Sterne für alle online und offline HOTREC verhandelt mit Online Riesen ein neues gemeinsames System
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Sterne für alle, online und offline

HOTREC verhandelt mit Online-Riesen ein neues, gemeinsames System

Viele Hotels und junge Hotel-Gruppen mögen die klassischen Hotel-Sterne nicht mehr. Für viele Gäste spielen sie sogar trotz Bewertungen noch eine Rolle.Foto: Vlad Kochelaevskiy stock.adobe.com

Wien/Brüssel. In den vergangenen Jahren haben die Gäste-Bewertungen den Hotel-Sternen den Rang abgelaufen. HOTREC, die Dachorganisation der europäischen Hotelverbände, und hotelstars.eu arbeiten aktuell fieberhaft und hinter den Kulissen an Vereinbarungen mit den wichtigsten Online-Riesen, um die Sterne-Kategorisierung auf diesem Weg wieder aufzupolieren. Daran ist auch Google beteiligt. Ziel ist es, eine gemeinsame transparente Lösung für Hoteliers wie Konsumenten zu finden, online und offline.

Bis in die frühen Jahre des Internets waren ausschliesslich Sterne und Preise die Kriterien, nach denen Konsumenten unbekannte Hotels einschätzen konnten. Mit dem Wachsen der Online-Buchungsplattformen und den darauf folgenden Bewertungsportalen überholten – in Punkte gefasste – Gäste-Erfahrungen die bisherige Kategorisierung, welche auf Qualitätskriterien und Tests der Verbände beruhte.

Das Bewertungs- und Buchungsportal TripAdvisor sagt in seiner jüngsten Analyse, dass 81% der Übernachtungsgäste Rezensionen anderer lesen, ehe sie ihre Hotel-Entscheidung treffen. Noch mehr fühlen sich nachträglich in ihrer Buchungsentscheidung bestätigt; etwa gleich viele sagen, dass die Bewertungen, die sie zu Hotels, Restaurants und Ausflugszielen auf TripAdvisor lesen, ihre eigenen Erfahrungen sehr genau widerspiegeln.

Susanne Kraus-Winkler: Google ist selbst nicht glücklich.Foto: privat

Die aktuelle Analyse belegt eine Tendenz, die zuletzt einer Markt-Umfrage für die österreichische Wirtschaftskammer entnommen werden konnte. Der Buchungswillige verlässt sich nicht mehr auf die durchschnittlichen Bewertungspunkte, sondern sucht gezielt nach Einzel-Meinungen. So gaben 39% an, extreme Kommentare zu ignorieren und über die Hälfte aller Befragten lesen mehrere Bewertungen auf unterschiedlichen Unterseiten, um einen umfassenden Eindruck zu erhalten. Im Durchschnitt lesen TripAdvisor-Mitglieder neun Bewertungen, bevor sie eine Entscheidung über eine Hotel- oder Restaurant-Buchung treffen. Selbstverständlich bleibt auch die Durchschnittsbewertung wichtig: Fast acht von zehn TripAdvisor-Usern tendieren dazu, das Hotel mit der höheren Anzahl an Bewertungspunkten zu wählen. Mehr als die Hälfte würde niemals ein Hotel buchen, für das keine Reviews aufscheinen.

Selbst wenn TripAdvisor als wichtiges Portal die Fragen der Umfrage in zwölf Ländern nicht zu seinen Ungunsten entwickelt hat, kommen neutrale Institutionen auf ähnliche Werte: Bei einer Untersuchung der österreichischen Digital-Meinungsforschungsagentur Marketagent gaben zuletzt über 60% an, schon zumindest eine Reise-Bewertung selbst verfasst zu haben.

