Nur noch Kaninchenställe Trend Die Zimmer werden immer kompakter Pacht bleibt so bezahlbar
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Nur noch Kaninchenställe?

Trend: Die Zimmer werden immer kompakter – Pacht bleibt so bezahlbar

Nur 9 qm gross sind im Schnitt die Zimmer im Buddy Hotel in München. Trotzdem wirkt das Zimmer nicht eng.Foto: Buddy Hotel

Wiesbaden. Steigende Grundstücks- und Baukosten treiben die Preise für Hotelbauten in Europa in die Höhe – und haben massive Auswirkungen auf die Zimmer-Grössen in begehrten Stadtlagen. Und jetzt kommen sogar 4-Sterne-Hotels wie Radisson mit Zimmern im 16 qm-Budget-Format. Wird dieser Trend zu "Kaninchenställen" führen oder ist eine Gegenbewegung in Sicht? Ein Gespräch mit den Architekten Peter Joehnk, Oliver Massabni und Projekt-Entwickler Olaf Steinhage.

Designer Peter Joehnk aus Hamburg kennt die Problematik: "Die Grundstückspreise insbesondere in den Städten sind in den letzten Jahren geradezu explodiert und die Baukosten steigen kontinuierlich – wobei man schon froh sein muss, wenn man überhaupt noch Baufirmen mit freier Kapazität findet", erklärt er die aktuelle Situation an begehrten Standorten. "Damit wirtschaftliches Bauen noch möglich ist und im Fall von Hotels die Gäste die Übernachtungspreise noch bezahlen können, muss an jeder Ecke gespart werden, um diesen Kostenanstieg erträglicher zu machen. Das effektivste Mittel, dass Hotelimmobilien noch finanzierbar bleiben, ist die Fläche je Zimmer zu verkleinern und trotzdem den Übernachtungspreis zu halten."

Dies bestätigt auch Oliver Massabni von a2-architecture: "In Cityhotels innerhalb Europas und vielleicht auch Nordamerikas gehen die Zimmergrössen tatsächlich immer weiter nach unten, und 16 qm sind für ein Standardzimmer im 4-Sterne-Bereich nach meiner Meinung ausreichend und richtig." Die Zielgrösse für ein Zimmer im Budget-Hotel für die nächsten Jahre beziffert er mit 8 bis 14 qm. "Im Buddy Hotel in München sind es 9 qm pro Zimmer. Um noch von einem 'Zimmer mit Dusche' reden zu können, haben wir schon Studien mit 7,5 qm einschliesslich Bad erarbeitet."

'Damit wirtschaftliches Bauen noch möglich ist, muss an jeder Ecke gespart werden,' sagt Peter Joehnk.Foto: JOI Design

Die Grösse des Zimmers werde aber nicht nur durch den Markt geregelt, sondern auch durch behördliche Regulierungen. "Lokale Bauordnungen und Regelungen schränken die Freiheit des Architekten und des Investors erheblich ein", bedauert Massabni. In fast allen Regionen gebe es festgeschriebene Quadratmetergrössen, teilweise auch Kubikmetergrössen. Hinzu kämen Belichtungsvorgaben, die ebenfalls von Region zu Region unterschiedlich ausfielen.

Keine festgelegten Zimmergrössen

Auch wenn Zimmergrössen im 4-Sterne-Bereich auf 16 qm schrumpften – wie bei den jüngst vorgestellten sogenannten European Urban Rooms oder Compact Rooms von Radisson und Radisson Red – sollte und müsse ein Haus dieser Kategorie im Unterschied zum Budget-Hotel auch höhere Zimmerkategorien und damit auch grössere Zimmer im Sortiment vorweisen. Angesichts der Raumknappheit müssten die Zimmer intelligent und durchgeplant sein, sagt Massabni. Dies gelte auch für den Budget-Bereich. Der Badlösung werde dabei eine wesentliche Schlüsselrolle zugesprochen.

Joehnk weist auch darauf hin, dass entgegen der landläufigen Meinung, eine Sternekategorisierung keine jeweils angemessene Zimmergrösse vorschreibt. Will heissen, ein 4-Sterne-Hotel kann durchaus kleine Zimmer haben. "Ein grösseres Zimmer gibt mit dem aktuellen Punktesystem bei der Sternevergabe zwar deutlich mehr Punkte und es wird schwerfallen, mit einem 16 qm grossen Zimmer dann Punkte in der Kategorie Ausstattung auszugleichen. Aber die Punktevergabe erfolgt für zusätzliche Möbel und nicht für deren Schönheit oder Qualität, die allerdings auch Fläche brauchen, um untergebracht zu werden." Bei JOI-Design sei man bei einem klassischen 4-Sterne-Hotel bisher eher von 20 qm grossen Zimmern ausgegangen, denn diese Fläche benötige man, um in einem Doppelzimmer auch noch zwei komfortable Sitzgelegenheiten unterzubringen. "Wenn man nun 4 qm je Zimmer spart, sind dies 20% der Zimmerfläche und umgelegt auf das ganze Hotel entspricht dies einer Einsparung von 10 bis 14%... da reibt sich jeder Investor die Hände!"

