Insolvenzgesetz mit signifikanten Änderungen
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Insolvenzgesetz mit signifikanten Änderungen

Berlin/Hamburg. Angesichts der anhaltend negativen Entwicklung in der Wirtschaft treibt die deutsche Bundesregierung jetzt die Änderung des Insolvenzaussetzungsgesetzes voran. Es gibt neue Werkzeuge für Sanierung und Stabilisierung und Änderungen zu den bisherigen Insolvenz-Verfahren.  

Am 18. September 2020 hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts veröffentlicht. Der Gesetzesentwurf dient der Umsetzung der sogenannten EU-Restrukturierungsrichtlinie.

Dr. Susann Brackmann.Foto: Hogan Lovells

"Obwohl Deutschland eigentlich bis Juli 2021 Zeit gehabt hätte, die Richtlinie umzusetzen, überraschte die Bundesregierung unter dem Druck der weiteren wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie bereits am 18. September mit einem 247 Seiten starken Entwurf," ordnet Dr. Susann Brackmann, Senior Associate bei der Kanzlei Hogan Lovells, Hamburg, die neue Eile ein.

Der Entwurf enthält sowohl einen Baukasten neuartiger Werkzeuge zur Sanierung und Stabilisierung als auch zahlreiche Änderungen der Regelungen zu den bisher bekannten Insolvenzverfahren wie Eigenverwaltung und Insolvenzplan, die weit über die Umsetzung der Richtlinie hinausgehen.

Ein neuer Verfahrensrahmen

Das neue Sanierungsrecht wird im Wesentlichen durch den sogenannten Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen geregelt. Hinter dem Begriff verbirgt sich kein einheitliches Sanierungsverfahren, sondern vielmehr ein Verfahrensrahmen, der dem Schuldner verschiedene Sanierungsinstrumente zur Verfügung stellt, die jeweils unabhängig voneinander in Anspruch genommen werden können.

Herzstück des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens dürfte dabei der sogenannte Restrukturierungsplan sein – ein ausserinsolvenzliches Sanierungsverfahren, mit dessen Hilfe der Schuldner bestimmte Rechtsverhältnisse gestalten kann. Regelungsgegenstand eines solchen Plans können grundsätzlich sämtliche Verbindlichkeiten des Schuldners sowie bestimmte, von dem Schuldner gewährte Sicherheiten.

Eingriffe in Miet- und Pachtverhältnisse dürften jedoch nur mit Blick auf bereits begründete Miet- und Pacht-Forderungen, nicht jedoch mit Wirkung für künftig fällig werdende Forderungen zulässig sein. Durch den Restrukturierungsplan gestaltbar sein können allerdings auch die miet- und pachtvertraglichen Nebenbestimmungen. Denkbar wäre hier z.B. die Gestaltung von Nebenkosten-Abreden, Regelungen zu Instandhaltungs-, Instandsetzungs- und Ersatzpflichten des Mieters, zu FF&E-Reserven oder andere Sicherungsregelungen.

Das Verfahren zur Abstimmung der betroffenen Gläubiger über den Restrukturierungsplan ist dabei sehr ähnlich ausgestaltet wie das bekannte Verfahren zum Insolvenzplan mit der Folge, dass die Gläubiger in verschiedene Gruppen eingeteilt werden und im Rahmen dieser Gläubigergruppen über den Plan abstimmen können. Die Zustimmung "störender" Gläubiger kann dabei unter bestimmten Voraussetzungen ersetzt werden, um die Umsetzung des Restrukturierungsplans zu gewährleisten. Das Verfahren kann sowohl mit als auch ohne gerichtliche Beteiligung umgesetzt werden.

Neue Regelungen wegen Covid-19

Daneben werden dem Schuldner weitere Instrumente zur Stabilisierung und Sanierung zur Verfügung gestellt: Beispielsweise sollen Schuldner zukünftig die Beendigung von laufenden Verträgen im Restrukturierungsverfahren gerichtlich durchsetzen können, was zu einer nicht unerheblichen Erhöhung der wirtschaftlichen Risiken von Vermietern und Verpächtern beitragen dürfte. Daneben können zur Stabilisierung der Situation des Schuldners gerichtlich Verwertungs- und Vollstreckungssperren angeordnet werden.

Zugangsvoraussetzung für die oben beschriebenen Instrumentarien ist die Anzeige der Restrukturierungsbedürftigkeit bei dem zuständigen Restrukturierungsgericht und der Eintritt lediglich drohender Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.

Daneben werden zahlreiche Regelungen der Insolvenz-Ordnung angepasst. Unter anderem werden die sogenannten Insolvenz-Antragsgründe konkretisiert und die Regelungen zum Eigenverwaltungsverfahren und Insolvenzplan effizienter gestaltet.

Ferner enthält der Referentenentwurf neue Regelungen zu dem sogenannten Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz. Nach diesen Regelungen sollen von der Pandemie betroffene Unternehmen bis zum 31. Dezember 2021 von bestimmten Lockerungen der Insolvenz-Antragspflicht und von einem erleichterten Zugang zu dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen sowie der Eigenverwaltung profitieren können.

Es bleibt mit Spannung abzuwarten, ob und in welchem Umfang sich die Regelungen in dem weiteren Gesetzgebungsverfahren durchsetzen werden, so der Kommentar von Susann Brackmann zu den Plänen.

Der Hogan Lovells Blog erläutert übrigens regelmässig die jüngsten Entwicklungen und Fachbegriffe. / kn

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