München. "Was bleibt von der Hotel-DNA nach der Pandemie noch übrig?" Viel – und viel Neues. Die Corona-Schmerzen will man vergessen, der wachsende Optimismus über die Erholung des Marktes geht einher mit neuen Chancen und Trends. Sechs etablierte Hoteliers und Newcomer machten mit ihren Einsichten und Konzepten Investoren Lust auf die neue Vielfalt.
So düster die Glaskugel-Frage zum Auftakt-Panel des Hospitality Industry Dialogue an der Expo Real war, so bunt war der Ritt durch die Branche – und die Erkenntnis, dass man Profile schärfen und sich fokussieren muss. Der Betreiber Munich Hotels Partner setzt jetzt erst recht auf vieles, was in der Krise für leere Kassen gesorgt hatte, wollen. "Wir sind die Verrückten, die Franchise machen wollen", sagte Managing Partner Jörg Frehse, "wir haben auch in der Krise unsere Linie nicht verlassen" und meint damit vor allem den Verzicht auf Experimente wie Co-Working.
Stattdessen stellte sich MHP auch intern mit einem neuen Finanzpartner auf. Der Betreiber kaufte in den letzten Monaten die Wiener Marke Mooons und übernahm das ehemalige Swissôtel Basel erstmals als Co-Investor, wie Moderatorin Olivia Kaussen, Head of CBRE Hotels Germany and CEE, einmal mehr feststellte. "Auf einen Reset-Knopf mussten wir nicht drücken", so Frehse und berichtete erfreut über die aktuell hohe Nachfrage vor allem in den Häusern in Wien und Hamburg. Das Le Méridien Hamburg sei aufgrund des Leisure Runs in der Stadt regelrecht "zum Resort mutiert".
Service-Pauschale als neuer Standard
Gefragt nach den künftigen drei Top-Themen in der Branche nennt der MHP-Chef eine optimierte Digitalisierung, die ESG-Ziele, an denen "kein Weg mehr vorbeiführt", und als grösste Herausforderung den Faktor Service-Qualität: Die Ansprüche haben sich gesteigert, zudem verlangt mehr Service-Qualität auch mehr Mitarbeiter-Qualität, bringt aber auch mehr Zufriedenheit.
Letzteres ist auch für Dr. Otmar Michaeler ein Schlüsselthema – vor allem um Service bezahlbar zu halten. Mit Blick auf den dramatischen Mitarbeiter-Mangel, auf unsichere Trinkgeld-Einnahmen, aber auch durch neue Versteuerungs- und Digitalthemen ist der CEO der Falkensteiner Hotels & Residences überzeugt, dass kein Weg mehr an einer Service Charge vorbeiführt. Ähnlich wie in den USA "müssen wir in der Branche den Mut haben, eine Service-Pauschale in den Vordergrund zu rücken", sagte er: Das Trinkgeld müsse fester Bestandteil des Service und damit eingepreist werden, forderte er und hofft, dass die Branche endlich den Mut zu höheren Preisen aufbringt. "Top-Dienstleistung wird bezahlt, das haben wir gerade nach den Lockdowns gesehen."
Ja und Nein zu
New Work-Themen
In der Leisure-Welt macht Otmar Michaeler vor allem eine starke Nachfrage nach Luxus-Ferienwohnungen aus. Zudem berichtete er von den neuen, erfolgreichen Versuchen mit Camping – als Alternative zum klassischen Resort-Urlaub. "Die Investitionskosten liegen zwei Drittel unter denen eines klassischen Hotels, der Yield ist ein Drittel höher", deutete er die Rentabilität des Camping-Produktes an. Beim Thema Work und Leisure winkte er ein Stück weit ab: "Dieser Trend wird sich nicht in den Hotels abspielen, sondern nur in den Ferienwohnungs-Immobilien."
