OTAs in der Corona Krise Chance für eine neue Ära
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OTAs in der Corona-Krise: Chance für eine neue Ära?

Wiesbaden. Sie gelten als die grossen Disruptoren der Branche: Airbnb und Oyo. Doch in Zeiten der Corona-Krise sind die vollmundig verkündeten Pläne dieser virtuellen Beherbergungsriesen zur Makulatur geworden. Und: Das Virus dürfte ihren Aktivitäten einen langfristigen Dämpfer versetzen. Auch die Abhängigkeit der Hotellerie von OTAs wie Booking.com könnte künftig abnehmen, wenn die Hoteliers alle an einem Strang ziehen würden.

Airbnb hat vielen Vermietern in den vergangenen Jahren zu ungeahnten Einkünften verholfen. Studenten-WGs, aber auch in finanzielle Schwierigkeiten geratene Familien verdienten sich durch die Beherbergung von Touristen ein Zubrot, Eigentumswohnungen in Grossstädten wurden zuhauf in Ferienwohnungen umgewandelt, um vom boomenden Städte-Tourismus zu profitieren. Doch dem hat das Virus jetzt einen Riegel vorgeschoben. In den Medien werden zunehmend Stimmen von enttäuschten Vermietern laut, die sich vom Vermietungsgiganten in der Not im Stich gelassen fühlen und ihre Zimmer oder Wohnungen künftig lieber langfristig an Dauermieter vergeben möchten.

In der Tat wirken die von Airbnb im Zuge der Krise unternommen Massnahmen und Verlautbarungen auf der Homepage nicht besonders vertrauensbildend. Die Auskünfte zu den Stornobedingungen klingen eher, als ob das Unternehmen mit sich selbst kämpft als dass es Solidarität mit seinen grössten Kunden, den Vermietern, zeigt.

Airbnb-Umsätze fallen signifikant

Und in der Tat scheint Airbnb in Schwierigkeiten zu stecken, die nicht allein durch Corona ausgelöst wurden. Wie die deutsche Finanzzeitung Handelsblatt am 24.3.2020 berichtet, ist der für 2020 geplante Börsengang von Airbnb gefährdet. Zu den Einbrüchen durch Corona liefert die Zeitung Zahlen des Marktanalysten Airdna, die ihr exklusiv vorliegen: In Deutschland lag der Umsatz auf der Plattform laut Airdna Mitte Februar noch bei 31 Millionen Euro, Ende vergangener Woche lag er nur noch knapp über 13 Millionen Euro. Airbnb nimmt von diesem Umsatz eine Kommission, die zwischen 14 und 20 Prozent liegt.

Die Corona-Krise wird zeigen, wie nachhaltig die Geschäftsmodelle von Airbnb und Oyo sind.Fotos: Airbnb, Oyo

In anderen europäischen Märkten bricht Airbnbs Geschäft ähnlich stark ein: In Frankreich, wo mit Paris eines der wichtigsten Airbnb-Reiseziele weltweit liegt, sank der Umsatz binnen vier Wochen von rund 120 Millionen auf 55 Millionen Euro. Auch in Italien und Spanien halbierte er sich von jeweils rund 60 auf unter 30 Millionen Euro.

Die Airdna-Zahlen zeigen auch, dass sich einige Vermieter bereits von Airbnb abwenden: In Deutschland sank die Zahl der Vermieter zwischen Januar und März 2020 von 162.000 auf 151.000. In grösseren Märkten ist der Trend ähnlich: In den USA sank die Zahl von 1,045 Millionen Unterkünften auf rund eine Million ab, in China von 700.000 auf unter 600.000. Airbnb kommentierte die Airdna-Zahlen nicht.

Vor der Corona-Krise, so das Handelsblatt weiter, versprach der Airbnb-IPO der grösste Technologie-Börsengang des Jahres zu werden. Die Plattform sei schon heute eines der wertvollsten Startups der Welt: Mit 31 Milliarden Dollar oder 105 Dollar pro Aktie wurde die Reise-Plattform in ihrer letzten Finanzierungsrunde Mitte 2016 von Investoren wie Andreessen Horowitz oder Googles Investment-Arm Capital G bewertet.

