Skifahren nur noch mit Saisonkarte Wie man in den USA Schweiz Österreich den Winter Umsatz ankurbeln will
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Skifahren nur noch mit Saisonkarte?

Wie man in den USA, Schweiz & Österreich den Winter-Umsatz ankurbeln will

Der Schnee schmilzt, wie machen europäische Ski-Destinationen aus Tages-Skifahrern Mehrfach-Besucher?Foto: Tirol Werbung Mallaun Josef

Ötztal/Tirol. Wie kurbelt man eine Ski-Saison an? Eine amerikanische Lift-Gesellschaft verkauft nur noch teure Saison-Karten und verdient an den Angeboten rund um die Pisten. Europa tickt ganz anders – und versteigt sich ins Crowdfunding. Im schweizerischen Saas-Fee hat das Züge einer Preisschlacht, die Österreicher finden konservative, glaubwürdigere Varianten. Fest steht: Die Hotellerie verdient mit, wenn aus Tages-Skifahrern Mehrfach-Besucher werden. Mit welcher Methode schaffen es Destinationen nun, angesichts schmelzenden Schnees mehr Touristen zu locken? Ein interessanter Blick über den Tellerrand.

Internationale Lift-Gesellschaften zeigen, wie mit auffällig günstigen Liftpässen für den gesamten Winter Kundenbindung geschaffen wird. Während der weltgrösste Bergbahn-Konzern Epic durch sein flächendeckendes Angebot von 14 Skigebieten in Nordamerika und in Übersee am liebsten alle Skifahrer mit einem Saison-Pass ausstatten würde, versuchte Saas-Fee in der Schweiz in diesem Winter erstmals unter dem Deckmantel des "Crowdfunding" mit 222 Franken-(ca. 200 Euro)Pässen Menschen mehrmals pro Winter anzulocken. Die Gasteiner Bergbahnen in Österreich nutzen nun ebenfalls Crowdfunding als Instrument, um Ski-Fans im Tal zu halten, überlassen dem Finanzier aber über ein Gutschein-System noch die Kartenwahl. Trotz unterschiedlicher Ansätze und Voraussetzungen kommen die Bergbahnen in Sachen Kundenbindung auf ähnliche Ergebnisse. Das zeigte das 27. Tourismusforum Alpenregionen im Tiroler Ötztal im April.

Blaise Carrig, Senior Adviser der einst in Vail gestarteten Epic-Gruppe, formulierte an der TFA sein klares Ziel: "Wir versuchen all unsere Gäste auf Saison-Pässe zu bringen. Denn in einem unserer Skigebiete gibt's immer guten Schnee." Hierbei handelt es sich allerdings um amerikanische Dimensionen: Um die Schneeverhältnisse zwischen Kalifornien und Michigan zu eruieren, bedarf es eines Privatjets.

Das US-Unternehmen Epic hat in Europa bereits die ersten Kooperationspartner gefunden.

Doch auch durch die europäische Brille betrachtet, sprechen Argumente für den Saison-Pass, so wie ihn Epic anbietet. Carrig: "Wir haben an stadtnahen Skigebieten ausgebaut. Die Leute fahren dort während der Wintermonate tageweise Ski. Durch den Saison-Pass haben sie dann den Eindruck, im Urlaub kostenlos die Lifte nutzen zu können". Also lockt es sie automatisch in ein Epic-Resort, wo sie dadurch eine höhere Ausgabe-Bereitschaft in der Gastronomie zeigen. In den Alpen haben die Lift-Unternehmen diese Kombination von stadtnahen und hochalpinen Skigebieten bislang nicht entdeckt.

Finanzkräftiger US-Riese
auf Expansionskurs

Mit dem 2016 erstandenen, rund eine Milliarde Euro teuren Whistler / Blackcomb-Resort ist auch das wichtigste kanadische Skigebiet ab nächstem Winter voll in den Epic Saison-Pass integriert. Mit dem Skigebiet Perisher findet sich auch ein Epic-Ableger in Australien. In Asien und Europa hält das Management Ausschau nach je einem passenden Lift-Unternehmen. Wobei schon jetzt in den Alpen Partnerschaften bestehen, etwa mit Ski Arlberg.

An Geld für weitere Zukäufe mangelt es den Amerikanern nicht. Die flüssigen Mittel beziffert Carrig auf 155 Millionen US-Dollar. Das entspricht dem doppelten Jahresergebnis. Seit 2009 werde regelmässig Dividende ausbezahlt, der Verschuldungsgrad liege trotz des Zukaufs von Whistler/Blackcomb nur beim dreifachen EBITDA.

