Österreichische Reiselust 2020 Viele bleiben unbeeindruckt
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Österreichische Reiselust 2020: Viele bleiben unbeeindruckt

Wien. Die Österreicher reisen mindestens so gerne weit weg wie sie im eigenen Land bleiben. Frühbuchungen steigen. Umweltbewusstsein und Urlaubsverhalten widersprechen sich immens. Das sind nur drei Ergebnisse aus dem alljährlichen Ausblick auf die Reiselust der Österreicher.

Ruefa, das Markendach, unter dem Österreichs grösster, vertikal integrierter Tourismuskonzern seine Reisebüro- und Veranstaltertätigkeit zusammenfasst, präsentierte letzte Woche seinen Ausblick.
"Thomas Cook – who cares?" So provokant startete Vorstand Helga Freund die Präsentation des Ruefa Reisekompass 2020. Die Auswirkungen der Pleite des Reiseriesen waren in Österreich kaum zu spüren. "Bei uns wurde die Insolvenz optimal abgewickelt", bestätigte Freund – und auch, dass dadurch die Reisebüros kaum an Vertrauen eingebüssten.

Ganz im Gegenteil, stehen nun österreichische Reisemittler sogar als sicherer da als deutsche. Denn der Verbraucherschutzverein hat für österreichische Betroffene, die ihre Reisen direkt in Deutschland buchten, zwei Musterprozesse gegen den deutschen Staat eingeleitet. Insgesamt soll das bei 5.000 Österreichern der Fall gewesen sein, so Peter Kolba, Obmann des VSV. Der VSV vertraut nicht der Mitteilung der Bundesrepublik, Geschädigte schadlos zu halten. Da laut Kolba Deutschland die Pauschalreise-Richtlinie der EU eindeutig ungenügend umgesetzt habe, wurden vor einer Woche Staatshaftungsklagen als Musterklagen für die Betroffenen erhoben.

Frühbuchungen steigen

Ungeachtet dieser Scharmützel deutet die repräsentative Online-Umfrage der Ruefa wie schon in den abgelaufenen Jahren auf Wachstum hin. 90% gaben an, 2020 eine Urlaubsreise buchen zu wollen. Das sind etwa 1-2% mehr als in den Vorjahren. Die eklatante Differenz zu den tatsächlich urlaubsreisenden Österreichern, die Statistik Austria ausweist, erklärt sich in der fehlenden Mindestaufenthaltsdauer beim Ruefa Reisekompass – und der Differenz zwischen Reisewunsch und Realisierung.

Der durchschnittliche Haupturlaub dauert demnach 12 Tage, hinzu kommen 6 Tage an zusätzlichen Reisen. Alljährlich wächst auch das vorgesehen Reisebudget – zumindest bei den Befragungen. 1.620 Euro stehen demnach pro Person als Urlaubsbudget zur Verfügung. Ein Trend verfestigt sich seit einigen Jahren: der zur früheren Reisebüro-Buchung. Der Haupturlaub wird von mehr als der Hälfte über drei Monate vor Reisebeginn gebucht. Frühbucher-Rabatte sind dafür nicht der Hauptgrund, sondern die grössere Auswahl an Angeboten.

Überraschend gaben sich auch die Jüngsten als Frühbucher zu erkennen. Deren Hauptmotiv sei, das Jahr finanziell vorausplanen zu wollen. Bei den Motiven ist in dieser Gruppe "Neues entdecken" stärker vertreten, doch generationsübergreifend dient der Urlaub überwiegend der Erholung.

Griechenland, ein beliebtes Reiseziel für Österreicher.Im Foto: das integrierte Resort Costa Navarino.Foto: Costa Navarino

Malediven oder Heimaturlaub

Die "Traumziele"? Je weiter, desto besser. Australien, Neuseeland, vor allem aber die einsamen Eilande der Malediven. Wobei die Malediven den Realitätstest in den Ruefa-Reisebüros bestehen: Bei den Badeziel-Buchungen für den laufenden Winter liegen die Malediven mit starken Zuwächsen sensationell vor Spanien und Thailand an der Spitze. Erst danach kommen Ägypten, Mauritius und die USA.

Bei den "Träumen" fehlt die Kreuzfahrt als Destination. Die Extrafrage zeigt, rund ein Fünftel war schon auf Kreuzfahrt, der Rest teilt sich exakt zwischen solchen, die theoretisch Interesse hätten und strikten Verweigerern. Wobei die entscheidende Frage fehlt: Wie viele der bereits auf Kreuzfahrt gewesenen Passagiere, sagen "Nie wieder"? Denn Helga Freund verriet: "In der Argumentation gegen Kreuzfahrten wurde 'zu laut', 'zu eng', 'zu viele Menschen', 'nicht authentisch' angeführt. 41% führten aber definitiv ökologische Gründe ins Treffen."

