Recruiting geht anders Die 1 TalentPro zeigte wie kreativ andere Branchen Mitarbeiter finden
HI+

Recruiting geht anders

Die 1. "TalentPro" zeigte, wie kreativ andere Branchen Mitarbeiter finden

Im Recruiter Salon teilten Profis ihre Erfahrungen mit den meist jungen Zuhörern.Foto: børding Messe

München. Personal-Recruiting geht heute anders: Da suchen Scouts bei Events nach Talenten, filtern Fotos über Google Image, Grossunternehmen setzen Chatbots für Telefon-Interviews ein und Karriere-Websites müssen in drei Sekunden geladen sein. Die "TalentPro" München, das erste "Expofestival für Lösungen im Recruiting, Talent Management & Employer Branding" zog die Massen an, die aus den Vorträgen etliche Ideen mit nach Hause nehmen konnten. Die HSMA Deutschland organisierte dort ein eigenes Nachmittagsprogramm – erlaubte aber keinen Einblick.

Die Schlange war mehr als hundert Meter lang. Nur langsam rückten die überwiegend jungen Menschen bis zum Eingang in den alten Postpalast in München vor. Drinnen ging es dann weiter: Lange Schlangen vor der Garderobe. Menschenmassen, die sich um die Vortragsbühnen drängten, auf dem Fussboden lagerten und die benachbarten Gänge blockierten. Auch der Recruiter Salon, ein langer, schmaler Raum mit ein paar Sitzhockern, platzte den ganzen Tag über aus allen Nähten.

"Das wird knackig voll", hatte Alexander Petsch, "Chief Enabling Officer" der TalentPro, für den 22. März prophezeit. 1.400 Tickets habe man ausgestellt und etliche Interessenten abgewiesen. Grund für die grosse Nachfrage war jedoch nicht nur das Thema, sondern auch der Dumpingpreis, der laut Pressemeldung bei 15 Euro lag – für eine Fachmesse ein echtes Schnäppchen. Der – nicht repräsentative – Blick auf die Namensschilder der Besucher zeigte auffallend viele junge Mitarbeiter von Personal-Dienstleistern oder Start-ups. Es sei schon sinnvoll, eine eigene Messe zum Thema Rekrutierung anzubieten, sagte der Manager einer Jobbörse. Er habe am Stand einige interessante Gespräche geführt, aber auch junge Recruiter mit grossem Ego und geringer Ahnung erlebt.

Wer es bis in die Nähe einer Vortragsbühne schaffte, konnte so mancher interessanten Präsentation lauschen. Oscar Mager, Gründer eines Online-Matratzenhandels und "Global Talent Acquisition Specialist" aus den Niederlanden, gab einen Einblick in "Visual Sourcing", also wie man anhand eines Fotos im Web mit den richtigen Klicks vielfältige Daten zu der abgebildeten Person und damit vielleicht ein Talent finden kann. Eine besonders gute Quelle seien Events, so Mager. Da brauche man nur das Foto ausschneiden und bei Google Image suchen.

Gut besucht: der Vortrag von Kerstin Wagner, Chef-Recruiterin bei der Deutschen Bahn.Foto: børding Messe

Unterwegs wie Privatdetektive

Offenbar müssen Recruiter heute eher wie Privatdetektive agieren. Dabei ging es bei etlichen Vorträgen vor allem um das Aufspüren der besonders raren IT-Experten. So referierte Nadine Zimmermann, Senior Recruiterin bei Shopgate, zum Thema: "Forks, Stars, Badges, WTF?! – Sourcing on Stack Overflow and GitHub" und erzählte, wie sie in diesen Communities IT-Experten aufspürt und sie dann "ein bisschen wie ein Stalker" mit individueller Ansprache für einen Job bei Shopgate zu begeistern versucht.

Gabor Toldi, CEO der im Internet nicht auffindbaren Firma DTC Solution Ltd, berichtete von einem Roboter, der in Russland bereits eine Million Bewerber-Interviews geführt habe, indem er automatisch die in der Bewerbung genannte Mobilnummer anruft.

Geschwindigkeit sei alles, betonte Sascha Krause von Google Deutschland. Eine Karriere-Website müsse in drei Sekunden geladen sein. "Bei neun Sekunden verliert man bereits ein Drittel der Bewerber", so der Referent. Und die Generation, die mit der Wisch-App Tinder aufgewachsen ist, wolle auch bei ihrer Bewerbung sofort eine Reaktion und nicht eine Woche auf eine Antwort warten.

