Limitieren und lockern Deutschland im Balance Akt
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Limitieren und lockern: Deutschland im Balance-Akt

Berlin. Der spürbare öffentliche Druck führte zu einem fünfstufigen Plan zur schrittenweisen Lockerung im Corona-Land Deutschland. Der stiess auf grosse Kritik und enttäuschte vor allem Gastronomie und Hotellerie. Der Druck wächst weiter. Hotour-Chefin Martina Fidlschuster hegt unterdessen andere Gedanken zum Wohle der Hotellerie.

Vier Monate Lockdown nonstop frustrieren. Und an diesem Mittwoch verlängerte die Bundesregierung nochmals bis zum 23. März. Am 3./4. April ist bereits Ostern – klassischerweise der Auftakt zur Reise-Saison… Dann würden auch die Hotels gerne loslegen, schliesslich wäre es das zweite Mal, dass ihnen das Oster-Geschäft verloren geht. Doch sie stehen noch nicht einmal auf der 5. Öffnungsstufe ab 5. April. Diese Branche kommt irgendwann später dran – wann, das weiss nur die Kanzlerin.

Eine terminliche Perspektive hat die Regierung Touristikern und Hoteliers also schon wieder nicht gegeben. Kanzlerin Angela Merkel will partout keine Mobilität zulassen – aus Angst vor einer dritten Welle, die geschürt wird von der schnelleren Ausbreitung der britischen und südafrikanischen Mutationen. 

Der 'Covid-19 Pass' wird künftig wohl mitreisen.Foto: unsplash lukas

Analog zur Angst der Regierung wächst die Ungeduld der eingesperrten Bürger und die Verzweiflung der Unternehmer in Einzelhandel wie im Gastgewerbe: Letztere warten immer noch in grosser Zahl auf die November-/Dezember- und Überbrückungshilfen, hört man immer wieder aus dem Markt. Die Insolvenz dürfte damit für viele in Meilenstiefeln näherkommen.

Die Menschen drängt es nach Restaurant-Besuchen und Verreisen, die Gastronomen und Hoteliers brauchen händeringend Umsatz, ebenso wie die Bahn, die Airlines, die Reiseveranstalter und auch der Handel. Doch die Regierung schafft es noch nicht einmal, den Impf-Prozess auszurollen geschweige denn die dringend benötigten Schnelltests in Massen zu beschaffen. Nur Impfen und Schnelltests zeigen derzeit einen Weg aus der Krise. Israel, Grossbritannien und Österreich machen es vor.

Je länger der Restart für die Hotellerie dauert, umso kritischer wird für viele das Überleben. Zudem bereiten die Mitarbeiter Sorgen: Ab 22. März darf die Aussen-Gastronomie öffnen, aber nur in Orten ab Inzidenz 50, nur mit vorheriger Termin-Anmeldung und mit tagesaktuellem Schnell- oder Selbsttest. Wer seine Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zurückholt, wird sie auch dauerhaft einsetzen wollen. Was also, wenn die Inzidenzen wieder massiv steigen, die 3. Welle und der nächste Lockdown kommen oder es einfach nur nach drei Tagen Aussen-Gastronomie wieder tagelang regnet?

Vielleicht sollten Hoteliers einfach nur rational bleiben, freiwillig auf Ostern verzichten und besser die Überbrückungshilfen kassieren, meint Martina Fidlschuster, Geschäftsführerin der Hotour Hotel Consulting. Die Überbrückungshilfe III können jetzt nämlich auch große Unternehmen beantragen. Die bislang geltende Umsatz-Höchstgrenze von 750 Millionen Euro entfällt für vom Lockdown betroffene Unternehmen, welche vom Staat geschlossen wurden bzw. bleiben. Mit der Überbrückungshilfe III können diese Unternehmen jetzt bis zu 1,5 Millionen Euro pro Monat an Unterstützung erhalten – und bis zu 3 Millionen Euro pro Monat, wenn es sich um verbundene Unternehmen handelt.

