Münchner Richter verlangen jetzt Rücklagen Zum Dauerstreit Mieten Pachten Gericht definiert Unzumutbarkeit neu
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Münchner Richter verlangen jetzt Rücklagen

Zum Dauerstreit Mieten/Pachten: Gericht definiert Unzumutbarkeit neu

Das erste Urteil am Landgericht München fiel zugunsten der Pächter aus, jetzt zugunsten der Eigentümer.Foto: unsplash mari helin

München. Das Landgericht München hat am 25. Januar die Mietreduktion zugunsten eines Hotel-Betreibers trotz Corona-Pandemie abgelehnt. Der Betreiber soll ausreichend Rücklagen bilden.

Die gesetzliche Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen ist seit Pandemie-Beginn ein heftig diskutiertes Feld zwischen Eigentümern und Hoteliers. Durch die Einführung des neuen Art. 240 § 7 EGBGB hat der Gesetzgeber nun klargestellt, dass die Grundsätze vom Wegfall der Geschäftsgrundlage für Miet- und Pachtbeträge im Rahmen der Corona-Pandemie grundsätzlich anwendbar sind. Mit dieser neuen Klarstellung vom 25. Januar 2021 tritt nun eine zentrale Frage weiter in den Vordergrund: Ist das Festhalten am Vertrag für eine Partei unzumutbar?

Jetzt entschied das LG München im Einzelfall, aufgrund der Klage eines Hotel-Eigentümers auf Zahlung rückständiger Mieten. Nachdem das Gericht zunächst – in Abweichung zu einer anderen Entscheidung des LG München vom 22.9.2020 – feststellte, dass durch die Corona-Pandemie sowie konkret durch die behördlich angeordnetenSchliessungen kein Mangel der Mietsache begründet werden könne, erläuterte das Gericht:

Für die Beurteilung der Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag können nur solche Umsatz-Einbussen des Mieters berücksichtigt werden, die direkt auf staatlichen Massnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie beruhen und daher weder dem Risiko-Bereich des Hotel-Eigentümers noch des Hotel-Betreibers zuzuordnen sind. Demnach bleiben bei der Abwägung erlaubte, nicht-touristische Übernachtungsangebote, mit denen weiterhin Umsatz möglich gewesen wäre, ausser Betracht. Nicht zu berücksichtigen seien deshalb auch Umsatz-Einbussen, die allein auf eine pandemiebedingte Änderung des Kundenverhaltens zurückzuführen sind.

Bei der Bewertung der Risikoverteilung ist zudem die Versicherbarkeit des Risikos durch den Betreiber zu berücksichtigen.

Weniger bei staatlichen Zuschüssen

Auch die Tatsache, ob der Hotelbetreiber öffentliche bzw. staatliche Zuschüsse zur Abfederung der Auswirkungen der Corona-Pandemie erhalten hat oder sich durch die Betriebsbeschränkungen Aufwendungen erspart hat, ist in diesem Zusammenhang zu beachten. Eine Miet-Anpassung wird daher ausscheiden oder geringer ausfallen, wenn der Hotelbetreiber staatliche Zuschüsse beanspruchen kann.

Ausschlaggebender Punkt ist nach Ansicht des Gerichts eine Pflicht des Hotel-Betreibers zur Bildung von Rücklagen in den Vorjahren der Pandemie. Eine solche läge vor, wenn für den Hotel-Betreiber über viele Jahre hinweg ein gewinnbringendes Mietverhältnis besteht, welches eine solche Rücklagenbildung – auch unter Berücksichtigung anderer Aspekte, wie z.B. der Marktüblichkeit der Miete – erlaubt. Nach diesen Gesichtspunkten sei es dem Hotel-Betreiber zumutbar, eine Rücklage in Höhe von 20 Prozent anhand der EBITDA-Summe der vergangenen drei Jahre zu bilden. Diese sei bei Nachfrage- und Umsatz-Rückgängen anlasslos einzusetzen.

Weitere Urteile abzuwarten

Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Auffassung, insbesondere auch die angesetzte Höhe von 20 Prozent, in der Rechtsprechung durchsetzen wird. Für den Hotel-Betreiber ist es nach dieser Risiko-Verteilung nur dann unzumutbar, am Vertrag festzuhalten, wenn der auf den staatlichen Massnahmen beruhende Umsatz-Verlust seine Rücklagen-Bildung übersteigt. Nur dann besteht ein Anspruch auf Vertragsanpassung in Form einer Mietminderung – und auch dann lediglich in einem angemessenen Umfang im Interesse beider Parteien.

In dieser Entscheidung legt das LG München anschaulich dar, dass es sich bei der Bestimmung der Rechtsfolgen aufgrund eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage stets um eine Einzelfall-Entscheidung handelt. Jedoch stellen die Argumente des Gerichts Indizien dafür dar, welche Aspekte bei der Interessen-Abwägung Einfluss haben könnten. / kn

Autoren dieses Gastbeitrags sind Dr. Christian Zerr und Rebecca Brühl, Rechtsanwälte der Kanzlei GvW Graf von Westphalen, München.

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