Neues Konjunktur Paket enttäuscht deutsche Tourismusbranche
HI+

Neues Konjunktur-Paket enttäuscht deutsche Tourismusbranche

Berlin. Die Beträge sind zu klein, die Laufzeiten zu kurz: Das ist die Kritik der deutschen Tourismus-Branche wie der Dehoga Bundesverbands an dem 120 Milliarden Euro-Konjunktur-Paket, das die deutsche Bundesregierung am Mittwoch verabschiedet hat.

Das von der deutschen Tourismus-Branche sehnsüchtig erwartete Konjunktur-Programm zur Bewältigung der Corona-Krise frustriert: Hotellerie, Gastronomie und Tourismus kritisieren die Massnahmen als bei weitem nicht ausreichend.

Das Paket zur Ankurbelung der Konjunktur in der Corona-Krise summiert sich auf 120 Milliarden Euro und sieht in seinem Kern Folgendes vor:

> Der Mehrwertsteuersatz in Deutschland wird vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020 von 19 auf 16% gesenkt, der ermässigte Satz von 7 auf 5%. Der ermässigte Satz gilt für Waren des täglichen Bedarfs, etwa für Lebensmittel – und für ein Jahr lang auch für Speisen in Restaurants. Damit soll der Binnenkonsum gestärkt werden.

> Besonders belastete Branchen und Betriebe sollen eine zusätzliche Unterstützung in Milliardenhöhe erhalten. Geplant sind "Überbrückungshilfen" im Umfang von maximal 25 Milliarden Euro. Ziel ist es, eine Pleitewelle bei kleinen und mittelständischen Unternehmen zu verhindern, deren Umsätze weggebrochen sind. Die Überbrückungshilfe soll für die Monate Juni bis August gewährt werden.
Sie soll für Branchen wie das Hotel- und Gaststättengewerbe, Clubs und Bars, Reisebüros, Schausteller, aber auch Profi-Sportvereine der unteren Ligen gelten. Erstattet werden sollen fixe Betriebskosten bis zu einem Betrag von 150.000 Euro für drei Monate.

Der Staat stützt die Wirtschaft mit Milliarden. Aber nicht jeder Politiker erkennt die Kernprobleme einer Branche.Foto: Elnur adobe stock

Dehoga: Nicht Grösse zählt, sondern die Betroffenheit

Laut Dehoga Bundesverband bleiben die Beschlüsse des Koalitionsausschusses hinter den Erwartungen der Branche zurück. "Wir erkennen an, dass die Koalitionäre einen Kompromiss mit wichtigen Impulsen gefunden haben", erklärt Präsident Guido Zöllick. "Aber Kritikpunkte und zahlreiche offene Fragen zum Rettungsfonds, zu dem sogenannten Programm für Überbrückungshilfen, bleiben bestehen." Die geplanten Überbrückungshilfen seien für alle betroffenen Betriebe überlebenswichtig. "Nicht die Grösse, sondern der Grad der Betroffenheit der Betriebe ist dabei zu berücksichtigen."

Ebenso sei es wichtig, dass alle Unternehmen und Betriebe eines Eigentümers von dem Rettungsfonds profitieren. "Die geplanten Summen sind zu gering. Überbrückungshilfen für drei Monate greifen zudem in unserer besonders betroffenen Branche deutlich zu kurz. Hier ist eine Ausweitung auf sieben Monate zwingend notwendig", so Zöllick. Jetzt käme es massgeblich auf die Ausgestaltung der Detailfragen an, z.B. welche Fixkosten erstattungsfähig seien.

Was bedeutet "fixe Betriebskosten"?

Die Politik nannte gestern nur ein paar Details aus ihrem Paket – und hält damit die Unsicherheit in Hotellerie und Gastronomie weiter hoch. So kann man nur spekulieren, was die Politiker mit dem Begriff "fixe Betriebskosten" meinen: Dem allgemeinen Verständnis zufolge müssten darunter – salopp gesprochen – alle Kosten eines "leeren" Hotels fallen, z.B. Pacht und Zinsen, aber auch feste Gebühren, fortlaufende Vertragszahlungen, die Grundenergie-Kosten, Versicherungen und sogar der Firmenwagen im Leasing.

Angenommen, die Regierung fördert jetzt Betriebskosten zu 50%, dann würde das einem Haus mit 100.000 Euro Fixkosten immerhin 50.000 Euro sparen. Das wäre ein wohltuender Tropfen auf einen heissen Stein, würde u.U. aber den Leidensdruck des Betriebes nur um drei Monate hinausschieben, weil die Nachfrage in diesen drei Monaten absehbar nicht entsprechend anziehen wird.

Aus dem Eckpunkte-Papier

Das Papier der Koalition, das im Internet verfügbar ist, gibt in einigen Punkten eine erste Orientierung. Im Kontext der versprochenen Überückungshilfen für die Monate Juni bis August heisst es: "Antragsberechtigt sind Unternehmen, deren Umsätze Corona-bedingt in April und Mai 2020 um mindestens 60% gegenüber April und Mai 2019 rückgängig gewesen sind und deren Umsatzrückgänge in den Monaten Juni bis August 2020 um mindestens 50% fortdauern."