Accor glaubt unterdessen mit seiner Eigenmarke WoJo mehr denn je auch an deren Erfolg in Stadthotels, genauso wie an Standalone- und Mixed Use-Lösungen in der Stadt. Das schon 2014 gegründete Joint Venture von Accor und Bouygues Immobilier zählt in Frankreich aktuell rund 300 Standorte. Nun soll Deutschland mit 50 bis 100 folgen. "Wir wollen Hotelflächen künftig effektiver nutzen", betonte einmal mehr Yannick Wagner, Vice President Development Northern Europe bei Accor, was CEO Sébastien Bazin vor Monaten als Losung ausgegeben hatte. WoJo sei dabei kein Luxusprodukt, aber auch nicht eingebunden in Accors Franchise-System, da man die Services der Marke als Zusatzleistung sehe, präzisierte Yannick Wagner, VP Development Northern Europe von Accor, auf dem Panel.
Mehr Konzepte mit oder ohne Service?
Generell sieht Wagner derzeit vor allem in Europa wieder viel Aufwind, vor allem in der Auslastung. Auch in puncto Expansion geht "in der DACH-Region immer noch etwas, auch wenn sich Qualität und Art geändert haben", so Wagner. Alles sei noch immer zäh und das Conversion-Geschäft gewachsen.
Für Dr. Peter Ebertz, Partner bei Art-Invest Real Estate, ist hierbei die richtige Partnersuche noch wichtiger geworden. Die Konzepte müssen künftig noch stärker gemischte Kundenkreise fokussieren, um das Risiko zu senken. Stark technologisierte Hotel-Konzepte wie die von Numa seien hier vielleicht inzwischen tatsächlich kundenorientierter, was nun alle Marken fordert. Ein Markt, der nur aus digitalen Hotels und Serviced Apartments bestehe, ist für ihn auch keine Lösung und sollte als Trend auch nicht "overhypt" werden. "Vielmehr will der Kunde jetzt Service", ist Peter Ebertz überzeugt und verwies als Eigentümer des neuen 25hours Hotel in Venedig auf die spontan grosse Nachfrage dort.
Dimitri Chandogin, Co-Founder & President von Numa, will seinen Gästen den Service gar nicht verweigern, halt nur nicht selbst anbieten: "Wir setzen genau deshalb auf A-Standorte mit vielen Angeboten in der Umgebung. Nach Venedig kommen doch die Gäste, um die Stadt kennenzulernen und nicht um im Hotel zu bleiben," relativierte er Ebertz' Service-Frohlocken. Dabei solle man ihn bitte nicht falsch verstehen: "Die klassische Hotellerie wird weiter ein fester Bestandteil der Branche bleiben", ist er überzeugt. Man sehe Numas Nische eher in der klassischen Businesshotellerie, die sich mit schlanken und digitalen Konzepten neu aufstellen muss.
Gar nicht schlank präsentierte Lukas Willhöft das neue Senior Living-Konzept von The Embassies. Die lebens- und reiselustige Gästeklientel von 60+ ist hier der Adressat und soll ab 4.000 Euro Miete im Monat für ein Apartment hinblättern, um Hospitality und Lifestyle im Club, in Restaurant und Bar geniessen zu können. Dieses zielgruppen-definierte Serviced Apartment-Konzept soll an Mixed Use-Immobilien andocken. "Der Gast kann alles haben, aber er muss nicht", erklärte er. Bis 2030 will man international mit 30 Häusern unterwegs sein. Wo was wann seinen Launch erfährt – dazu konnte der Development Director noch nichts sagen. Aber damit ist er nicht allein in diesen Zeiten.
Die Lust auf Trends ist mega, die Entscheidungen vielerorts aber zuweilen zäh und unsicher. Kein Wunder: Durch die Insolvenzwelle, die ausblieb, hat sich zumindest der deutsche Markt bisher nur zu kleinen Teilen bereinigt. Der Wettbewerb bleibt damit vorerst bestehen und wird sich sogar noch durch die im Bau befindlichen Hotels weiter anheizen – ganz ohne all die neuen Konzepte und Ideen. / Sylvie Konzack