Nur 3 Prozent mehr Hotel Unternehmer Michael Zehden will Corona Abgabe mit Payback
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Nur 3 Prozent mehr

Hotel-Unternehmer Michael Zehden will "Corona-Abgabe" mit Payback

Am Tourismus hängen in Berlin direkt 250.000 Arbeitsplätze. Das Gastgewerbe machte letztes Jahr 7,1 Milliarden Euro Umsatz.Foto: visitberlin Wolfgang Scholvien

Berlin. Mit einem "Unterstützungsdarlehen" von 700 Millionen Euro pro Jahr will der Berliner Unternehmer Michael Zehden, Gründer des Hotel-Betreibers Albeck & Zehden, den fast 800 Beherbergungsbetrieben in der deutschen Hauptstadt helfen. Das Darlehen soll spätestens nach zehn Jahren zurückgezahlt werden – und zwar über eine sogenannte "Corona-Abgabe" von drei Prozent, zu zahlen vom Gast. Zehdens Vorschlag hat jetzt die Berliner Politik und Öffentlichkeit erreicht, wir stellen die Idee vor und auch zur Diskussion.

Michael Zehden ist in Berlin eine bekannte Grösse. Seit Mitte der neunziger Jahre ist er dort stark im Tourismus involviert. Er vertrat die Berliner Tourismuswirtschaft als Vorsitzender des Hotelverbandes Berlin und Umgebung e.V., war Mitbegründer und stellvertretender Vorsitzender des visitBerlin Partnerhotels e.V., Vizepräsident des Dehoga Berlin, Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafen Tegel und Aufsichtsratsmitglied des BER. Ebenso war er acht Jahre lang Aufsichtsratsvorsitzender von visitBerlin, der Marketinggesellschaft der Stadt.

Herr Zehden, gemeinsam mit Ihrem Partner Michael Mücke betreiben Sie heute neun Hotels unter fünf Marken. Sie sind damit ein aktiver Unternehmer, selbst konfrontiert mit allen Corona-Herausforderungen. Wie sind Sie auf die Idee des "Unterstützungsdarlehen" gekommen?

Zunächst, es ist ein persönlicher Vorschlag von mir, es hat nichts mit der Firma zu tun. Meine Mitstreiter aus den vergangenen Jahren und ich haben alle zusammen Berlin touristisch nach vorne gebracht, viele Events geboren, die Direktflüge USA-Berlin ab 2001 zustande gebracht… Und jetzt besteht die Gefahr, dass das Kartenhaus zusammenbricht.

2019 zählte die Metropole über 34 Millionen Übernachtungen von rund 14 Millionen Besuchern in Hotels und Pensionen. Hinzu kommen die vielen Touristen, die in Airbnb-Unterkünften übernachten.

Ich bin ein wenig verwundert darüber, dass sowohl der Stadt Berlin sowie der Berliner Politik – trotz der grossen Bedeutung des Tourismus für die Stadt – anscheinend die Ausmasse der aktuellen Situation nicht bewusst sind. Deshalb habe ich im Mai dieses Jahres viele Hotels motiviert, gemeinsam in zwei grossen lokalen Tageszeitungen zwei grosse Anzeigen unter der Überschrift "Berlins Autoindustrie ist die Tourismusindustrie" zu schalten. Das war unser erster Hilferuf.

Michael Zehden: Der Umsatz bleibt in jedem Hotel!Foto: Thomas Kierok

Branchen-Analyst Fairmas hat für den Monat August eine durchschnittliche Belegung von 43,9% eruiert, einen ADR von 75 Euro und einen RevPAR von 33,30 Euro. Das bewertet Fairmas als "irgendwie okay". Kongresse und Konferenzen könnten rein theoretisch stattfinden, nur keiner will. Der Berlin Marathon ist auch abgesagt…

Ja, es ist elend. Es hängt so viel vom MICE-Geschäft, von Messen und Grossveranstaltungen ab. Folgende Zahlen-Reihe illustriert die Megakluft: Zum Beispiel ein 4-Sterne-Hotel in Berlin mit über 400 Zimmern, grossem Tagungsbereich, Restaurant, Bar und Pool hat im Februar 2019 noch 78,3% Belegung, ein Jahr später sind es 66,7%. Im März stürzt es von 86,7% in 2019 auf 12,8% in diesem Jahr ab. Der Tiefststand kommt im April mit 88,8% versus 1,5%. Im Supermonat August stehen 95% in 2019 mageren 28,3% heute gegenüber. Im Dezember 2019 erzielte das Hotel 78,8%, für diesen Winter erwartet man 28,4%.

Dieses Hotel verliert übers Jahr gesehen 71,3% seines Umsatzes, es fällt von knapp 20 auf knapp 6 Millionen Euro. Mit anderen Worten: Das Business geht fast gegen Null, die Fixkosten bleiben hoch. Es gibt Hotels in Berlin mit 10 Millionen Euro Fixkosten im Jahr.

Und da sollen 700 Millionen pro Jahr helfen?