Oliver Massabni hält 16 qm fürs Standardzimmer  ausreichend.Foto: Massabni Architechture

Public Spaces als Ausgleich?

Kleine Zimmer können zwar durchaus gemütlich sein und durch hochwertige Materialien aufgewertet werden, für einen längeren bequemen Aufenthalt darin eignen sie sich aber meist nicht. "Sowohl im Budget- als auch im 4-Sterne-Bereich ist eine grosszügige Public Space-Lösung Voraussetzung für eine reduzierte Zimmerfläche", erklärt Massabni. "Nur wenn sich der Gast entschliesst, attraktive Gemeinschaftsflächen zu nutzen, auch zum Arbeiten und zum Lesen oder Entspannen, kann die Zimmerfläche reduziert werden. Der Gast soll, wenn möglich, nicht im Zimmer sitzen. Wenn die Public Space richtig geplant und betrieben wird, steigt auch der F&B Umsatz."

Der Public Space ist auch laut Joehnk entscheidend dafür, dass Gäste trotz reduzierter Zimmerflächen noch bereit sind, für die Übernachtung noch gleichviel zu bezahlen. "So wurde in den letzten Jahren aus Budget vielfach Budget-Lifestyle, mit dem Argument, dass die Zimmer nur zum Schlafen gebraucht werden. Wohnen, Arbeiten und Kommunikation findet im öffentlichen Bereich statt, der im Idealfall zum 'Hub' in der Stadt wird, wo sich Locals mit Gästen mischen, weil die Gastronomie so cool ist", sagt er.

Als ein Beispiel dafür führt er Motel One an, wo Zimmer von Beginn an 16 qm gross und von der Ausstattung nie wirklich 'billig' gewesen seien. Die erste Generation der Marke ist längst verkauft. "Neuerdings werden die öffentlichen Bereiche mit so grossem Aufwand gestaltet, dass der Gast das Gefühl hat, in einem guten 4-Sterne-Haus zu wohnen, in dem lediglich die Zimmer etwas klein sind, was aber kaum jemanden stört, der dort nur schlafen und duschen will", so der Designer.

Mehr Einsparpotential durch Mehrfachnutzung

Grundsätzlich jedoch sei in jüngerer Zeit durch das Zusammenfassen und multifunktionale Bespielen der öffentlichen Flächen eher Platz gespart worden. "Das coole Lifestyle Gefühl entsteht ja auch dadurch, dass Lobby/Lounge/Bar/Restaurant/Meetingspaces voller Menschen sind. Und selbst da gibt es noch Potential, denn die Plätze, die man für Frühstück vorhält, sind einen Grossteil des Tages ungenutzt und erst ganz langsam fängt es an, dass in guten City-Lagen diese Frühstücksplätze tagsüber an Co-Worker vermietet werden", so Joehnk.

Motel One Zürich: Hochwertig gestaltete Public Spaces entschädigen für die kleinen Zimmer.Foto: Motel One

Auch Public Areas würden kleiner und verdienten mit F&B und anderen Nebenleistungen auch zusätzlich noch mehr Geld. Ein weiteres gutes Beispiel dafür seien auch Konzepte wie Moxy, für die JOI-Design das europäische Standard-Zimmerkonzept mitentwickelt habe. "Das Feedback von Geschäftsfreunden ist tatsächlich durchweg positiv und das Lebensgefühl eines Moxy Hotels wird mit höheren Raten belohnt als ein viel grösseres renovierungs-bedürftiges 4-Sterne-Hotel alter Schule", sagt er.

Für das Verweilen im Zimmer wurden in den letzten Jahren viele platzsparende und attraktive Lösungen entwickelt, bestätigt auch Massabni. Zum Beispiel durch die Integration der Fensterbänke als Möbel ins Design als Alternative zum sperrigen Sessel. Bei einem Durchschnittsprojekt liessen sich durch die Reduzierung der Zimmergrösse pro verzichtetem Quadratmeter zirka 5.000 Euro einsparen. "Wenn wir also davon ausgehen, 6 qm pro Zimmer zu reduzieren, sind das ca. 30.000 Euro pro Zimmer", rechnet Massabni vor. "In teuren Ballungszentren ist diese Zahl noch erheblich höher und kann bis zu 120.000 Euro pro Zimmer an Einsparung bedeuten." Dies sieht auch Joehnk so: "Der Bereich, in dem jeder eingesparte Quadratmeter besonders effektiv ist, ist das Zimmer. Damit hat man gleich einen dreistelligen Multiplikator durch die Anzahl der Zimmer", sagt er.

