In drei Jahren stehen die Investitionen still Interview ÖHV Präsidentin Michaela Reitterer kritisiert Finanzhilfen die nicht helfen
HI+

In drei Jahren stehen die Investitionen still

Interview: ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer kritisiert Finanzhilfen, die nicht helfen

Fast perfekt: Der neue, Corona-bedingte kontaktlose Checkin.Foto: Space Cat stock adobe

Wien. Den österreichischen Politikern sagen viele inzwischen eine glückliche Hand in der Bewältigung der Covid19-Infektionen nach. Wenn es um Finanzhilfen für die Hotellerie geht, hört das Lob auf, wie eine aktuelle gewerbe-übergreifende Umfrage zeigt. Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung spart ebenfalls nicht mit Kritik. Bisher haben primär Kurzarbeit und Steuerstundungen geholfen, sonst nichts. Der Druck wächst immens: Ab 2021 haben die meisten Hotels immer weniger Investitionspower.

Das Interview mit ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer führte Fred Fettner.

Frau Reitterer, wie haben sich die ersten Tage des Neustarts in Ihrem Boutiquehotel in Wien angefühlt? Und was sagen die Kollegen in der Stadt- und Ferienhotellerie über Pfingsten 2020?

Vor allem rund um die Stadt ist es sehr gut gelaufen. Wobei viele gar nicht die volle Kapazität anbieten wollten, wegen des Unsicherheitsgefühls oder aufgrund der Einschränkungen bei Wellness etwa. Da wollte man nichts überstrapazieren. Doch vor allem die Ferien- und Thermenhotels vom Burgenland über die Steiermark bis Kärnten waren happy. Im Westen und in Wien geht's frühestens mit der Grenzöffnung [ab 15. Juni] richtig los.

Wie lebt es sich unter den Hygiene-Massnahmen?

Ich finde die Masken unangenehm, aber nicht tragisch. Wichtig ist, dass sich der Gast sicher fühlt. Man kann nicht einfach den Stecker ziehen: Zuerst baut man vor dem Virus Respekt auf – nennen wir es so. Das bleibt. Unser Zeichen für Qualität ist Sicherheit. Die Maskenpflicht – bei uns haben ohnehin fast alle Betriebe die Plexiglas-Gesichtsschilder – wird auch wieder verschwinden, wenn die Infektionszahlen weiter sinken. Zwar nicht gleichzeitig einhergehend mit dem Handel, aber schrittweise. Vor allem bei den Rezeptionisten z.B. könnte man sie aufheben. Es gibt ja die Eigenverantwortung des Hoteliers; er kann das selbst einschätzen.

Michaela Reitterer: Wir müssen also Massnahmen für das Eigenkapital setzen!Foto: ÖHV

In den Zimmern werden von uns vielleicht manche Sachen nicht aufgelegt. Die Zierpolster können nicht jeden Tag gewaschen werden, also tauschen wir sie und lüften sie zumindest einen Tag in einem unbenutzten Zimmer. Die Minibar – wir selbst haben ohnehin keine – wird von den meisten Betrieben nicht mehr bestückt. Wir desinfizieren natürlich umfangreich, müssen etwa alle drei Stunden alle Türgriffe durchwischen. Auch das A-la-Carte-Frühstück ist viel aufwändiger.

Wie viel das alles an zusätzlicher Arbeit kostet, haben wir noch nicht berechnet. Bei der aktuellen Auslastung fällt das nicht so ins Gewicht. Aber alle müssen aufpassen, nicht nachlässig zu werden, wenn wieder mehr Gäste kommen. Beim Frühstück haben wir jetzt wieder auf Buffet mit portionierten Weck-Gläsern umgestellt. Brot, Butter, Marmelade kommen zum Tisch.

Was macht Österreich besser als Deutschland?

Also wir Österreicher glauben, die Deutschen haben das besser hinbekommen. Vielleicht muss das so sein. Wir beneiden Deutschland, dass die Umsatzsteuer auf Speisen ausgesetzt wurde und nur noch 7 statt 19% beträgt [Red: die reduzierte Mehrwertsteuer gilt ab 1. Juli 2020 nur für die Gastronomie und endet am 30. Juni 2021. Kneipen, Bars, Clubs und Diskotheken profitieren nicht von der Senkung.]. Bei uns wurde gerade mal befristet die Umsatzsteuer auf alkoholfreie Getränke von 20 auf 10% gesenkt und die Sektsteuer gestrichen. Uns wäre die deutsche Lösung lieber gewesen.

