Leisure als Lichtblick Business Travel und Messen ziehen nicht an
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Leisure als Lichtblick, Business Travel und Messen ziehen nicht an

München. Sommerferien, Kurzarbeit, Home Office – der Arbeitsmarkt agiert eingeschränkt, aber der Wandel in "Work & Travel" ist bereits im Gange. Der Städtetourismus liegt voll am Boden, bescheinigen Zahlen aus Deutschland wie Österreich. Auch das Messe-Geschäft zieht nicht an: In Köln sind Präsenz-Messen wieder erlaubt, die ersten kommen jetzt aber nicht zustande, weil sich zu wenige Aussteller anmelden.

Aus den Metropolen hört man bereits von Unternehmen, die ihre Mitarbeiter noch bis Ende 2020 in den Home Offices lassen wollen. Einzelne Firmen haben auch schon einen Teil der Büroflächen gekündigt. "Bei unseren Kunden aus dem Baugewerbe sind die Bau-Container auf den Grossbaustellen bereits zu multimedialen Centern umgebaut worden", berichtet Ralf Krause, Geschäftsführer von Adapt Apartments in Berlin. "Von hier aus werden inzwischen virtuelle Meetings für schnelle Bauabsprachen abgehalten." Wann und wie Bauleiter & Co. wieder vor Ort anreisen, hängt von den aktuellen politischen Vorgaben und Reise-Lockerungen ab wie auch von den teils neu zu beschaffenden Materialien. "Das dauert", so Ralf Krause. "Viele Buchungsentscheidungen fallen hier nicht vor Mitte Oktober – und die Politik versteht das nicht, das beklagen nicht zuletzt meine Kunden."

Auch Jörg T. Böckeler, COO von Dorint Hotels, weiss aus Kundengesprächen, dass viele Unternehmen erst Ende August über ihre weiteren Reise-Aktivitäten entscheiden werden. Bis dahin zählt er im Business Travel-Geschäft vermutlich weiter nur vereinzelte, individuelle Geschäftsreisende, während das Gruppen- und MICE-Geschäft noch im Tiefschlaf verharrt. "Wir alle wissen, dass nur das Volumen-Geschäft wirklich Umsatz bringt. Leisure kann dies bei Unternehmen wie unserem nicht kompensieren, so gut die Häuser in dem Bereich auch gerade gebucht sind."

Adina Hotels sehen zwar ebenso eine deutliche Leisure-Zunahme, ansonsten hält sich die Begeisterung mit Blick auf das zögerliche Business-Segment in Grenzen. "Berlin und Leipzig ziehen langsam nach, wobei in Frankfurt weiterhin kaum Trends zu erkennen sind", sagt eine Sprecherin. Mit einer Home Office-Kampagne oder einem erweiterten Wochenend-Angebot für Family & Friends versucht Adina derzeit vermehrt die Firmenkunden zum Trotzdem-Buchen zu gewinnen. Zugleich ist man froh, dass man als Aparthotel im Bereich Cargo, Air Crew Business etc. mit Langzeit-Gästen eine Grundbelegung in den Häusern erhalten konnte – auch während des Lockdowns, als alle Häuser geöffnet blieben.

Selbst in den Städten gibt es momentan noch mehr Leisure als Business Traveller.Foto: unsplash bruce mars

Bei Motel One blickte man derweil im Juni zwar auf etwas mehr Business- als Leisure-Gäste, aber die Top-Städte hinsichtlich der Auslastung waren trotzdem Leisure-Städte wie Rostock und Lübeck mit jeweils 70% sowie Salzburg und Dresden mit 40%. Weniger Business-Gäste haben den Leisure-Anteil schlichtweg steigen lassen. Der von Fairmas errechnete Deutschland-Durchschnitt für Juni liegt hingegen nur bei 25,1%.
Optimistisch gibt sich das Benchmarking-Unternehmen für Düsseldorf. Für die Business-Stadt hat es diese Woche eine Prognose-Korrektur für den Juli von 39,5% auf stattliche 70,9% vermeldet. Das klingt wirklich stark, aber wer weiss in diesen Tagen schon so genau, ob sich das wirklich bewahrheitet.

