MICE Rückgang Risikogebiet Wien Stornos und Entlassungen
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MICE-Rückgang, Risikogebiet Wien: Stornos und Entlassungen

Wien. Paukenschlag im berühmten Wiener Hotel Sacher: Die Sacher-Hotels kündigten per 15. September 140 Mitarbeiter. Die Umsätze des Vorzeige-Unternehmens gehen massiv zurück. Dazu trägt u.a. auch der fehlende MICE-Markt ab. Insgesamt zeichnet sich in Österreich für dieses Segment ein düsteres Szenario ab. Und seit zwei Tagen ist Wien jetzt auch noch Risiko-Gebiet: Die Stornos purzeln nur so herein.

"Dramatischer kann eine Situation nicht sein", beklagt Matthias Winkler, Geschäftsführer der Sacher-Hotels, die Lage. Das Wort "dramatisch" hatte bei dem politisch präsenten Hotelier eine besondere Bedeutung. Es war auf die EU-Kommission gemünzt, die den Zustand der österreichischen Hotellerie angesichts der Corona-Krise jüngst als "nicht dramatisch genug" erachtete, um vorbehaltlos dem staatlichen "Fixkostenzuschuss" für Tourismus-Unternehmen zustimmen zu können.

Im Gegenteil, bei Sacher sei die Situation so dramatisch, dass die verbleibende Belegschaft weiterhin in Kurzarbeit bleibe. Es sei nicht einmal sicher, ob für die Mitarbeiter in der nun vorgeschriebenen Mindest-Beschäftigungszeit von 30% ausreichend Arbeit vorhanden sei. Von den 140 scheidenden Mitarbeitern sind 105 in Wien, der Rest am Standort Salzburg. 2020 werde Sacher nur ein Viertel des Vorjahrsumsatzes von rund 100 Millionen Euro erreichen, für 2021 rechnet Winkler allenfalls noch mit einem Drittel.

Risikogebiet Wien: Belegung im freien Fall

An diesem Mittwoch erklärte das deutsche RKI Wien zu den Städten, die man meiden sollte. Jetzt werden die wenigen Buchungen noch weniger. Die ÖHV, Österreichische Hoteliervereinigung, initiierte sofort eine Mitglieder-Umfrage, deren Auswertung im Laufe des heutigen Freitags vorliegen wird.

Erste Umfrage-Ergebnisse zeigten gestern abend aus den Antworten von 319 Mitgliedern: Österreichweit sinkt die Auslastung in den nächsten vier Wochen von niedrigen 50% auf katastrophale 38%, in den Städten von den schon viel zu niedrigen 35% auf 23%. Dabei muss man bedenken, dass jetzt schon viele Betriebe geschlossen haben. Nur 51,8% geben an, ihren Betrieb bei einem Geschäftsverlauf wie jetzt noch länger als sechs Monate am Laufen halten zu können, von den Stadthotels waren es gerade einmal 30,4%.

Die seit 14. September erneut verschärfte Maskenpflicht spielt da ebenfalls schon mit hinein; ab Montag gelten offiziell weitere Beschränkungen für soziale Kontakte. Die Branche jedenfalls steht kurz vor dem Kollaps.

Sacher Salzburg: Ein berühmtes, erfolgreiches Unternehmen muss Mitarbeiter entlassen.Foto: Hotel Sacher Peter Rigaud

Im Sog von RKI und
MICE-Regulierungen

Wie schwierig die Situation aktuell ist, zeigt sich täglich. Blaguss, eines der beiden dominierenden Bus-Unternehmen, führt in einem Normaljahr von 120.000 touristischen Wiener Busrundfahrten 50.000 durch. "Dieses Jahr werden es bei uns nicht einmal 500 sein", sagt Eigentümer Paul Blaguss. Susanne Baumann-Söllner vom Austria Center Vienna erläuterte, dass es derzeit keine Anfragen für neue Kongresse gebe und bereits Verschiebungen für Kongresse, die für 2021 programmiert sind, einsetzen.

Konnten in Österreich seit Anfang September wieder 500 und in Ausnahmefällen 1.000 Personen in geschlossenen Räumen zusammenkommen, gelten seit 14. September schon wieder neue Bestimmungen: Veranstaltungen ohne zugewiesene und gekennzeichnete Sitzplätze dürfen nur 50 Personen indoor und 100 Personen outdoor umfassen. Veranstaltungen mit zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen sind auf 1.500 Personen unterm Dach und 3.000 Personen im Freien beschränkt.

Das Vienna Convention Bureau des WienTourismus wiederum versucht für die gebeutelte Wiener MICE-Wirtschaft das Leben in Coronazeiten durch einen mit der MedUni Wien erarbeiteten Leitfaden zu erleichtern, der bei Business Events grösstmöglichen Schutz vor Covid-19 bieten soll. Zehn Seiten umfasst das Werk, das alle wesentlichen Eckpunkte listet, die bei Erstellung eines Präventionskonzepts zu berücksichtigen sind.