DRV-Umfrage: Buchungen ziehen
leicht an

Laut Deutschem Reiseverband verharrt die Zahl der Neubuchungen in stationären Reisebüros und auf Online-Portalen in den vergangenen Wochen auf einem Niveau von etwa 20% des Vorjahresvolumens. Es gebe jedoch seit Mitte Februar laut Auswertungen von Travel Data + Analytics Anzeichen für ein leichtes Anziehen der Buchungen. Die meisten Kunden buchen derzeit für Reisen in diesem Sommer oder später im Jahr – zum Teil sogar erst für 2022: Rund 60% der Buchungsumsätze gehen derzeit für die Sommersaison ein, ein Viertel der Umsätze werden für die Zeit nach Oktober eingebucht. Abreisen noch im März konzentrieren sich auf Ziele wie kanarische Inseln, Malediven oder Kuba.

Vom derzeitigen Reisen schrecken die Quarantäne-Bestimmungen bei der Rückkehr nach Deutschland am meisten ab. Laut einer GfK-Umfrage im Februar 2021 wollen die Deutschen in den nächsten Jahren neben Urlaub im Heimatland u.a. auch wieder die Balearen, Griechenland, Italien, die Kanaren, Österreich und andere weltweite Ziele bereisen. Die Buchungen für Kreuzfahrten und Fernreiseziele steigen überproportional an – allerdings bei Kreuzfahrten mehrheitlich für Sommer 2022.

Zur Entwicklung des Touristikjahr 2020/21 sagt DRV-Präsident Norbert Fiebig: "Es wäre schon als Erfolg zu werten, wenn wir rund 50% des Umsatzvolumens von 2019 erreichen würden." Eine Blitz-Umfrage des DRV rund um das Thema Restart unter 600 Mitgliedern führte zu schlechten Noten für die Politik. Kritisiert werden insbesondere der zu langsame Impffortschritt, Quarantäne für Reiserückkehrer sowie nicht enden wollende Appelle der Politik, auf das Reisen zu verzichten.

VDR-Umfrage: Nur 10% Geschäftsreisen

In der aktuellen Barometer-Umfrage des Verbands Deutsches Reisemanagement gaben drei Viertel der befragten Travel Manager an, dass derzeit lediglich maximal 10% der Geschäftsreisen des Vorkrisenjahres 2019 stattfinden. Das Barometer gibt einen Einblick in die Stimmung der Branche und basiert auf einer nicht repräsentativen Mitglieder-Befragung durch den Verband. Danach sind gesundheitliche Risiken das grösstes Hindernis für die Unternehmen, Mitarbeiter auf Reisen zu schicken, 75% der Befragten beklagten die komplizierten Einreise-Bestimmungen und 73% die fehlende Planungssicherheit. Weniger relevant waren dagegen eine fehlende Frequenz oder Kapazität von Verkehrsmittel oder unzureichende Hygiene-Massnahmen.

"Noch immer weist die Politik darauf hin, dass Reisen unterlassen werden sollen. Solange dies nicht aufgehoben wird, werden die Firmen ihre Mitarbeiter auch nicht auf Reisen schicken", beklagt VDR-Präsident Christoph Carnier.
Um Geschäftsreisen voranzutreiben, hat der VDR ein 5-Punkte-Konzept erarbeitet: Verzicht auf Quarantäne durch Impfnachweise und negative Tests; Nutzung digitaler Impf-/Test Nachweise wie CommonPass, IATA TravelPass oder EU-Imfpass; Umsetzung strenger Hygiene-Konzepte durch die Reisedienstleister; Prüfung eines breiten Einsatzes von Schnelltests; Vertrauen in die unternehmerische Fürsorgepflicht, die sich durch Reiserichtlinien und speziell erarbeitete Konzepte von Präventiv-Massnahmen auszeichnet.

IA: Öffnung wäre ab 8.3. möglich 

Nach den Beschlüssen der Länderchefs und der Bundeskanzlerin am Mittwoch hat sich der Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses ZIA, Dr. Andreas Mattner, kritisch geäussert: "Faktisch öffnen die meisten Geschäfte aufgrund der Stufenregelungen erst ab 5. April – das ist für viele Firmen zu spät. Damit lastet eine grosse Bürde auf den Schultern der Entscheider, sie haben den Unternehmen Steine statt Brot gegeben."