Dazu passt die neue Bewerbung2go von Jobware. Jobsuchende können dabei über eine App ihre virtuelle Bewerbungsmappe zusammenstellen, ihren Lebenslauf hochladen und verschiedene Anschreiben formulieren. Dazu gibt es Tipps für die optimale Gestaltung. Wer dann unterwegs auf dem Smartphone einen Job entdeckt, kann sein Anschreiben mit ein paar Klicks bearbeiten, die Mappe hochladen und eine formvollendete Bewerbung abschicken. Das Ganze ist kostenlos und nicht an Stellenangebote bei Jobware gebunden.

Davon profitierten auch die Unternehmen, so Ulrich Rust, Vertriebsleiter von Jobware. Sie bekommen so nicht nur mehr Bewerbungen, die Struktur der Unterlagen entspreche auch den Wünschen der Personalabteilung und liesse sich daher einfach in Talent-Management-Systeme integrieren.

Technologie allein reicht nicht. Um Mitarbeiter zu finden und zu halten, braucht es vor allem eines: Herz.Foto: Best Western Plus Palatin Wiesloch 

Die Bewerber wollen ehrliche Infos

Einen der fundiertesten Vorträge hielt Kerstin Wagner, Chef-Recruiterin der Deutschen Bahn. Dort sind 450 Mitarbeiter an sieben Standorten nur mit der Rekrutierung von neuen Mitarbeitern beschäftigt. 2017 wurden 14.500 Stellen besetzt, 2018 werden es allein in Deutschland 19.000 sein. Bereits seit 2015 können Bewerber dank virtueller Realität in einen Job eintauchen und "auch mal unter einen ICE kriechen". Auch ein Chatbot ist bereits im Einsatz, um Bewerber-Anfragen rund um die Uhr beantworten zu können.

"Als Recruiter müssen wir Pioniere für die Technologie sein", betonte Wagner. Bis 2020 wolle die Bahn Top-Arbeitgeber sein. Dabei zeigte das Unternehmen Mut und präsentierte sich in ihren Spots als Unternehmen, bei dem nicht immer nur alles toll ist: "Klar wir sind nicht perfekt, aber wir arbeiten täglich daran. Wir wollen besser werden. Du auch? Dann passt du zu uns". Das Experiment sei aufgegangen, die Resonanz sehr positiv, so Wagner. "Die Bewerber wollen ehrliche Informationen".

Daran könnten sich vielleicht auch Hotel-Vertreter ein Beispiel nehmen. Im Rahmen der TalentPro hatte die HSMA Deutschland am Nachmittag zu eigenen Vorträgen geladen, bei denen es um "Employer Branding & Recruiting in der Hotellerie" gehen sollte. Leider durfte die Autorin die Vorträge nicht besuchen, weil sich ein zusätzlicher Zuhörer "nicht mit dem Veranstaltungsbudget vereinen lasse", so Lea Jordan, Geschäftsführerin der HSMA Deutschland.

Als Referenten hatte die HSMA u.a. einen lizenzierten "Master-Trainer im Structogram-Bereich" eingeladen. Die "Biostruktur-Analyse", die verspricht, das "individuelle, genetisch-veranlagte Grundmuster der Persönlichkeit bzw. des Verhaltens zu ermitteln", basiert auf einer wissenschaftlich umstrittenen, simplen Dreiteilung des Gehirns. Da war es vielleicht auch gut, sich mehr im bunten und experimentierfreudigen Heute anderer Unternehmen umzuschauen als konservativen Hoteliers und Vorträgen über alte fragwürdige Typologien zuzuhören. / Bärbel Schwertfeger

 

 

{"host":"www.hospitalityinside.com","user-agent":"Mozilla/5.0 AppleWebKit/537.36 (KHTML, like Gecko; compatible; ClaudeBot/1.0; +claudebot@anthropic.com)","accept":"*/*","x-forwarded-for":"3.149.214.32","x-forwarded-host":"www.hospitalityinside.com","x-forwarded-port":"443","x-forwarded-proto":"https","x-forwarded-server":"d9311dca5b36","x-real-ip":"3.149.214.32","accept-encoding":"gzip"}REACT_APP_OVERWRITE_FRONTEND_HOST:hospitalityinside.com &&& REACT_APP_GRAPHQL_ENDPOINT:http://app/api/v1