Ja! Sich das Geld zu borgen, kostet das Land Berlin so gut wie nichts. Die Verzinsung für den Kredit habe ich mit 0,7% berechnet, quasi als Bearbeitungsgebühr. Wenn wir für die beinahe 800 Beherbergungsbetriebe in der Stadt ungefähr 700 Millionen bereitstellen, dann werden viele Häuser nicht in Turbulenzen bzw. in die Insolvenz getrieben. Sie können weiter Umsatz machen, zumindest grosse Teile ihrer Mitarbeiterschar und Auszubildende behalten – das wäre eine echte Hilfe.

Dem Staat würde die Branche das unterstützende Darlehen binnen 10 Jahren zurückzahlen – wenn jeder Gast 3% zusätzlich auf alle Leistungen im Hotel zahlt. Das wäre eine Art "Kurtaxe". Ansonsten passiert in den nächsten Wochen und Monaten folgendes: Die Banken werden bald den Geschäftsbericht fürs 1. Halbjahr 2020 anfordern – und schon kommen sie mit Forderungen zur Nachbesicherung und haken bei der Eigenkapitalquote nach.

Mit welcher Gast-Reaktion rechnen Sie denn?

Die von mir vorgeschlagene "Corona-Abgabe" wäre für den Gast zu verschmerzen: Das Glas Wein an der Bar kostet dann nicht mehr 6 Euro, sondern 18 Cent mehr, also 6,18 Euro. Oder eine Übernachtung kostet jetzt nicht mehr 75 Euro pro Nacht, sondern 77,25 Euro. Das mag in Deutschland noch auffallen, weltweit zahlt jeder Gast häufig noch mehrere Steuersätze zusätzlich – er achtet oftmals gar nicht mehr darauf bei seiner Rechnung. Diese Abgabe muss auf den Hotelpreis aufgeschlagen werden. Ich bin mir hier der Solidarität und Unterstützung der Gäste sicher.

Für mich bei allem wichtig: Der Umsatz bleibt in jedem Hotel, das damit seine Kosten weiter decken kann – ohne bürokratischen Mehraufwand.

Wie würde denn die Belastung für den Staat bzw. Stadt über zehn Jahre hin aussehen?

Das Berliner Gastgewerbe hat letztes Jahr 7,1 Milliarden Euro Umsatz gemacht. 3,5 Milliarden kommen davon aus dem Beherbergungsgewerbe. Dieses Jahr erreichen wir wahrscheinlich 30% des Vorjahres-Umsatzes, 2021 sollen es 50% sein, 2022 schon 75% und 2023 wieder 100%. Ausgehend von den 3,5 Milliarden in 2019 würde die "Corona-Abgabe" im kommenden Jahr nach meiner Berechnung über 50 Millionen Euro für Zins und Tilgung erbringen und 104 Millionen in 2023.

Konferenz-Flaggschiff InterConti Berlin. In der Stadt gibt es Hotels mit 10 Millionen Euro Fixkosten im Jahr.Foto: IHG

Wie könnte man dieses Modell in der Praxis umsetzen?

Die "Beweisführung" darüber, wer das Darlehen bekommt oder nicht, könnte beispielsweise schon ein Wirtschaftsprüfer übernehmen. Man müsste lediglich eine Stelle einrichten, bei der die Anträge der Hotels eingehen, inklusive der Bilanzen natürlich. Für mich ist das eigentlich nur eine "handwerkliche" Frage. Es wird einen Schlüssel für die Verteilung des Geldes geben.

Was passiert, wenn ein Hotel, dem ein Unterstützungsdarlehen gewährt wurde, in den 10 Jahren insolvent geht?

Der Schuldner ist nicht das einzelne Hotel, sondern die gesamte Berliner Hotelbranche. Ein Gast bucht die Destination Berlin. Sollte ein Hotel dann nicht mehr am Markt sein, bucht er ein anderes verfügbares Hotel. Der Umsatz sowie die Abgabe zur Rückzahlung des Darlehens werden somit dennoch generiert.

Es gibt bereits einen "Kongressfonds" in Berlin, der mit 10 Millionen Euro das Tagungsgeschäft wiederbeleben soll. Wie funktioniert der, ist das ein Muster für Sie?

Es ist sehr wichtig und richtig, dass dieses Geld überhaupt zur Verfügung gestellt wird, jedoch wird es der Hotellerie kurzfristig nicht helfen, denn diese Unterstützung gilt dem Marketing und der Akquise von Messen und Veranstaltungen. Aber was nützt uns das, wenn aktuell keine Flüge gehen, Reisebeschränkungen gelten und somit keine Gäste kommen? Die Fixkosten der Hotelbetriebe werden dadurch nicht entlastet.

Wie offen ist denn jetzt die Politik für Ihren Vorschlag?

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller hat selbst vorgeschlagen, eine Fachgruppe ins Leben zu rufen, um den Vorschlag zu diskutieren. Dazu würde er selbst gehören, die Wirtschaftssenatorin, der Finanzsenator, der Dehoga Berlin, visitBerlin, die IHK und ich persönlich. Termine dazu habe ich aber noch nicht.

Ich möchte den Politikern unbedingt klarmachen: Keine Stadt in Deutschland hat wie Berlin 250.000 direkt mit dem Tourismus verbundene Arbeitsplätze. Das kann doch nicht alles zusammenbrechen! Das ist doch nur eine Übergangsphase aus einer Pandemie in eine "normale" Welt!

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Maria Pütz-Willems

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