Österreichische Hoteliers interessiert an der Umfrage, wie sich die Stimmung für den Sommerurlaub in Österreich anlässt. Während der Wunsch nach einer Fernreise auffällig zulegte, sei das Interesse am Heimaturlaub unverändert. Bei den geplanten Reisezielen sei eine leichte Verschiebung von den Bergen in die Thermen-Regionen oder auch an die Seen zu bemerken. "Tirol verlor bei den Wunschzielen diesen Jahr", vermerkte die Tirolerin Freund schmerzlich.

Nachhaltiges Reisen bedeutet Respekt

Angesichts des Zugs in die Ferne könnte man glauben, die globale Diskussion um den CO2-Fussabdruck habe um Österreich einen grossen Bogen gemacht. Werden jedoch konkrete Fragen zu ökologischen Themen gestellt, sieht die Lage wieder anders aus: 60% geben an, im Alltag Wert auf Nachhaltigkeit zu legen, bei ihren Urlaubsreisen sind es aber nur – grosszügig gerechnet – 45%. Konkret gaben ganze 14% an, bei ihrer letzten Urlaubswahl "grossen Wert auf Umweltfreundlichkeit" gelegt zu haben.

Bemerkenswert ist bei Reisen die auffällige Ignoranz der tatsächlichen Umwelt-Belastungen. Schon allgemein landet bei der Frage nach den grössten Umweltproblemen der Urlaubs- und Reiseverkehr mit 31% hinter Müll, Konsum, Lebensmittelproduktion, Güterverkehr, Energie und gleichauf mit dem Individualverkehr.

Bei den Aspekten des nachhaltigen Reisens wurde das soziale Thema am höchsten gewichtet, gefolgt vom Tier- und Pflanzenschutz und der Förderung der regionalen Wirtschaft. Mit grossem Abstand folgen erst umweltfreundliche Hotels und die umweltfreundliche Anreise.

Wenn 10% angeben, "Back to basics" sei für sie sehr interessant, dann verstehen sie das in erster Linie als Technologie-Verzicht. Auf das Handy lässt sich auf einer einsamen Malediven-Insel leichter verzichten. Bei der umweltfreundlicheren Anreise sieht Ruefa die Bahn als leichten Wachstumsmarkt.

Mehr als die Hälfte kann sich vorstellen, auch ins nähere Ausland per Bahn zu reisen: Zwei Drittel sagten, sie würden bei vergleichbaren Angeboten die Bahn bevorzugen. Bei den Vorzügen der Bahn geben 41% Umweltschutz an, aber immerhin jeder Fünfte erkennt den Vorteil gegenüber Flügen, ohne Gepäcklimit unterwegs zu sein. In der Realität wählen aber 49% das Auto und 45% das Flugzeug für die Anreise in den Urlaub.

Overtourism unterschiedlich definiert

Sensibler als beim eigenen nachhaltigen Reisen erweisen sich die Befragten beim Overtourism. Rund ein Drittel sagt, schon mal Overtourism erlebt zu haben und zwei Drittel vermeiden gefährdete Destinationen bewusst. Touristen sehen dabei diese Probleme: 80% beklagen überfüllte Plätze, Strände und Verkehrsmittel, aber schon 62% schimpfen über die Preise sowie Warteschlangen bei Sehenswürdigkeiten. Es geht also um massentouristische Phänomene, während Overtourism wissenschaftlich für die Belastung der Einheimischen steht.

Wobei die 1.500 Teilnehmer der Online-Befragung belegen, dass ältere Reisende eher auf überlaufene Urlaubsziele verzichten als jüngere. Andererseits gaben 21% der 18-29-Jährigen an, dazu bereit zu sein, für Flüge mehr zu bezahlen, um einen finanziellen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Die Möglichkeit dazu bestünde längst. Dazu zwei Zahlen aus Deutschland: Es gab zuletzt 220 Millionen Flugreisen, kompensiert wurde davon geschätzt weniger als eine Million. Es flossen laut "Tagesspiegel" 2018 aus Deutschland 9,5 Millionen Euro aus freiwilligen Kompensationszahlungen in globale Nachhaltigkeitsprojekte.

Der Kluft zwischen Umweltbewusstsein und Urlaubsverhalten ist sich Helga Freund durchaus bewusst: "Es gibt immer mehr – häufig ältere – Menschen, die in unseren Reisebüros auf ihr schlechtes Gewissen wegen ihrer Reisepläne hinweisen. Es werden auch immer häufiger alternative Angebote angefragt – und wir sehen das durchaus als Auftrag, ständig mehr dieser nachhaltigen Produkte zu entwickeln."

Das konkrete Buchungsverhalten in den Ruefa-Reisebüros zeigt mit Stand vom 14. Januar 2020 jedoch keinen Wandel hin zu nahen Reisezielen: Griechenland verstärkt seine Dominanz weiter, Spanien zeigt sich leicht erholt, Ägypten wächst deutlich, Italien ist bisher der grosse Verlierer. Aber auch Urlaube von Österreichern in Deutschland sind deutlich rückläufig. / Fred Fettner

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