Bei der Übernahme der Buchungsplattform Hotel-Tonight im März 2019, die Airbnb teilweise in eigenen Aktien tätigte, wurde der Wert von Airbnb sogar mit mehr als 35 Milliarden Dollar oder 120 Dollar pro Aktie taxiert und bei einzelnen Transaktionen auf dem Sekundärmarkt sei der Wert der Airbnb-Aktie auf bis zu 166 Dollar gestiegen, was einer Gesamtbewertung von 52 Milliarden Dollar gleichgekommen wäre.

Dann jedoch sei Airbnb bereits im zweiten Halbjahr 2019 aus den unterschiedlichsten Gründen in die Negativ-Schlagzeilen geraten. So seien z.B. bei einer Halloween-Party in einer Airbnb-Wohnung in den USA fünf Menschen erschossen worden, zudem hätten erhöhte Marketing-Ausgaben für höhere Verluste als bisher gesorgt.

Wertverluste müssen inzwischen aber auch andere OTAs hinnehmen. So haben die Buchungsplattformen Booking und Expedia laut Handelsblatt seit Mitte Februar 40 bzw. 60 Prozent ihres Wertes verloren.

Booking treibt die Gäste zurück

Ob und welche OTAs nach der Krise schnell wieder Oberwasser gewinnen können, hängt auch davon ab, wie sie sich in schwierigeren Zeiten gegenüber ihren Geschäftspartnern verhalten. Denn die Hotellerie wittert bereits – zu Recht – die Chance, nach der Krise mehr Direktbucher gewinnen zu können. "Viele Kunden haben uns direkt angerufen, was in dieser Welt sonst nie passiert. Wir alle sind es gewohnt, unseren Gast zu sehen, wenn er im Hotel auftaucht. Wir wissen nichts über ihn – er hat bei Expedia oder Booking gebucht. Jetzt ist es wie eine Rückkehr in die alte Zeit. Man spricht mit den Menschen", sagt Giancarlo Carniani zu Phocuswire.

Carniani ist Manager einer kleinen italienischen Hotelgesellschaft und Präsident der Confindustria Alberghi Firenze, des Hotelverbands der Region Florenz mit etwa 150 Mitgliedsbetrieben, von kleinen unabhängigen Hotels bis hin zu grossen wie Marriott oder Four Seasons. Er ist auch der Analyst von Phocuswire für Italien. "Da die OTAs einen so grossen Betrag an Stornierungen erhielten, konnten sie nicht mehr damit umgehen. Wir reden viel über Technologie, aber wir sind in diesem Fall als Menschen zurückgekehrt", erklärte er.

Beim direkten Kontakt mit den stornierenden Gästen seien viele zu Beginn der Krise damit einverstanden gewesen, dass die Hoteliers die erhaltenen Beträge für laut Vertragsabschluss nicht stornierbare Zimmer einbehalten und mit einer Buchung nach der Krise verrechnet werden dürften. Doch dann habe Booking auf seiner Homepage verkündet, dass jeder Gast entschädigt würde, selbst wenn er der Gutschrift bereits zugestimmt habe.

Eine Mega-Chance für die Branche

Das brachte die Hotels auf die Palme. Allein in seinen beiden grösseren Hotels machten die Buchungen über Booking 20 Prozent aus, im kleineren Boutique-Hotel 40 Prozent. Dieses Vorgehen von Booking habe eine kleine Rebellion in Italien ausgelöst. "Deshalb denke ich, dass nach dem Coronavirus nichts mehr so sein wird wie vorher. Wir wollen wirklich bei Punkt Null anfangen. Es ist eine wirklich starke Stimme, mit der die Hoteliers fordern, dass wir etwas tun müssen. Wir haben den Eindruck, dass Booking.com sich zu sehr um den Aktienmarkt kümmert".