Möglich wird das durch Preise, die im Vergleich zu Europa enorm hoch sind. Denn wenn bei Epic von günstigen Saisonkarten die Rede ist, dann kosten diese aktuell 800 Euro. Diese Preise erhöhen sich bis zum Saison-Start im November traditionell nur geringfügig. Billig sind die Karten aber nur im Vergleich zu den Tageskarten um 179 US-Dollar. Treuherzig bekundet Carrig, nach Preis-Erhöhungen regelmässig mit an der Kasse zu stehen, um mitzuhören; aber noch habe sich niemand über die Preise beschwert. Zum Vergleich: In Österreich haben die Tageskarten im abgelaufenen Winter in den Top-Skigebieten erstmals die 50 Euro-Marke durchbrochen. Von 800 Euro für Saisonkarten wie in den USA dürfte man damit weit entfernt sein…

Epci verkauft 650.000 Pässe pro Saison. Durch die im nächsten Winter erfolgende volle Integration von Whistler/Blackcomb in die Saisonkarte könnte erstmals die Schallmauer von einer Million Saisonkarten durchbrochen werden. 40 Prozent aller Lift-Umsätze werden schon jetzt mit den Saison-Pässen erzielt. Saisonkarten-Besitzer sorgen aber darüber hinaus für den überwiegenden Teil aller sonstigen Einkünfte des Unternehmens. Denn im Skigebiet gehört alles zu Epic, vom Verleih über die Gastronomie bis zu den Unterkünften. So führt Carrig diese Konzern-Struktur als besondere Stärke gegenüber Mitbewerbern an. Diese müssten zwischen den einzelnen Skigebiets-Besitzern bürokratisch verrechnen, seien dadurch auch unflexibel.

Europa tickt ganz anders

Horrende Preise für Skipässe - gesehen in Vail...Foto: Fettner

Europa tickt ganz anders. Das zeigt der grösste österreichische Kartenverbund der "Ski Amadé"-Welt, der fünf Regionen mit 26 Skiorten im Salzburger Land und der Steiermark vermarket. Dieser Verbund verkaufte im Winter 2016/2017 die Rekordzahl von 48.000 Saisonkarten. Das waren etwa 2.000 Stück mehr als im Vorwinter. Der Preis für Erwachsene lag bei 577 Euro. Aktuell steht Ski Amadé vor einer neuerlichen kartellrechtlichen Prüfung der Preisgestaltung durch die österreichische Bundeswettbewerbs-Behörde. Es geht dabei um den Verdacht der Preisabsprache bei den Tageskarten, die nur in jeweils einer Region gültig sind.

Ebenfalls am TFA präsentierte der Direktor der Bergbahnen aus dem schweizerischen Saas-Fee, Rainer Flaig, erstmals die Ergebnisse seiner im Vorjahr gestarteten Saisonkarten-Aktion von 222 Schweizer Franken. "In der noch laufenden Saison wuchs die Zahl der Skifahrer-Tage von unter 350.000 um die Hälfte auf eine halbe Million." Allerdings wurden damit zuerst die Verluste des vergangenen Jahrzehnts kompensiert.

Der Vorverkauf der Karten lief formal als Crowdfunding. Wer sich mit 222 Franken an der Finanzierung der Bergbahnen beteiligte, erhielt als Gegenwert statt Zinsen und Kapital-Rückerstattung die Saisonkarte. Auf einer Crowdfunding-Plattform waren 99.999 Pakete dafür vorgesehen, doch bei 90.000 erfolgte schon der Startschuss. Ein Teil davon wurde von den Bergbahnen für die örtliche Hotellerie reserviert. Weil die Hälfte der Tickets, die man den Betrieben von Saas-Fee zugestanden hatte, nicht beansprucht wurden, waren im Endeffekt nur 75.000 Saisonkarten in Umlauf.

"Die Betriebe hatten wohl kein Vertrauen, dass ihre Gäste diese Saisonkarten haben wollen. Insofern war das Verhalten der Hotellerie enttäuschend. Während der Saison hätten sie dann gerne die 222 Franken-Tickets genommen, aber da hat die Saisonkarte wieder über 1.000 Franken gekostet", feixte Rainer Flaig. Es gab mehrere Varianten dieses Pseudo-Crowdfunding – bis hin zu einem 15 Jahres-Paket: Der älteste Käufer kann nun bis zu seinem 91. Geburtstag in Saas-Fee kostenfrei die Lifte nutzen.

