Österreich Mitten im Worst Case Szenario
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Österreich: Mitten im Worst-Case-Szenario

Wien. In der österreichischen Hotellerie wächst die Tendenz, lieber Häuser weiter geschlossen zu halten als auf internationale Gäste zu warten – die mangels Möglichkeit ohnehin nicht kommen. Daher wollen die meisten Stadthotels bis Ende Februar keine Gäste mehr empfangen. Und auch in der Ferienhotellerie mag niemand mehr die Tür öffnen, je stärker er von ausländischen, speziell deutschen Gästen abhängig ist.

"Es herrscht nicht einmal innerhalb der Ferienhotellerie ein einheitliches Bild: Je stärker die Abhängigkeit von ausländischen, speziell deutschen Touristen, desto mehr Betriebe wollen geschlossen halten", beschreibt ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer das aktuelle Dilemma im österreichischen Tourismus. Dieses lautet unverändert: 15% des Bruttoinlandsprodukts verantwortet die Tourismus- und Freizeitwirtschaft, der konzentrierte Höhepunkt der Wertschöpfung liegt im alpinen Hochwinter der westösterreichischen Alpen. Hier werden die höchsten Preise erzielt und, um die Servicequalität aufrecht zu erhalten, ist hier die Mitarbeiterzahl überdurchschnittlich hoch.

Deshalb akzeptierte die Bevölkerung die bislang verordneten Corona-Massnahmen vielfach als Tribut für einen funktionierenden Winter-Tourismus. Das galt zum Teil schon für den "Lockdown light" ab 3. November, vor allem aber für den härteren Lockdown seit 17. November, bei dem jeder im Land sein Haus nur noch für definierte Ausnahmen verlassen darf.

Mitte November war Österreich bei den Neuinfektionen pro Einwohner eine Woche lang "Weltmeister". Eine repräsentative Flächentestung für die Statistik Austria zeigte eine Prävalenz-Rate von 2,2 bis fast 4%. Die höchsten Werte gab es in Westösterreich – ganz ohne "sündige" Après-Ski-Partys. Inzwischen hat der Lockdown light die Ansteckungen leicht reduziert, vom harten Lockdown wird eine deutlichere Senkung erwartet. Dass Österreich aber Deutschlands extrem harte Einstufung von Risikogebieten bis Weihnachten erfüllt, scheint ausgeschlossen. Aktuell liegt der Wert noch über 400, Spitzenwert war am 12. November 566.

Foto: unsplash dimitry anikin

Werden Ferienhotels
pro-aktiv schliessen?

In Österreichs gesamter Tourismusbranche herrscht Ratlosigkeit. Dass die meisten Stadthotels gerne bis Ende Februar geschlossen halten wollen, vermag nicht zu überraschen. Ferienhoteliers denken inzwischen ähnlich: Hinter der Hand diskutieren zumindest einige, ihr Haus über Weihnachten und Silvester bis zur zweiten Januar-Hälfte zu schliessen. Diese Hoteliers gehen dabei auch davon aus, dass sie in den Genuss erneuter staatlicher Unterstützung kommen, wie es bereits die November-Hilfen versprochen haben. Insider allerdings bezweifeln, ob diese Rechnung aufgeht.

Andere Tourismus-Branchen wie die Seilbahnen fühlen sich finanziell nicht so gut aufgefangen. "Der November ist normal ein besonders starker Monat bei uns, aber wir erhalten für die Schliessung eine Entschädigung von 800.000 Euro, verlieren aber fünf Millionen Euro", führt der Vorstand der Kitzsteinhorn Gletscherbahnen, Norbert Karlsböck, an. Deshalb steht für ihn ausser Frage: "In dem Augenblick, in dem wir wieder dürfen, öffnen wir sofort. Egal was in Deutschland ist." Auch um den Hotels in der Region zu signalisieren, dass reines Hoffen auf Unterstützungsleistungen fatal wäre.

Die Menschen selbst würden sehnlichst darauf warten, wieder in die hochalpine Natur zu kommen. "Unser Oktober lief mehr als gut, nicht nur durch Mannschaften, das Angebot wurde vom Publikum bestens angenommen. Auch zahlreiche Gäste auch Tschechien und Deutschland kamen", ist Karlsböck noch immer vom abrupten Lockdown Anfang November erschüttert: "Wir hatten keinen einzigen Rückverfolgungsfall, das Hygiene-Konzept hat hervorragend funktioniert".

Après-Ski wäre für diesen Winter ohnehin kein Thema und Karlsböck hofft weiterhin, dass es noch im Dezember weitergehen kann. Er wolle nicht jammern, aber der grösste Ärger sei die absolut fehlende Planungssicherheit – auch für die Mitarbeiter.

3 von 4 Hotels illiquide?

Insgesamt geht die Österreichische Nationalbank davon aus, dass 5,5% aller Unternehmen im Jahr 2020 ohne Finanzhilfen insolvent gegangen wären. In der Realität war die Zahl aber sogar rückläufig. Für 2021 spricht die ÖNB nun von einer Insolvenzrate von rund 10%; komplett ohne öffentliche Hilfen könnte sich diese Rate auf 14% steigen. Der Bankensektor habe dafür 50 Milliarden Euro Rücklagen geschaffen.

Ein beträchtlicher Anteil dieser insolventen Betriebe könnte aus dem Bereich Hotellerie und Gastronomie stammen. "Es ist keine Frage: Wir steuern mitten auf das Worst-Case-Szenario zu", spielt Thomas Reisenzahn, Geschäftsführer der Prodinger Tourismusberatung, auf die zweite Prognose-Rechnung seines Unternehmens an. Diese wurde im öffentlichen Auftrag erstellt und im parlamentarischen Tourismusausschuss präsentiert.

Bei den Nächtigungen wurde das Worst-Case-Szenario mit -45,9% gegenüber der vollen Wintersaison 2018/19 bzw. -33,9 % gegenüber dem Rumpfwinter 2019/20 errechnet. In mehreren Studien wurde diese Situation auf "Musterbetriebe" heruntergebrochen. Reisenzahn fasst das so zusammen: "Wir gehen bei 45% geringerem Umsatz von einem halbierten Betriebsergebnis aus. Das würde bedeuten, dass nach der Wintersaison drei von vier Hotels illiquide wären." In diesen Berechnungen seien der Fixkostenzuschuss 1, nicht aber die jüngsten Hilfen enthalten. / Fred Fettner

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