Wenn andere europäische Länder meinen, wir hätten das gut hinbekommen, freut mich das, aber wir haben als Hotellerie noch viele Wünsche offen. Zumindest für die Stadthotels brauchen wir die Fortsetzung der Kurzarbeit für mindestens ein Jahr. Das zweite Thema ist eine Stärkung des Eigenkapitals. Die als Hilfe gewährten, staatlich besicherten Überbrückungskredite führen dazu, dass wir in zwei Jahren überhaupt nicht mehr investieren können. Für 2021 sind pro Betrieb noch mehr Investitionen abgesagt als heute. 2020 verzichtet jeder Betrieb auf geplante Investitionen im Wert von 784.000 Euro, 2021 ist es bereits fast eine Million. Ich betone: pro Betrieb!

Unsere Ausgaben-Rückgänge sind die Einnahmen-Rückgänge des Gewerbes. Fehlen uns Gäste, fehlen dem Handel Kunden. Wollen wir hier wie dort Arbeitsplätze retten, und das muss die Politik wohl, braucht es effektivere Massnahmen als bisher.

Werden 10% der Familien-Unternehmen nicht überleben?Foto: unsplash Ashwini Chaudhary

Schauen wir konkret auf die finanzielle Situation. Sind bereits Hilfsgelder eingetroffen?

Unterschiedlich. In erster Linie haben uns die Kurzarbeit und Steuerstundungen geholfen, erste Kredite sind geflossen. Beim Härtefall-Fonds sind die ausgezahlten Beträge teilweise lächerlich. Eine Freundin von mir erhielt 62,50 Euro überwiesen. Den Fixkosten-Zuschuss hat der Steuerberater gerade jetzt in Arbeit – wir werden sehen, ob wir den einreichen können.

Meine grösste Sorge für die Branche ist das Eigenkapital. Es droht in drei bis fünf Jahren ein echter Investitions-Rückstand. Viele Betriebe haben durchaus einen akzeptablen Cashflow, aber kein Eigenkapital – und erhalten deshalb auch nicht den Fixkosten-Zuschuss. Wir müssen also Massnahmen für das Eigenkapital setzen, eine "Aufrüstungsbilanz" schaffen. Nur ein Beispiel: Alle Sommerhotels haben ihr wertvolles, längst abgeschriebenes See-Grundstück mit 1 Euro in den Büchern stehen. Würde das mit dem effektiven Wert in der Bilanz stehen, sähe es anders aus.

In einer – explorativen – Studie des MCI Familienunternehmen* zeigt sich: Knapp 10% der Hoteliers fürchten, das Jahr als Unternehmen nicht zu überleben. Entspricht das Ihrer Wahrnehmung?
[* Das Zentrum Familienunternehmen wurde ursprünglich 2016 als gemeinsame Initiative des MCI Management Center Innsbruck und der Wirtschaftskammer Tirol gegründet.]

Das ist eher optimistisch. Niemand möchte aufgeben, aber ich hoffe, es bleiben nur 10% auf der Strecke.

Wie schaut es in Wien aus, wo die Hotel-Kapazitäten in den vergangenen Jahren stark zugelegt haben?

Hier müssen extreme Mieten und Pachten verdient werden. Denn die Eigentümer sagen, die Hotels waren nicht amtlich zugesperrt, es war nur ein touristisches Betretungsverbot. Hier wird noch vieles zu klären sein. Auch was Versicherungen betrifft.

Von den Immobilien-Eigentümern könnte man doch ein gewisses Entgegenkommen erwarten. Schliesslich stellen sich zum jetzigen Zeitpunkt bei den meisten wohl kaum Interessenten zur Übernahme an.

Abgesehen von Premium-Lagen sicher nicht. Wir müssen davon ausgehen, dass alle Hotel-Konzerne weltweit das gleiche Problem haben. Es ist für alle schwierig, jetzt offensiv zu agieren. Ich gehe davon aus, dass die Krise in der Stadt bis 2023 dauert. In der privaten Ferienhotellerie wird das Überleben für etablierte Häuser hoffentlich nicht ganz so schwierig werden.

 

Informationsstand: 3.6.2020

{"host":"www.hospitalityinside.com","user-agent":"claudebot","accept":"*/*","x-forwarded-for":"3.135.183.89","x-forwarded-host":"www.hospitalityinside.com","x-forwarded-port":"443","x-forwarded-proto":"https","x-forwarded-server":"d9311dca5b36","x-real-ip":"3.135.183.89","accept-encoding":"gzip"}REACT_APP_OVERWRITE_FRONTEND_HOST:hospitalityinside.com &&& REACT_APP_GRAPHQL_ENDPOINT:http://app/api/v1