Ctrip und Expedia seien bei den Stornierungen sensibler mit den Hoteliers umgegangen und hätten sie gebeten, mit den Stornierungen so umzugehen, wie es für sie am besten sei. Grundsätzlich sei die italienische Hotellerie jetzt völlig am Boden und dies sein ein Zustand, in dem man komplett neu starten könne. "Als es die Internet-Revolution gab, waren die Hoteliers nicht präsent. Die OTAs und andere Distributoren übernahmen diesen Bereich, und für uns war es schwierig, mit unserer eigenen Marke aufzutreten. Ich denke, nach dem Coronavirus wird es überall auf der Welt eine neue Renaissance geben und der Vertrieb wird sich komplett verändern."

Geschwächte OTAs rufen nach Hilfe

Das scheint auch bereits das indische Start-up Oyo zu fürchten, zumindest für Deutschland. Dem deutschen Wirtschaftsmagazin Capital zufolge hat das Unternehmen seine Expansionspläne in Deutschland endgültig eingestampft. Noch im Frühjahr 2019 habe Oyo-Gründer Ritesh Agarwal angekündigt, in Deutschland künftig etwa zehn Hotels pro Monat für seine Plattform zu gewinnen, sei daran jedoch gescheitert. Auf Nachfrage von Capital bestätigte Oyo den Strategie-Wechsel und liess wissen, dass man sich künftig auf die Vermittlung von Ferienunterkünften konzentrieren werde. In Deutschland hatte Oyo von Axel Springer in diesem Segment den Ferienhausvermittler @Leisure gekauft.

Und: Inzwischen werden sogar Rufe nach staatlicher Unterstützung durch die OTAs bekannt. So meldet Phocuswire am Dienstag, dass globale Vertriebssysteme, Online-Reisebüros und andere Akteure des digitalen Reisesektors die Europäische Kommission auffordern, sie in die Pläne zur finanziellen Unterstützung nach dem Ausbruch des Coronavirus einzubeziehen. Die Lobby-Organisation EU Travel Tech, zu der Mitglieder wie Amadeus, Travelport, Booking.com, Expedia Group, Skyscanner, Tripadvisor und eDreams ODIGEO gehören, sagt, dass der Covid-19-Ausbruch eine "aussergewöhnliche Herausforderung für unsere Gesellschaft und Wirtschaft" darstelle.

Mit Corona stolpert Airbnb über den Vertrauensbruch

Zur Zukunft von Airbnb hat hospitalityInside.com einen Experten befragt: Jeroen Oskam, Director Research Centre an der Hotelschool The Hague und Autor des Buchs "Die Zukunft von Airbnb und der 'Sharing Economy': Der gemeinschaftliche Verbrauch unserer Städte". Drei Jahre recherchierte er für das Buch, deshalb lautet seine – zugegeben etwas spekulative – Vision in diesen Tagen so: "Das oberste Ziel war der Börsengang, denn Airbnb erscheint wie eine 'Cowboy Company', deren Mythos des gesellschaftlichen Mehrwerts in den letzten Jahren ausgehöhlt wurde. Alle PR-Aktivitäten waren darauf ausgerichtet, die Kontroversen mit den Behörden zu entschärfen, ohne die eigene Position zu gefährden, bei der alle Risiken auf Gastgeber und Gäste externalisiert wurden."

Und weiter: "Nun mag dieser Traum vom Geld unter dem Vermeiden jeglicher Debatten in die Brüche gegangen sein. Neben der allgemeinen Reiselähmung beruhte der Aufenthalt in unregulierten Einrichtungen auf einem auf Bewertungen basierenden Vertrauen. Angesichts der dramatischen Gesundheitsprobleme bricht auf diese Weise das Vertrauen zusammen... Wir werden wahrscheinlich keine Airbnb-Zahlen mehr sehen wie vor dieser Krise". / Susanne Stauss

 