Kunden achten noch auf Sterne

Vor diesem Hintergrund haben besonders neueröffnete Hotels und junge Hotelgruppe ihr Interesse an der offiziellen Sterne-Klassifizierung verloren. Zu Unrecht, wie die Wirtschaftskammer Österreich überzeugt ist. So habe sie unveröffentlichten Papieren von TripAdvisor entnommen, dass selbst für mehr als die Hälfte der Nutzer dieses Portals die Sterne weiterhin eines der wichtigsten Such- und Auswahlkriterien ist. In einer Studie, die die WKO 2017 bei der Marktforschungs- und Mystery Shopping-Agentur Whitebox Linz beauftragte, sagten zwei Drittel, dass sie Kunden-Bewertungen als wichtiges Instrument ihrer Hotel-Entscheidung nutzen; gleichzeitig gaben vier von fünf Urlaubern an, dass die Sterne für sie ebenfalls von Bedeutung seien. Gerade bei Geschäftsreisenden spiele sich unter einer bestimmten Kategorie nichts ab. Für 80% von ihnen kommen erst Hotels mit 3 oder mehr Sternen in Frage, bei Privatreisenden sind es über 70%.

Interessant ist ein weiteres Detail der Whitebox-Analyse. Man leitete Gäste des Hotels Austria Linz abwechselnd auf eine Seite mit reiner Gäste-Bewertung und auf eine, in der das Haus als 4 Sterne-Hotel kategorisiert erschien. Auffällig war, dass in der anschliessenden Befragung nach Aufenthalt die "4 Sterne-Gäste" den Aufenthalt durchgängig leicht besser bewerteten. Vor allem bei Komfort und Ausstattung. Offen ist, ob dieses Einzelergebnis wirklich als signifikant gelten kann.

Google mit eigenen "Sternen" nicht glücklich

"Wenn ein Geschäftsmann etwa Bangkok bucht, wird ihn nicht die Erfahrung und Zufriedenheit der bisherigen Gäste wählen lassen. Er will die Kategorie wissen", verweist WKO-Hotellerie-Obfrau Susanne Kraus-Winkler auf die ungebrochene Bedeutung der Sterne. In Europa haben vor einem Jahrzehnt 17 Nationen als hotelstars.eu ihre Sterne-Kriterien vereinheitlicht. Seit einiger Zeit laufen nun – von der Öffentlichkeit unbemerkt – Verhandlungen mit wichtigen Online-Konzernen wie Google, TripAdvisor oder Booking, damit die kategorisierten Hotel-Sterne verpflichtend als einzige offiziell auftauchen.

Ein Geschäftsreisender liest keine Bewertungen. Er orientiert sich eher an Kategorien und Sternen.Foto: Hunters Race unsplash

Bei Google gibt es bisher teilweise die sogenannten "estimated" Sterne. "Google ist mit dieser – von den Hotels selbst gewählten – Einschätzung selbst nicht wirklich glücklich", weiss Kraus-Winkler aus den Gesprächen. Denn Google fürchtet, dass diese Vorgaben über kurz oder lang Kunden zu Prozessen animieren.

Der Konsumenten-Schutz ist auf diesem Feld interessanterweise bisher nicht aktiv geworden. Die deutschsprachigen Hotelverbände habe mit Google aber bereits ein Agreement, dass als Sterne nur mehr die von hotelstars.eu aufscheinen. Das soll künftig für die gesamte HSU gelten. Als nationale Lösung hat der deutsche Hotel- und Gaststätten-Verband bei booking.com bereits durchgesetzt, dass Sterne der offiziellen Kategorisierung vorbehalten bleiben. Bewertungen sind durch Punkte gekennzeichnet. In Österreich sieht die WKO beim "Branchenbuch" herold.at eine vorbildliche Lösung: Fährt die Maus über die Sterne, taucht der Hinweis auf die offizielle Kategorisierung auf.

Ziel ist es, für alle Plattformen und Länder eine Gesamtlösung zu schaffen. Google zeigt, wie es möglich wäre, allerdings hapert es noch an der Umsetzung. Denn manuell geht in dieser Dimension nichts. Die notwendige flächendeckende Datenbank der kategorisierten Hotels funktioniert aber noch nicht einmal für die Hotels im deutschsprachigen Raum.