Saas-Fee verkaufte 2016 erstmals Saisonkarten. Die Hotellerie zog nicht mit.Foto: Spielbodenbahn Saas-Fee

Hotels profitieren von günstigeren Saisonkarten

Die örtliche Hotellerie habe von der Aktion mehr profitiert als die Seilbahn, resümierte Flaig. Die Beherbergungsbetriebe freuten sich über +20% in der Auslastung, die Berg-Gastronomie habe noch stärker zugelegt. "Denn die Leute kommen nun öfter, auch bei Schlechtwetter", sagte Flaig. Wobei nicht alle Stakeholder mit der Bergbahn-Politik einverstanden sind. "Qualität hat ihren Preis ist eine Bullshit-Theorie. Man muss innovativ kalkulieren", hielt Flaig Kritikern entgegen. Sein Ansatz: Die Lift-Kapazitäten seien für intensivere Auslastung mehr als vorhanden, jeder zusätzliche Euro Umsatz bedeute Mehrertrag.

Beim Gastgeber im Ötztal, Söldens Bergbahn-Vorstand Jack Falkner, produzierte das Vorgehen von Saas-Fee nur Kopfschütteln: "Ich kann das nicht nachvollziehen. Mich erinnert es an einen Ertrinkenden, der um sich schlägt." Abseits der Hektik erklärte Gilberto Loacker, Gründer von Skiline, wie in Saas-Fee kalkuliert wurde. Der Hintergrund: Das Unternehmen Skiline bietet elektronische Höhenmeter- und Speed-Checks sowie Ski Movie- und Photo Points – und verfügt zudem als Bergbahn-Partner über die Kerndaten von rund 70 Prozent aller Ski-Kunden des Schweizer Skigebiets. "Wir wissen also, dass jeder Gast pro Saison nur 3,5 Tage in Saas-Fee fährt. Wird also für die Saisonkarte ein Preis von zumindest vier Tageskarten erzielt, bringt das schon einen Mehrumsatz," begründet Loacker die 222 Franken.

Bis zum Winter 2015/2016 wurden nur 1.800 Saisonkarten verkauft. Nun eben 75.000. Wobei laut Loacker schon bisher die gedruckten Preise in der Schweiz kaum verrechnet würden: "Zu einer Tarifseite gibt es 49 Seiten mit Rabatten." Der potenzielle Gast werde bereits durch die Warnung "Achtung, teuer!" abgeschreckt.

In Saas-Fee hat sich die Preisschlacht bislang nur beschränkt ausgezahlt. Dem Saisonkarten-Hype steht ein Minus von 75 Prozent bei allen anderen Bergbahn-Einnahmen gegenüber. Das ergebe gegenüber 2015/16 nur noch ein Umsatz-Plus von 5 bis 6 Millionen Franken. Die von grossen Partnern wie Raiffeisen und Ochsnersport unterstützte Medien-Kampagne zum Crowdfunding habe aber acht Millionen Franken verschlungen. Für den kommenden Winter werden in Saas-Fee teurere Lifestyle- und VIP-Pässe platziert, die zusätzliche Leistungspakete enthalten.

Europa ticket anders als die USA, und im Ötztal denkt man auch wieder anders als in der Schweiz.Foto: Tirol Werbung Jantscher Thomas

Gastein versucht's mit ursprünglichem Crowdfunding

Da geht man es beim Crowdfunding im österreichischen Gasteinertal konservativer an. Dort war die Idee vor dem Hintergrund eines Prüfverfahrens für die neue Schlossalm-Bahn entstanden. "Wir haben gemerkt, dass die Leute involviert sein wollen", sagte Vorstand Franz Schafflinger. Durch das neue Alternativ-Finanzierungs-Gesetz bot sich Crowdfunding als die ideale Form an. Innerhalb von drei Tagen war das Volumen von 1,5 Millionen Euro gezeichnet. Dabei gab es anfänglich drei Möglichkeiten der Beteiligung: 4% Zinsen für sieben Jahre bei Geldauszahlung, 6% Zinsen in Naturalien und Rückzahlung des Kapitals in Geld bzw. als dritte Variante Auszahlung von Kapital und Zinsen in Form von Gutscheinen in fünf Jahresraten. Bei der zweimal erfolgten Aufstockung wurde nur noch die letzte Variante angeboten.

"Ein klassischer Vorverkauf. Ziel war es gewesen, 1.000 Leute à 1.000 Euro zu erreichen, im Schnitt wurden es aber 3.000 Euro pro Person. Nun wurde noch zweimal erhöht, Ende April haben wir mit 1,6 Millionen Euro die Sache abgeschlossen," sagte Schafflinger. Mit den Gutscheinen können nicht nur Saisonkarten erworben werden, sondern auch Sommertickets. Kauften anfangs fast nur Einheimische und Besitzer von Zweitwohnungen, zeigte die zweite Tranche bereits Aussenwirkung.

Angestrebt war die Identifizierung der Bevölkerung mit dem Neubauprojekt Schlossalm-Bahn, so sei eine stärkere Gästebindung gelungen. Zur Finanzierung der 85 Millionen Euro wäre laut Schafflinger die Aktion nicht notwendig gewesen. Diese war schon vorher abgesichert. / Fred Fettner

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