Die beiden Designer sind sich einig: Angesichts der Preisentwicklung beim Bau und den abgehängten Zimmerpreisen bliebe Hotelbetreibern und -entwicklern gar keine ernsthafte Alternative zur Reduktion der Flächen, um das Produkt wirtschaftlich darzustellen. "Die internationalen Betreiber haben das auch verstanden und ihre Produkte entsprechend angepasst", so Massabni. Wo 4-Sterne-Marken gezwungen seien diesen Trend mitzugehen ergäben sich seiner Meinung nach wieder Chancen für die echte Luxushotellerie. Sie könne bewusst den Abstand zu den 4-Sterne-Produkten suchen und damit attraktivere Angebote schaffen, die sich mit mehr individueller Fläche von der Masse abhöben.

Selina setzt auf Lifestyle und bietet Gästen neben der Übernachtung auch Erlebnisse.Foto: Selina

Macht klein
wirklich glücklich?

Auch Hotelimmobilien-Experte Olaf Steinhage aus Berlin ist davon überzeugt, dass sich viele Gäste nach wie vor mehr Platz im Zimmer wünschen. "Das Thema der immer kleiner werdenden Zimmer folgt nicht zwingend der Guest Expectation, sondern ist, glaube  ich, im Wesentlichen immobilien-wirtschaftlich getrieben", sagt er. Solange die Baupreise jedoch stiegen oder auf dem heutigen Niveau blieben und die Zimmerpreise nicht signifikant nachziehen könnten, würde sich dieser Trend halten. "Zumal der Kostenblock Miete/Pacht insbesondere bei Economy-Produkten mit bis zu 30% des Umsatzes mittlerweile die mit Abstand höchste Einzelposition in der Gewinn- und Verlustrechnung des Betreibers darstellt."

Ein erklärter Freund der Mini-Zimmer ist Steinhage nicht: "Die Zimmergrösse in immer mehr Produkten stösst aus meiner Sicht, zumindest bei Doppelbelegung, an ihre Grenzen – hier kann das 'umeinander Herumtänzeln' in Zimmer und Bad schon zu einer physischen und psychischen Herausforderung werden", beschreibt er den Zustand. "Damit einher geht ein 'Verzicht auf kubische Möblierungen' – stattdessen wird aus einem Schrank ein Wandhaken, statt auf einem Sideboard wird der Fernseher an die Wand gehängt und das Bad zum Wohnraum geöffnet, um zumindest noch ein Minimum an Raumgefühl und -grösse zu bekommen", schildert er die stilistischen Kniffe der Kleinraum-Designer und gibt als Denkanstoss: "An dieser Stelle lohnt möglicherweise eine Betrachtung des Erfolgs der neuen Serviced Apartment- und/oder Airbnb-Angebote – vielleicht ist dies ein indirekter Protest gegen die immer kleiner werdenden Zimmer."

Kein Freund von Mini-Zimmern: Olaf Steinhage.Foto: Horwath HTL

Auch das Argument, dass kleine Zimmer sich positiv auf die Public Spaces eines Hotels auswirken dürften, sieht Steinhage eher differenziert. Dazu müsse man die einzelnen Produkte schon sehr genau betrachten. "Im klassischen Economy-Segment wohl eher weniger, auch wenn z.B. Motel One mittlerweile, den notwendigen Frühstückskapazitäten eines 400 Zimmer+ Hauses folgend, über durchaus respektable Public Areas verfügt – und über den Tag und am Abend nach einer sinnvollen Nutzung für diese Flächen sucht", sagt er.

Wesentlich konsequenter als die Economy-Hotellerie arbeiteten in diesem Sinne eher Hostels und/oder neue hybride Produkt wie beispielsweise The Student Hotel oder Selina. "Hier hat man erkannt, dass Hotel nicht nur schlafen und duschen sein muss, sondern die entsprechende Community durchaus auch an sozialen Erlebnissen interessiert ist", so Steinhage. Die Budget-Hotellerie versucht hier teilweise nachzuziehen, inwieweit dies gelingt, bleibt abzuwarten.

Keine einfache Kalkulation

Steinhage stellt die Gegenrechnung zu den Mini-Zimmern auf: "Sollte man bei einem 200-Zimmer-Haus die durchschnittliche Zimmergrösse um beispielsweise 20% und damit 3,2 qm erhöhen, so wäre das Raumgefühl im Zimmer wahrscheinlich deutlich spürbar und ein 600 qm grosser, zusätzlicher Public Space zwar wahrnehmbar, aber ohne echten Sinn für den Gast, der dann keinen Co-Working-Bereich und keinen All-Day Coffee etc. benötigt und somit für den Gast vielleicht nicht unbedingt wertsteigernd ist", so seine Meinung.

Bei grösseren Zimmern zwangsläufig von Mehrkosten zu sprechen, sei zu kurz gedacht. Wer glaube, dass 20% mehr Fläche auch 20% mehr Kosten bedeute, müsse berücksichtigen, dass die wesentlichen Kosten eines Zimmers mit 16 qm Nutzfläche im Bad, in der Klimatisierung, in der Zimmertür und im Fenster lägen. Eine Erweiterung der Zimmerfläche ohne spezifische zusätzliche Installationen auf beispielsweise 18 qm machten den Bau nur bedingt teurer. / Susanne Stauss

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