Österreich kämpft genauso

Ein Blick nach Österreich macht auch nicht mehr Mut. Die Hotelier-Vereinigung ÖHV liess gestern wissen: "40% Auslastung im Juli, 37% im August und 30% im September, quer durch alle Bundesländer, quer über alle Segmente: Es gibt noch viele Zimmer zu buchen in Österreichs Qualitätshotellerie“, fasste Generalsekretär Dr. Markus Gratzer den Stand zusammen: Wie es derzeit aussieht, wäre eine Auslastung von mehr als 50% im heurigen Sommer noch ein akzeptabler Erfolg. Normalweise liegt sie in diesem Zeitraum bei 70% und mehr.

Es gibt immer noch mehr Schatten als Licht: In 35-40% der Hotels liegt die Auslastung um mehr als die Hälfte unter dem Vorjahresniveau, in Stadthotels gar um 73% darunter. Vereinzelt gibt es laut ÖHV Lichtblicke: 7% der Hotels sind besser ausgelastet als 2019. 10% geben an, das Niveau vom Vorjahr halten zu können, berichtet Gratzer. Vor allem Betriebe in den Top-Kategorien und in den Seen-Regionen sind über den Sommer sehr gut gebucht.

Agieren mit Popup-Reiserichtlinien

Bei allen aktuellen Bekundungen in Studien, dass sich Geschäftspartner wieder gern persönlich treffen wollen: Es ist und bleibt die wirtschaftliche Unsicherheit, die den Re-Start des Business Travel in den Unternehmen so sehr hemmt. Es ist aber auch mancherlei Unklarheit dabei. Erst diese Woche hatte der Verband Deutsches Reisemanagement eine Klarstellung bei den neuen Mehrwertsteuer-Regelungen gefordert, vor allem beim Frühstück, Veranstaltungspauschalen sowie bereits geleisteten Anzahlungen für Leistungen, die in den Zeitraum der abgesenkten Umsatzsteuersätze fällt. Zugleich ist man hier wie da bemüht, dass die gegenseitigen Hygiene- und Sicherheitsanforderungen übereinstimmen und man auch bei Verträgen etc. viel Verständnis füreinander aufbringt.

"Alle sitzen im gleichen Boot", betont auch Yvonne Moya, Dozentin für Geschäfts- und Mobilitätsmanagement an der IST-Hochschule für Management. "Der Dialog der Firmen mit den Dienstleistern wird in den nächsten Jahren noch viel wichtiger werden als bisher." Der Fokus wird dabei ohnehin in den nächsten Monaten auf Deutschland und Europa liegen, da sind sich fast alle Experten einig. "Derzeit haben entsprechend viele Unternehmen auf Popup-Reiserichtlinien umgestellt, d.h. sie agieren flexibel entsprechend der aktuellen Verordnungen", sagt Yvonne Moya. "Und sie rücken das Thema Traveller Wellbeing noch mehr in den Fokus."

Für Zukunftsforscher wie Matthias Horx mündet das alles in den Prozess der neuen "Work-Life-Dynamik": das New Normal im Business Travel, geprägt vom Hypertrend New Work, samt zu erwartender 30-Stunden-Woche und noch mehr Sinnsuche in der Arbeit. "Dies wird uns die nächsten zehn Jahren beschäftigen", prognostizierte Matthias Horx in seiner Keynote für die Human Work/s Talks der Beratungsunternehmen Promerit/Mercer letzte Woche.

Das Landgut Stober, ein Tagungshotel in Brandenburg, verzeichnet bereits Buchungen für September.Foto: Stober

Arbeiten im
Corona-freien Sektor

Ralf Krause will so lange nicht warten und am besten den Wandel gleich mitprägen. Schon während des Lockdowns gehörte er zu den vielen Serviced Apartment-Betreibern, die im Vergleich zur klassischen Hotellerie noch immer eine gute Auslastung generierten und auch aktuell auf durchschnittlich 50% Belegung schauen. Aber der Berliner ist in seinem Haus in Adlershof weit mehr gewohnt und im Mai mit einem neuen Adapt-Apartmenthaus in Braunschweig gestartet, sieben weitere Häuser sind bis 2022 in der Pipeline.