Österreich in der Vorreiter-Rolle

"Die aktuellen Verhandlungen der HSU laufen konkret mit TripAdvisor und Booking.com", sagt Kraus-Winkler. Österreich spielt dabei eine besondere Rolle, ist zumindest bis 2020 das HSU-Generalsekretariat doch noch im WKO-Fachverband Hotellerie angesiedelt. Allerdings müssen sich die internationalen Verbände auf einen neuen Ansprechpartner in Wien einstellen. Denn WKO-Hotellerie-Geschäftsführer Matthias Koch verlässt die Kammer, am 1. August wird Maria Schreiner als seine Nachfolgerin vorgestellt werden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Kraus-Winkler mit der neuen Frauenpower die unmittelbare Service-Qualität für die Mitgliedsbetriebe steigern will.

Jens Zimmer Christensen: Die neuen Kriterien soll mindestens fünf Jahre gültig sein.Foto: Hotrec

Kraus-Winkler selbst ist nicht unbeteiligt an der Rolle Wiens innerhalb der HSU. Denn hotelstars.eu wird von der HOTREC, der Dachorganisation der europäischen Hotelverbände, getragen. Und die engagierte Branchenvertreterin, im "Zivilberuf" geschäftsführende Gesellschafterin der Weinhotel-Gruppe Loisium mit Betrieben in Langenlois und Ehrenhausen, war bis Ende 2018 Präsidentin der HOTREC. Ihr Nachfolger, der Däne Jens Zimmer Christensen, nimmt sich nun verstärkt der Modernisierung der Kategorisierung an.

Die Ursachen für das reduzierte Interesse von Hotels an strahlenden Sternen sind vielfältig: Manchmal, wie beim aktuellen Beispiel Grand Hotel Europa in Innsbruck, ist es Enttäuschung. Dort erkannte die 5 Sterne-Kommission dem letzten 5 Sterne-Hotel der Tiroler Landeshauptstadt den fünften Stern ab, daraufhin verzichtete das Haus generell auf eine Kategorisierung. Unter den neuen Hotels verzichten vor allem gehobene Boutiquehotels, Budget-Hotels mit einer starken Eigenmarke oder Serviced Apartments auf die Kategorisierung.

Neue Kriterien im Praxis-Test

"Es gibt viele Formen von Hotels. Dieser Vielfalt wollen wir schon allein im Interesse der Gäste mehr Platz geben", weiss Kraus-Winkler. Das neue System soll nicht nur die Qualität garantieren, sondern Transparenz und Sicherheit für die Hotels bieten und berücksichtigt Nachhaltigkeitsaspekte wie auch technologische Entwicklungen. Der neue Kriterien-Katalog wird aktuell auf seine Praxis-Tauglichkeit getestet.

"Wir motivieren darin Hotels, freiwillige Initiativen wie Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder Nachhaltigkeitslabels und -zertifikate zu ergreifen. Wir haben die Umweltaspekte insgesamt sehr ernst genommen, insbesondere im Hinblick auf die Abfall-Reduzierung und die Einhaltung der Einweg-Kunststoff-Richtlinie", fasst Jens Zimmer Christensen neue Aspekte der Kriterien zusammen, die von 270 auf 250 Punkte reduziert wurden. Der Spagat werde sein, sich für neue Hotelkonzepte zu öffnen, aber zugleich die traditionelle, oft service-intensive klassische Hotellerie zu schützen.

"Alle Hotels, von 1 bis 5 Sterne, können darauf vertrauen, dass die neuen Kriterien die nächsten fünf, sechs Jahre gelten werden", sagt Christensen. Umgesetzt werden sollen sie von den Mitgliedsländern und möglichst auch den sieben Ländern mit Beobachter-Status im Laufe des Jahres 2020. Voraussetzung ist, dass sie zuvor von der HSU im Rahmen der HOTREC-Generalversammlung im Oktober in Dubrovnik beschlossen werden. / Fred Fettner

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