ÖHV-Kongress 4 5 Milliarden Euro retten Österreichs Hotellerie und Gastronomie
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ÖHV-Kongress: 4,5 Milliarden Euro retten Österreichs Hotellerie und Gastronomie

Linz. Grosskongresse sind wieder machbar: Das zeigte der erstmals wieder physisch ausgetragene ÖHV-Kongress in Linz diese Woche: 450 Personen trafen sich live vor Ort, 60 waren virtuell zugeschaltet. Die Branche feierte das Überleben, dank 4,5 Milliarden Euro an staatlicher Unterstützung.

Selbst wenn die FFP2-Maske noch das Gesicht zur Hälfte bedeckte, konnte ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer, Boutiquehotel Stadthalle Wien, im weitflächigen Design Center Linz verkünden: "Wir haben damit auch allen Kunden gezeigt: Grosskongresse sind machbar". Statutengemäss muss sie Ende 2021 nach 15 Jahren an der ÖHV-Spitze ihrem Nachfolger Platz machen – aller Voraussicht nach wird das Walter Veit vom Hotel Enzian in Obertauern sein.

Alles bleibt Anders! Die ÖHV-Teilnehmer genossen den persönlichen Austausch mit den Kollegen über die ungewisse Zukunft.Foto: ÖHV

Die Stimmung war so emotional, dass sich das knisternd-disziplinierte Verhalten des Auftakts am zweiten Tag nach der noch gültigen Sperrstunde um 22 Uhr zu einem fröhlichen Beisammensein vor dem Kongresszentrum wandelte, samt mitgebrachter Getränke und Gläser. Dass das Feiern nicht der Stimmung beim Untergang auf der Titanic glich, ist den grosszügigen staatlichen Förderungen zu verdanken.

Was die Hotellerie an Hilfen erhielt...

Die wichtigsten Covid-19-Hilfen waren und sind: Kurzarbeit, Lockdown-Umsatzersatz, Entschädigungen nach dem Epidemiegesetz, Fixkosten-Zuschuss I und dessen Erweiterung auf 800.000 Euro, Verlustersatz, Hilfen der Bundesländer, Investitionsprämie, Erhöhung der Gebäude-Abschreibungen, Ausfallsbonus, befristete Umsatzsteuer-Senkung, Finanzamtsstundungen und Garantien für Überbrückungskredite.

"Wir haben uns so viele Sachen einfallen lassen, dass es schon für uns selbst unübersichtlich geworden ist", bekannte Tourismus-Ministerin Elisabeth Köstinger am Kongress freimütig. Allein Fixkosten-Zuschüsse, Umsatzersatz November/Dezember 2020, Ausfallbonus und Verlustersatz summierten sich in Hotellerie und Gastronomie auf knapp 3 Milliarden Euro. Allein der 80-prozentige Umsatzersatz im November 2020 kostete den Staat eine Milliarde Euro. Hinzu kamen über 1,5 Milliarden an Rückerstattungen vom AMS für die Kurzarbeit.

Damit liegt der Branchen-Anteil an den gesamten Wirtschaftshilfen nur wenig unter 50 Prozent, von der Kurzarbeits-Erstattung floss rund ein Fünftel ins Gastgewerbe. Betrachtet man die gesamte österreichische Wirtschaft, wurden von beantragten 18,3 Milliarden Euro bereits 14,3 Milliarden ausbezahlt. Insgesamt bearbeitete die Covid-19-Finanzierungsagentur des Bundes 660.000 Anträge, während es beim AMS 283.000 Anträge auf Kurzarbeit waren.

Zu den angeführten Summen kamen nicht nur einzelne Hilfeleistungen der Bundesländer sowie Stundungen von Sozialversicherungs- und Finanzamtsleistungen, sondern auch die Übernahme von Garantien und Haftungen. Diese liegen aktuell bei knapp 4,9 Milliarden Euro, wovon exakt 1,04 Milliarden Euro Hotellerie und Gastronomie absichern.

Der Staat bestand den Stresstest

Angesichts dieser Zahlen mag es nicht überraschen, wenn zuletzt Stimmen von einer "Überförderung" des Tourismus zu hören war. Als Indiz dafür gilt, dass die Zahl der Insolvenzen 2020 markant rückläufig war. Es seien also auch "tote" Betriebe künstlich am Leben erhalten worden.

