabei helfen, die drei Säulen nachhaltiger Entwicklung zu erreichen:

Erstens, sozial: Hotellerie hat zwischen 2013 und 2016 in Europa alleine 1,6 Millionen Arbeitsplätze geschaffen. Unsere Branche hilft jungen Leuten, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren und bei uns handelt es sich um einen integrativen Sektor. Deshalb wird die Hotellerie eine noch grössere Rolle spielen beim Schaffen von Arbeitsplätzen und beim Unternehmertum.

Sie muss aber auch die Qualifizierung von Arbeitskräften sowie die Entwicklung von Schulungs-Programmen fördern, sodass die Branche über dringend notwendige Fähigkeiten verfügt. Hier ist die Unterstützung der EU gefragt und auf nationaler Ebene auch finanzielle Mittel und steuerliche Anreize.

Terrasse auf dem Solar-Dach: VorbildlichesVictoria Hotel in Freiburg, ein Best Western-Hotel.Foto: Hotel

Und die Hotellerie wird die Integration von Migranten und Flüchtlingen in verschiedenen Ländern unterstützen. Dies hilft, gegen den Mangel an Arbeits-Kräften, insbesondere an gelernten Arbeits-Kräften, vorzugehen. Italien ist hier ein besonders gutes Beispiel für die praktische Umsetzung. 2017 besuchten rund 8.000 Personen mit Flüchtlings-Status Ausbildungs-Kurse, um eine Berufs-Ausbildung zu erhalten oder sich fortzubilden. Als Ergebnis fanden über 4.000 Flüchtlinge Arbeit.

Und wir wollen gemeinsam mit unserem Gewerkschafts-Kollegen EFFAT den "European Hospitality Skills Passport" weiterhin fördern – dies ist ein Tool, das Arbeitgeber in der Hotellerie mit potenziellen Arbeitnehmern basierend auf ihren Fähigkeiten in Kontakt bringt. Wir wissen, dass das Tool sichtbarer und zugänglicher gestaltet werden muss, um auch zu funktionieren.

Vor allem wird das Unternehmertum eine wichtige Rolle bei der Veränderung spielen angesichts der Faszination, die "Essen" sowie alle Aktivitäten rund um die Hotellerie auf junge Leute ausübt. Hunderte Start-ups entwickeln Tools für die Hotellerie und benötigen Unterstützung. Diese wollen wir ihnen dem Start unserer jüngsten Start-up-Plattform gewähren.

Zweitens, Umwelt: Ökologische Nachhaltigkeit ist für alle Wirtschafts-Bereiche gleichermassen Verpflichtung sowie Verantwortung zukünftigen Generationen gegenüber. HOTREC unterstützt den Wechsel zu einem kohlenstoffarmen Wirtschaftsmodell und einer Kreislauf-Wirtschaft. In den letzten Jahren haben wir dazu beigetragen, Lösungen zu entwickeln, damit die EU das UN-Nachhaltigkeits-Ziel 12.3 erfüllen und die Lebensmittel-Abfälle durch die Ausgabe sachdienlicher Richtlinien in der Hotellerie halbieren konnte sowie gemeinsamer Empfehlungen mit der European Food Banks Federation zur Entwicklung von Lebensmittel-Spenden.

HOTREC ist auch ein aktives Mitglied der EU-Plattform für Lebensmittel-Verluste und Lebensmittel-Abfälle. Ausserdem haben wir eine neue Broschüre herausgebracht, die Richtlinien und praktische Tipps enthält, um die Energie-Effizienz in der Hotellerie zu erhöhen.

Wir werden politischen Entscheidungsträgern in der EU weiterhin mit Fachwissen, Empfehlungen und Lösungen zur Seite stehen und ihnen helfen, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der der Tourismus-Branche ermöglicht, ihr Engagement für Nachhaltigkeit weiter zu verfolgen und umzusetzen. Deshalb werden wir unsere Arbeit im Bereich Energie-Effizienz und nachhaltiger Energie intensivieren, die wir gerade erst gemeinsam mit acht europäischen Interessens-Gruppen und der UNWTO im Rahmen einer Nachhaltigkeits-Charta begonnen haben.

Eine EU-Aufgabe: die Qualifizierung von Arbeitskräften.Foto: StevenCleghorn unsplash

Wir werden auch Lösungen zu Lebensmittel-Abfällen anbieten, da HOTREC zum Berichterstatter auf der EU-Plattform für Lebensmittel-Verluste und Lebensmittel-Abfälle ernannt wurde, um Empfehlungen für Massnahmen im Lebensmittel-Dienstleitungs-Sektor zu entwickeln. Ausserdem werden wir nach Möglichkeiten suchen, wie Unternehmen ihre Wasser-Nutzung besser steuern können. Hier möchte ich die Initiativen von HOTREC-Mitgliedern erwähnen, die zur Reduzierung von Lebensmittel-Abfällen, der Nutzung energieeffizienter Produkte und nachhaltigem Strom dienen sowie der Senkung des Wasser-Verbrauchs.

Drittens, Wirtschaft: Die Hotellerie sorgt nach wie vor für neue Arbeitsplätze und als arbeitsintensiver Sektor wird erwartet, dass dies angesichts des wachsenden Tourismus' weiterhin so bleibt. Die Beibehaltung eines niedrigen Mehrwertsteuer-Satzes wird weiterhin für globale Wettbewerbs-Fähigkeit sorgen. Mit den wachsenden Möglichkeiten digitaler Lösungen nicht nur für Kunden, sondern auch für tägliche Prozesse, wird die Effizienz ebenfalls erhöht. In Verbindung mit Investitionen in die Umwelt sorgen Massnahmen zur Strom-Ersparnis für einen umweltfreundlicheren und effizienteren Betrieb, wodurch die wirtschaftliche Leistung erhöht wird. Fortlaufende Innovationen sowie die digitale Entwicklung werden dafür sorgen, dass die Branche für die Zukunft gerüstet ist.

Die europäische Hotellerie leistet einen entscheidenden Beitrag zum Wachstum in Europa. Zwischen 2009 und 2016 stieg der Umsatz der Branche um über 35 % auf insgesamt 605 Milliarden Euro 2016. Der Tourismus trägt insgesamt 5 % zum Bruttoinlandsprodukt bei (Quelle: Eurostat), wovon ein Grossteil auf die Hotellerie entfällt.

Welchen Beitrag wird HOTREC im Hinblick auf die anstehenden Wahlen des Europa-Parlaments leisten?

HOTREC ist bereit, bei der politischen Debatte in der EU an vorderster Front zu stehen und die Rolle eines wichtigen Gesprächspartners für politische Entscheidungsträger zu übernehmen. Bald werden wir unser neues Weissbuch für die EU-Wahlen im Europa-Parlament präsentieren. Es setzt einige wichtige Prioritäten für den europäischen Hotel-Sektor, die unserer Meinung nach auf der Agenda der Institutionen für das nächste EU-Mandat stehen sollten. Dadurch würde auch das Engagement auf nationaler Ebene bei der Europa-Wahl durch unsere Mitglieds-Vereinigungen gefördert werden. Die Hotellerie muss sich zu einer noch stärkeren Säule der europäischen Wirtschaft entwickeln. Dies ist der Beginn unserer zukünftigen Kampagne zur Erneuerung der Arbeitsgruppe Tourismus im Europäischen Parlament.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Das Interview führte Sarah Douag.

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