Insolvent oder dicke Taschen
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Insolvent oder dicke Taschen

Königswinter. Im September schafften die deutschen Hotels landesweit 37,5% Auslastung. Ein Fiasko. Corona zwingt immer mehr Hotelbetreiber in die Knie, andere machen hingegen weiter wie im Boom 2019 – mit vollmundigen Ankündigungen. Reiche Mütter machen's möglich.

Bisher hat sich die Hotellerie in Deutschland noch einigermassen wacker durch die Corona-Krise geschlagen. Nicht zuletzt auch, weil ihre Betreiber um ihre Lebenswerke kämpfen und Betriebskonzepte den neuen Herausforderungen möglichst anpassen. Full Service-Hotels konnten ihren Breakeven durch Kosteneinsparungen teilweise von bisher 65 auf 40-45% Auslastung senken, Limited Service Hotels von 40-50 auf 30-35%, analysierte die Hotour Hotel Consulting Frankfurt beim 12. Deutschen Hotelimmobilien Kongress am 19./20. Oktober 2020 auf dem Petersberg bei Bonn.

Hotour-Geschäftsführer Claudia Sunderkamp und Philipp Linder hielten einen Vortrag zum Thema "Wie steht es um die Krisenresistenz der Hotellerie?" mit dem Schluss: Bei einer deutschlandweiten durchschnittlichen Auslastung im September von 37,5% helfen die Kosten-Einsparungen den wenigsten Hotels zum Überleben. So mancher Bestandsbetrieb werde über längere Zeit geschlossen bleiben oder gar nicht mehr öffnen und auch auf der Bankenseite sei das über viele Jahre aufgebaute Vertrauen in die Hotellerie deutlich erkaltet.

Die Krise birgt Kuriositäten: der eine will nur expandieren, der andere konsolidieren.Foto: unsplash yancy min

Vollmundig oder realistisch

Dass es nach ersten Insolvenzen und Hotel-Schliessungen in den nächsten Monaten zu weiteren Konsolidierungen auf Betreiberseite kommen werde, bezweifelte auf der Tagung niemand. Umso krasser wirkten die Expansions-Ankündigungen. Sie dominierten das Geschehen derartig, dass es manchem Betreiber fast die Sprache verschlug. Einer wehrte sich sofort gegen den neuen alten Superlativismus: "Da braucht man sich nicht mehr zu wundern, dass wir keine Unterstützung durch die Politik bekommen. Ich frage mich auch, wie das die Hotel-Mitarbeiter dieser Gruppen auffassen, die alle in Kurzarbeit sind und dann ihre Chefs von Expansion sprechen hören", erklärte Yonca Yalaz, Gründerin und Geschäftsführerin der Plaza Hotelgroup, in der Kaffeepause.

Bereits zuvor hatte die seit 18 Jahren erfolgreiche Unternehmerin auf dem Panel zum Thema Wachstumsstrategien die rosaroten Zukunftsmalereien ihrer Mitdiskutanten mit den Worten gedämpft: "Wir werden konsolidieren. Wir haben schon das Airporthotel Amsterdam abgegeben und wir werden weitere Hotels nicht mehr aufmachen und langfristig schliessen. Die Politik lässt uns im Stich, die Hürden für Hilfen sind sehr hoch, denn im juristischen Sinn sind wir kein mittelständisches Unternehmen mehr. Alle hier wollen wachsen, ich möchte zuerst einmal überleben – und dann gerne auch wieder wachsen. Mein Wunsch ist, dass unserem Interesse mehr Nachdruck verliehen wird, auch von Seiten der Hotelverbände. Wir möchten nicht übernommen werden."

Mütter mit dicken Taschen

Unter den Investoren und Betreibern mit aktuellen Wachstumsplänen waren ganz unterschiedliche Vertreter der Zunft: So verkündete André Witschi, Aufsichtsratsvorsitzender Deutsche Hospitality, gleich zu Beginn der Tagung, dass die Muttergesellschaft Huazhu die Zahl der Deutsche Hospitality-Hotels in Europa auf rund 500 Häuser verdreifachen wolle und dafür auch ausreichend Mittel zur Verfügung stelle. Er malte dreistellige Millionen-Beträge in die Luft und sprach von 500 Hotels. Man plane über Pacht- und Franchise-Verträge zu wachsen und das Marken-Portfolio weiter auszubauen; das war allerdings auch schon seit der Übernahme durch die Chinesen Ende 2019 bekannt.

Selbst kleinere Familiy Offices wie Ospidea, ein Owner-Operator-Modell aus Wiesbaden, sehen sich derzeit nach Kaufgelegenheiten von Hotel-Immobilien um. Übernahmen planen, wie längst bekannt, aber auch expansionslustige Budget-Ketten mit potenten Kapitalgebern im Hintergrund, so z.B. B&B Hotels, a&o und selbstverständlich Premier Inn, wie dessen Head of Acquisitions, Chris-Norman Sauer, erneut unterstrich.

Seiteneinsteiger mit viel Lust

Und immer wieder setzen Player anderer Branchen an. So setzt der Shopping Mall-Entwickler ECE Real Estate ebenfalls weiter auf Hotels, erklärte Entwickler Torsten Kuttig. Vakante Flächen in, über oder neben Shopping Malls in Grosstädten schreien danach, von Hotels besetzt zu werden. Und wo Owner wie die ECE bisher kein Operator waren, kaufen sie sich Betreiber-Knowhow dazu. Hinter ECE steht die Otto Group. Und das Family Office von Alexander Otto hält 25% an den schlanken und wendigen Ruby Hotels. Synergien waren und sind erwünscht – und das schon vor Corona.

Während der Diskussionsrunden um Expansionsabsichten und Überlebenschancen äusserten auch einige Teilnehmer ihr Bedauern darüber, aktuell über zu wenige Ferienhotels im deutschsprachigen Raum zu verfügen. Clevere Immobilien-Broker wittern hier jetzt neue Chancen im grossen Stil und verschicken selbst an Fachredaktionen wie hospitalityInside.com Angebotslisten mit Häusern von Tirol über den Schwarzwald und die Mosel bis nach Mecklenburg-Vorpommern. Für ein 15-Zimmer Haus werden Gebote ab 1,2 Millionen Euro angenommen, für 120 Zimmer ab 9 Millionen Euro. Und dazu heisst es: "Die Reiselust vieler Deutscher und Österreicher scheint trotz neuer Reisewarnungen nicht eingebrochen zu sein. Ferienhotels sollten daher auch 2021 stärker performen als so manche Stadthotels." / Susanne Stauss

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