Seite an Seite mit der Politik: links Tourismus-Ministerin Elisabeth Koestinger, daneben Markus Achleitner und Michaela Reitterer von der ÖHV.Foto: ÖHV Lechner

Franz Schellhorn, Sprecher des neoliberalen Thinktanks "Agenda Austria", war am Kongress vergleichsweise milde gestimmt. Der Sozialstaat habe den Stresstest bestanden – zumindest was die Haushaltseinkommen betrifft. "Es gab keinen hohen Streuverlust. In allen Einkommensklassen gab es nur leichte Rückgänge von 1,5 bis 2% beim Haushaltseinkommen, bei den Ärmsten war dieses sogar leicht steigend", sagte Schellschon. Ohne Massnahmen der öffentlichen Hand hätten die Verluste bei 12 bis 19% gelegen. Der Preis dafür sei aber "enorm" gewesen, die Verschuldung wohl auf 57% der Wirtschaftsleistung gestiegen. Wie damit künftig umzugehen sei, beantwortet Schellhorn mit neoliberalen Konzepten wie Pensionsreform, höhere Eigenfinanzierung und weniger Steuern.

Kurzarbeit ab sofort in zwei Varianten

Während die ÖHV über die neuerliche Fortsetzung der Kurzarbeit – nun in zwei Varianten für besonders und für weniger betroffene Branchen – begeistert ist, warnte Schellhorn vor einem negativen Effekt: "Wir finden die aktuelle Kurzarbeit nicht ideal, die Vollzeit-Tätigkeit muss sich wieder lohnen. Ebenso darf es nicht günstiger sein, einen Betrieb geschlossen zu halten. Selbst wenn die Verlängerung für Stadthotels gut sein sollte, ist es schlimm für die Ferienhotellerie, die bereits nach Mitarbeitern schreit."

So warnte auch Arbeitsminister Martin Kocher in einer Grussbotschaft, die Mitarbeiter-Situation zu unterschätzen. Es gebe es auch vor dem Hintergrund der Kurzarbeit schon jetzt ein Fünftel mehr unbesetzte Stellen als vor der Krise. Der regionale Wirtschaftsrat Markus Achleitner im industrie-dominierten Oberösterreich brachte eine noch deutlichere Zahl ein: Im Lande stünden 27.000 offene Stellen nur mehr 33.000 Arbeitssuchende gegenüber. Die Hotelbetriebe sind aber in der Stadt zu zwei Drittel und am Land immerhin noch zu 27% der Ansicht, Kurzarbeit weiterhin zu benötigen.

Kurz vor Einsetzen des Sommer-Tourismus ist sich die Hotellerie des Mitarbeiter-Mangels bewusst. Wie weit es in dieser Saison wieder Ungarn, Slowaken und Bulgaren trotz eventuell noch bestehender Corona-Hürden nach Österreich locken wird, gilt als mitentscheidende Frage.

Die Hilfen im Urteil der ÖHV-Mitglieder

In ihrer 25. ÖHV Insight-Umfrage unter den Mitgliedern seit Ausbruch der Covid-19-Krise ging es der ÖHV aber noch eher um den Blick in den Rückspiegel. In der Bewertung der Krisenhilfe der Bundesregierung gab's durchschnittlich die Note 3. Am besten kam in der Hotellerie die Senkung der Umsatzsteuer auf Logis, Speisen & Getränke an. Fast als ebenso wertvoll erachtet man Kurzarbeit und Umsatz-Ersatz. Ähnlich werden die anderen finanziellen Zuschüsse bewertet. Abgeschlagen am letzten Platz liegt die "Entschädigung nach Schliessung durch das Epidemiegesetz". Dieses Gesetz wurde bald nach Ischgl ausser Kraft gesetzt – und die Auszahlung des darin vorgesehenen vollständigen Umsatz-Ersatzes lässt teilweise noch immer auf sich warten.

ÖHV-Generalsekretär Markus Gratzer relativierte die Unterstützungsleistungen durch den Einnahme-Ausfall im Gesamtreiseverkehr in Höhe von 23,4 Milliarden: "So notwendig Staatshilfen waren, sie ersetzen unternehmerische Arbeit nicht."

Zufriedener als mit der Regierung waren die Hoteliers mit ihren Hausbanken. Die Frage "Wie flexibel und partnerschaftlich hat Sie Ihre Hausbank in der Krise begleitet?" beantworteten sie mit Schulnote 2. So zeigten sich auch drei Viertel der Betriebe überzeugt, falls benötigt, einen höheren Kreditrahmen zugesagt zu bekommen. Nur jeder Achte glaubt das nicht.

Animiert durch die Corona-Investitionsprämie haben vor allem gut etablierte Betriebe weiterhin investiert. 77% der Ferienhotels haben diese in Anspruch genommen und sogar 53% der Stadthotels. Sie wollen auch 2021 nicht auf Investitionen verzichten, diese aber um ein Drittel reduzieren. Dabei liegt gemäss der Umfrage der Jahres-Umsatzverlust 2020 bei 3,3 Millionen Euro pro Betrieb. In Wien wächst dieser Wert auf 7,4 Millionen Euro, während die Ferienhotellerie vor allem wegen der Sommermonate 2020 glimpflicher davongekommen ist. / Fred Fettner

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