Der Geschäftsreisende ist und bleibt die Hauptklientel der Adapt Apartments – deshalb gilt es für Ralf Krause jetzt, weitere Marktlücken zu besetzen. Sollte sich der Trend zu wenigeren, aber längeren Business-Aufenthalten im mittelpreisigen Segment bewahrheiten, sieht er sich produkttechnisch besser aufgestellt als klassische Hotels. Darüber hinaus hat er schon während des Lockdowns ein Home Office-Angebot lanciert, das inzwischen von Landesbehörden oder der Bundeswehr für lukrative mehrwöchige Projekte genutzt wird. "Home Office-Angebote müssen zwar stark erklärt werden, aber dann funktionieren sie", ist er überzeugt. "Das liegt auch daran, dass wir mit öffentlichen Institutionen eine Klientel erreichen, die bei modernen Co-Working-Angeboten noch etwas skeptisch ist und sich bei Apartment-Produkten sehr sicher fühlt."

Sich sicher vor Ort fühlen – das kann auch Michael Stober auf seinem Landgut Stober in Nauen nahe Berlin behaupten und verkaufen. Seit ein paar Wochen hat er im Eingang seines Tagungshotels ein mehrsprachiges Schild im Checkpoint-Charlie-Stil stehen: "Sie betreten den Corona-freien Sektor". Damit sorgt er für eine Menge Fotos und viel Schmunzeln. Ansonsten ist ihm aber nicht sonderlich zum Schmunzeln zumute: "Im Juli und Anfang August haben wir kaum Buchungen. Der September sieht dagegen gut aus, aber erst Ende der Sommerferien könne man wirklich weitere Prognosen wagen", sagt er.

Immerhin habe er im Stornierungswahnsinn des März fast alle Kunden mit viel Transparenz für die Lage und mit dem Angebot, bei der nächsten Veranstaltung 50% anzurechnen, bis auf Zeiträume 2021 bzw. 2022 "umbuchen" können. Aktuell liegt die Nachfrage für die nächsten Wochen vor allem bei Tagungen bis maximal 20 Personen, manche haben auch für rund 100 gebucht – aber das immer abhängig davon, wie international die Gäste sind. Um hier flexibler zu sein, hat er bereits 86-Zoll-Bildschirme installieren lassen, mit denen in verschiedenen Workshop-Räumen weitere Teilnehmer zugeschalten werden können. Das Angebot lässt sich bereits gut verkaufen. "Aber auch damit wird die Teilnehmerzahl vor Ort gering bleiben, hieran wird sich so schnell nichts mehr ändern", sagt er.

Messe erlaubt, aber Messen abgesagt

Die Umsätze sinken langfristig, die Investitionen steigen – was sich für jedes Hotel schon im Hygiene-Bereich bewahrheitet hat, trifft den MICE-Sektor noch einmal mit voller Wucht. Hybride Meetings und viel Flexibilität sind mehr als Strohhalm-Losungen der Stunde. Das hat gerade auch die Online-Umfrage, die die BWH Hotel Group Central Europe im Mai unter ihren Geschäftsreise- und MICE-Kunden durchgeführt hat, bestätigt. 65% gaben dabei an, dass sie zuvor geplante Präsenz-Veranstaltungen künftig im hybriden oder digitalen Format durchführen wollen.

Doch einfacher wird in jedem Fall nichts mehr – davon können auch die Messe-Veranstalter und -Hotels ein Trauerlied singen. Letzte Woche hatte das Cologne Convention Bureau noch mit Veranstaltungsleitfäden, Hygiene-Konzept & Co. den Start der Fachmessen und -kongresse befeuert. Diese Woche musste die KoelnMesse mehrere Präsenz-Messen bis Ende Oktober aufgrund mangelnder Aussteller absagen, manches wird nur digital stattfinden.

Auch in München wird es eng. Hatte der Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger für den 1. September 2020 "den Weg für eine Wiederaufnahme der Messe- und Kongresswirtschaft freigemacht", so ist die Expo Real in ihrer klassischen Ausgabe bereits abgesagt und wird aktuell als hybrides Format stattfinden. Statt 46.000 Teilnehmern wie im Vorjahr sorgen Abstands- und Hygiene-Vorgaben dafür, dass dieses Mal nur 3.000-5.000 zugelassen werden.

Wirtschaftsweise und Wirtschaftspragmatiker in den Unternehmen gehen von einem echten Aufschwung ohnehin erst 2021 aus – und von ähnlichen Niveau-Gefällen wie vor Corona erst im Jahr 2022. Bis dahin wollen alle irgendwie Kosten sparen – und hoffen zugleich, dass irgendwer investiert. Den Business- und Tagungshotels läuft die Zeit davon, erst recht, wenn es zu einer zweiten Welle kommen sollte. / Sylvie Konzack

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