"Airbnb Politik der mildernden Umstände",
Stand 19.3.2020


Buchungen von Unterkünften und Entdeckungen auf Airbnb, die am oder vor dem 14. März 2020 getätigt wurden und deren Check-in-Datum oder Termin zwischen dem 14. März 2020 und dem 14. April 2020 ist, sind durch die Richtlinien abgedeckt und können vor dem Check-in bzw. vor Beginn storniert werden. Gäste, die stornieren, erhalten eine vollständige Rückerstattung. Gastgeber können kostenlos und ohne Auswirkungen auf ihren Superhost-Status stornieren. Airbnb erstattet alle Servicegebühren bei Stornierungen, die unter die Richtlinien fallen.

Für Buchungen, die nach dem 14. März 2020 getätigt wurden, und für Buchungen, die am oder vor dem 14. März 2020 mit Check-in-Datum oder Starttermin nach dem 14. April 2020 getätigt wurden, gelten die regulären Stornierungsbedingungen des Gastgebers. Stornierungen, die vor dem 14. März 2020 durchgeführt wurden, werden entsprechend der zum Zeitpunkt der Durchführung geltenden Abdeckung der besonderen Umstände behandelt.

Die Richtlinien für besondere Umstände gelten nicht, wenn eine Buchung bereits angetreten wurde.
Buchungen von Unterkünften und Entdeckungen auf Airbnb, die nach dem 14. März 2020 getätigt wurden, sind nicht durch unsere Richtlinien für besondere Umstände abgedeckt, es sei denn, der Gast oder Gastgeber ist derzeit mit COVID-19 infiziert. Zu den besonderen Umständen rund um COVID-19, die nicht abgedeckt sind, gehören: Verkehrsstörungen und Stornierungen von Transportmöglichkeiten, Reisehinweise und -einschränkungen, Gesundheitshinweise und Quarantänen, Änderungen des geltenden Rechts und andere Vorschriften von Regierungen wie Evakuierungsanweisungen, Grenzschliessungen, Verbote von Kurzzeitvermietungen und Ausgangsbeschränkungen. Es gelten die regulären Stornierungsbedingungen des Gastgebers.

Unsere Richtlinien für besondere Umstände sollen Gäste und Gastgeber vor unvorhersehbaren Situationen schützen, die nach der Buchung auftreten. Da die Weltgesundheitsorganisation COVID-19 mittlerweile zu einer globalen Pandemie erklärt hat, gelten die Richtlinien für besondere Umstände nicht mehr für neue Buchungen, da COVID-19 und seine Folgen nicht mehr unvorhergesehen oder unerwartet sind. Bitte prüfe bei Buchungen die Stornierungsbedingungen des Gastgebers sorgfältig und wähle im Zweifelsfall lieber eine flexiblere Option.

(Quelle: Airbnb)

Informationsstand: 25.3.2020

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Amsterdam. Am Anfang fanden alle Airbnb "cool", sehr spät fanden Hoteliers und Städte heraus, dass sie das Geschäftsmodell eines Marketingprofis nicht verstanden und unterschätzt hatten. Mit Slogans wie ""Living like a local" eroberte Airbnb die Reisenden im Sturm – und beschleunigte den Übertourismus. Der Disruptor aus San Francisco lehnt bis heute Hoteliers und Politiker abblitzen. Genau dieser Mangel an Transparenz und Geheimniskrämerei wird für Airbnb die grösste Herausforderung sein, die nächsten Jahre zu überleben, jeder milliarden-schweren Evaluierung zum Trotz. Als Hybrid eines Hospitality-Unternehmens und OTAs für Ferienwohnungen steht Airbnb derzeit seinem eigenen Wachstum im Wege. Davon ist Dr. Jeroen Oskam, Director Hospitality Research an der Hotelschool The Hague in den Niederlanden, überzeugt. Drei Jahre lang hat er für das druckfrische Buch "The Future of Airbnb and the 'Sharing Economy' Ursachen und Auswirkungen dieses Phänomens erforscht und analysiert – und erklärt es hospitalityInside.com.

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