Der Stufenplan sei noch immer entgegen dem Ratschlag aller Fachleute allein an Inzidenzen und nicht weiteren Faktoren wie der Bettenauslastung [in Krankenhäusern] orientiert", sagte Mattner weiter. "Wird also mehr getestet, verfälscht sich das Ergebnis. Unter Berücksichtigung der Auslastung der Intensivstationen wäre eine Öffnung bereits ab dem 8.3. möglich gewesen. Nach wie vor liegt kein durchdachtes Konzept vor und das ein Jahr nach Pandemie-Beginn."

Mattner erinnert nochmals an die ca. 1,5 Millionen betroffenen Kurzarbeiter in Handel, Hotel, Immobilienwirtschaft und Dienstleister. "Durchs Rost fallen zudem die deutschen Städte, die Zahnlücken in den Fussgängerzonen dürften noch grösser werden."

Den aktuellen Stufenplan in 5 Schritten finden Sie in voller Grösse abgebildet im anhängenden PDF oder unter diesem Link auf bundesregierung.de.

Dehoga: Öffnen
ab 29. März!

Vergleichsweise sanft klingt die Reaktion des Dehoga Bundesverbands nach dem offensichtlichen und massiven Affront der Bundeskanzlerin gegenüber der bereits schwer abgestraften Branche, der man ein Berufsverbot erteilt hat: "Mit grosser Enttäuschung und Kritik" habe das Gastgewerbe auf die Corona-Beschlüsse der Ministerpräsidenten-Konferenz reagiert. "Es ist für unsere von der Krise besonders hart getroffene Branche nicht nur unbefriedigend, sondern unverständlich und inakzeptabel, dass die von uns geforderte Öffnungsstrategie für die Gesamtbranche wieder nicht vorgelegt wurde", erklärt Präsident Guido Zöllick. Spätestens bei der nächsten Sitzung [am 22. März] erwarte man einen konkreten Fahrplan zur Öffnung der Betriebe ab 29. März. Sollte das Gastgewerbe weiter geschlossen bleiben, damit andere Branchen geöffnet werden könnten, fordert der Dehoga eine signifikante Verbesserung der staatlichen Hilfen.

Zöllick betonte weiter: Alle Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie müssten plausibel, nachvollziehbar und im Rechtssinne verhältnismässig sein. "Wir verstehen zum Beispiel nicht, dass die Regierung einerseits mehr private Kontakte ermöglicht, während gleichzeitig unsere Betriebe mit strengen Hygienekonzepten weiterhin geschlossen bleiben".

Warnung an die Politik: Niederländer öffneten trotz Verbot

Auch in den Niederlanden bleibt die Niederländische Hotel- und Gaststättengewerkschaft machtlos gegen Regierungsentscheidungen. KHN-Vorsitzender Robèr Willemsen bedauert, dass es immer noch keine Perspektive für die Branche gibt. "Es gibt keine Begründung für die Schliessung unserer Betriebe, während sich die finanziellen und psychischen Probleme auftürmen. Wir wollen die Untersuchungen sehen, auf die sich das Kabinett stützt, dass keine Entspannung für unsere Branche möglich ist", sagte er in lokalen Medien.

Frustriert hat das KHN die Angelegenheit im letzten Monat vor Gericht gebracht, nachdem Gesundheitsminister De Jong angedeutet hatte, dass es noch ein paar Monate dauern wird, bis die Restaurants wieder öffnen können. Hoffnungslos und finanziell geknüppelt beschlossen die niederländischen Gastronomen am vergangenen Dienstag, eine "rebellische Aktion" zu organisieren. Die Gastronomen wurden ermutigt, ihre Terrassen trotz Verbots zu öffnen. Viele schlossen sich symbolisch an. Wenige bedienten Gäste, andere liessen die Leute einfach mit ihren eigenen Getränken Platz nehmen. 

"Offene Aufrufe zum zivilen Ungehorsam kann ich als Vorsitzender nicht machen, aber ich verstehe den Aufruf der 'rebellischen' Unternehmer, die Türen zu öffnen", so Willemsen. Er versteht nicht, warum die Stadtparks voll von Menschen sind, die sich versammeln und trinken, und die Terrassen für die Öffentlichkeit verschlossen bleiben. / map, SD

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