Mut zu neuen Meetingräumen

In diesen Zeiten weitere Meeting-Räumlichkeiten zu errichten, ist ein wahrlich gewagtes Unterfangen. "Die Entscheidung für unsere 'Mezzanin'-Räumlichkeiten fiel natürlich lange vor Corona, umgebaut haben wir seit November 2019", erläutert Direktor Andreas Purtscher vom Hotel Zeitgeist in Wien. Die sieben Räume auf 217 qm haben einen eigenen Eingang, sind aus hochwertigen Materialen gezimmert und bieten auch Frischluft und Terrasse. 2,5 Millionen Euro wurden von der Zeitgeist Betriebs GmbH investiert, wobei der private Immobilien-Eigentümer auch Mitgesellschafter des Hotelbetreibers ist.

Innerhalb von zehn Jahren soll sich die Investition rechnen. Für das Projekt musste das zuvor eingemietete Fitness-Center sogar gekauft werden. Als Katastrophe nimmt Purtscher die aktuelle Lage nicht wahr: "Wir haben im September eröffnet und bis in den Oktober hinein haben wir täglich ein bis vier Veranstaltungen in diesen Räumen." Aber natürlich seien die Dimensionen nicht wie geplant. Statt maximal 140 Personen sind aktuell 15 bis 30 bei den Meetings. Grossteils von lokalen Betrieben der nächsten Umgebung, zusätzliche Hotelnächte seien die Ausnahme. Gebucht werde entweder sehr kurzfristig oder mit Storno-Möglichkeit – "wobei es kaum zu Stornos kommt", ergänzt er.

Hybrid oder leere Räume

Bei einer der ersten Veranstaltungen im "Mezzanin" diskutierte der Club Tourismus die Situation von MICE-Hotels. "Gerade lange Optionen, immer kürzere Stornofristen und der Preiskampf innerhalb der Hotellerie stehen für eine gefährliche Abwärtsspirale", sah der Geschäftsführer der Round Table Konferenzhotels, Michael Schenk, die Gefahr einer kaum umkehrbaren Tendenz. Führte das hervorragende MICE-Jahr 2019 noch zu neuen Investitionen in Veranstaltungsräume, sind nun andere Investments gefragt: "Hybrid-Meetings werden als Chance gesehen, aber dafür ist eine technische Aufrüstung nötig." Auch 2021werden noch im Zeichen von Hybrid beginnen: "Aber wenn die Impfung da ist, wird Digital wieder in den Hintergrund rücken", ist Schenk überzeugt.

Ein spannender Diskussionspunkt ist die Frage: Was machen nun die Hotels mit ihren leerstehenden Veranstaltungsräumen? "Leer stehen lassen", fasst Schenk die Meinung von den meisten RTK-Mitgliedern zusammen. Nur in typischen Ferienregionen, in denen Hotels Convention in erster Linie als "Zusatzgeschäft" für den Saisonrand aufgebaut haben, gibt es grundsätzlichere Überlegungen.

Ähnlich sieht Susanne Kraus-Winkler, Vorsitzende Fachverband Hotellerie in der Wirtschaftskammer Österreich, die Situation: Bislang habe sie von alternativer Nutzung von MICE-Räumen in Hotels noch nichts gehört. "Aktuell konzentrieren sich die Überlegungen der Hotellerie eher auf die Frage, wie sie Bars zu zusätzlichen Gastronomie-Flächen mit Essen umgestalten können." Aber Kraus-Winkler ist überzeugt, dass in Kürze neue Ideen entwickelt werden müssen, um den MICE-Sektor nicht zu verlieren. "Das Thema Hybrid Meetings wird stark zunehmen. Neue Kongress- und Messeformate sind bei vielen Veranstaltern gerade in Ausarbeitung. Damit gehen neue Anforderungen einher." In Wien liege das Thema in der von ihr initiierten Task Force Stadthotellerie bereits am Tisch.

Die letzte Meldung von gestern war schockierend, weil sie auch noch extrem kurzfristig kam: Congress + Messe Innsbruck bestätigte am Donnerstagmorgen, dass die Innsbrucker Herbstmesse „light“ und der Fachbereich für Gastronomie und Hotellerie abgesagt. Geplant waren sie für Anfang Oktober. / Fred Fettner

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München. Die Salzburger Festspiele haben gezeigt, dass grosse Kultur-Veranstaltungen mit über 76 000 Gästen möglich sind. Die Messe IFA in Berlin oder die ersten Mediziner- und Immobilien-Kongresse fanden ebenfalls bereits in verschiedenen Städten erfolgreich statt. "MICE ist wieder da", hoffen Teilnehmer, Veranstalter und Locations. Und vor allem die Hotellerie könnte darin einen möglichen Strohhalm für den Herbst sehen, für den vielerorts Belegungskatastrophen prognostiziert werden. Dafür ist jetzt viel Vertrauen in modifizierte MICE-Konzepte gefragt, und vor allem viele Sales-Aktivitäten für spezifische Sicherheitskonzepte.

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