Und weiter: "Erstattet werden bis zu 50% der fixen Betriebskosten bei einem Umsatzrückgang von mindestens 50% gegenüber Vorjahresmonat. Bei einem Umsatzrückgang von mehr als 70% können bis zu 80% der fixen Betriebskosten erstattet werden. Der maximale Erstattungsbetrag beträgt 150.000 Euro für drei Monate. Bei Unternehmen bis zu fünf Beschäftigten soll der Erstattungsbetrag 9.000 Euro, bei Unternehmen bis 10 Beschäftigten 15.000 Euro nur in begründeten Ausnahmefällen übersteigen. Geltend gemachte Umsatzrückgänge und fixe Betriebskosten sind durch einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in geeigneter Weise zu prüfen und zu bestätigen."

Als weitere Überlebenshilfe bietet die Regierung u.a. Steuer-Erleichterungen an. So soll der steuerliche Verlustrücktrag – gesetzlich – für die Jahre 2020 und 2021 auf maximal 5 Mio. Euro bzw. 10 Mio. Euro erweitert werden. Es werde ein Mechanismus eingeführt, wie dieser Rücktrag unmittelbar finanzwirksam schon in der Steuererklärung 2019 nutzbar gemacht werden kann, z.B. über die Bildung einer steuerlichen Corona-Rücklage, heisst es.

Und offenbar macht sich der Staat auch Gedanken über die angekündigte Insolvenzfluten: So plant er, ein " vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren" einzuführen.

BTW und DRV: Drei Monate sind zu wenig

Insgesamt bewertet die Tourismuswirtschaft das jüngste Konjunktur-Paket im Zuge der Corona-Krise aber sehr skeptisch. Tenor: Viele Fragen müssten noch geklärt werden und was weiterhin völlig fehle, sei eine Lösung für die Kundengeld-Rückzahlungen der stornierten Veranstalter-Reisen in der Coronakrise. Hierfür hatten die Tourismusverbände erst vor wenigen Tagen gemeinsam einen Lösungsvorschlag in Form eines Kreditfonds angeregt.

"Überbrückungshilfen für drei Monate greifen zudem in unserer besonders betroffenen Branche deutlich zu kurz. Hier bleibt eine Ausweitung auf sieben Monate zwingend notwendig. Spannend bleibt auch die Frage, wer genau alles auf die Gelder zugreifen darf", moniert der Bundesverband Tourismuswirtschaft.

Der reduzierte Mehrwertsteuersatz werde im Tourismus nur Wirkung entfalten, wenn die Unternehmen der Tourismuswirtschaft auch wieder Angebote und damit Umsätze im nennenswerten Umfang machen dürften, so Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbandes: "Das jetzt verabschiedete branchen-übergreifende Programm gilt zwar auch für Reisebüros, Reiseveranstalter und alle die anderen Unternehmen, die in der touristischen Wertschöpfungskette tätig sind, reicht aber bei weitem nicht aus, um das Überleben vieler Unternehmen der Reisewirtschaft zu sichern," stimmt der dem BTW zu und nennt drei Gründe:

"Drei Monate Laufzeit sind zu kurz, die Krise der Reisewirtschaft wird im August definitiv nicht überwunden sein. Maximal 9.000 Euro für kleinere Unternehmen sind ein Tropfen auf den heissen Stein, maximal 50.000 Euro pro Monat für einen grösseren Mittelständler nicht ausreichend. Darüber hinaus wird die Deckelung der insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel dazu führen, dass nur ein Teil der Anträge bedient werden kann. Besonders enttäuschend: Das durch die notwendigen Stornierungen unverschuldet hervorgerufene Liquiditätsproblem wird nicht einmal adressiert! Es hilft nicht, dem Ertrinkenden ein Glas Wasser zu reichen. Die politisch Verantwortlichen haben offenkundig noch immer nicht Ausmass und Dramatik der Krise in der Reisewirtschaft verstanden." / kn

Verwandte Artikel

Reisewirtschaft konfrontiert mit 6 Milliarden Rückzahlung

4.6.2020

Berlin. Rückzahlungen an Buchende für Reisen, die während der Corona-Krise nicht zustande kamen, treiben die deutsche Reise-Branche weiter in eine finanzielle Katastrophe. Nachdem die EU den Vorschlag einer verpflichtenden Gutschein-Regelung abgelehnt hat und Deutschland hierbei nun auf Freiwilligkeit setzt, fordern die Verbände einen Rettungsfonds für die Reisebranche.

{"host":"www.hospitalityinside.com","user-agent":"Mozilla/5.0 AppleWebKit/537.36 (KHTML, like Gecko; compatible; ClaudeBot/1.0; +claudebot@anthropic.com)","accept":"*/*","x-forwarded-for":"3.145.173.112","x-forwarded-host":"www.hospitalityinside.com","x-forwarded-port":"443","x-forwarded-proto":"https","x-forwarded-server":"d9311dca5b36","x-real-ip":"3.145.173.112","accept-encoding":"gzip"}REACT_APP_OVERWRITE_FRONTEND_HOST:hospitalityinside.com &&& REACT_APP_GRAPHQL_ENDPOINT:http://app/api/v1