Weder Klima noch Pleiten trüben die Lust Reise Prognose für den Sommer 2020 bleibt stabil bis auf wenige Details
HI+

Weder Klima noch Pleiten trüben die Lust

Reise-Prognose für den Sommer 2020 bleibt stabil, bis auf wenige Details

Skandinavien ist im Kommen und landet 2020 sogar auf Rang 3 der Reiseziele – noch vor Österreich.Foto: Henrik Trygg imagebank.sweden.se

Berlin. Die Deutschen bleiben ein wichtiger Reise-Massstab: In diesem Jahr buchen sie wieder früher, Spanien und Italien bleiben die begehrtesten Destinationen. Insgesamt wird sich das Reiseverhalten, verglichen mit 2019, kaum ändern. Ganz berechenbar sind die Deutschen aber nicht, denn 42% planen erstmals ein unbekanntes Ziel zu besuchen. Und trotz Klima-Diskussion: Die Fernreisen per Flugzeug steigen weiter nach dem Motto lieber kompensieren als verzichten. Im Incoming ist Vorsicht angesagt: Der Corona-Virus könnte Deutschland deutlich schaden, sollten sich die geplanten drei Millionen Übernachtungen von Chinesen dieses Jahr nicht realisieren. Zwei wichtige Tourismus-Analysen mit ihrer Sommer-Prognose.

Die BAT Tourismusanalyse und FUR Reiseanalyse haben letzte Woche ihre ersten Prognosen für den diesjährigen Sommerurlaub der Deutschen veröffentlicht. Die Daten basieren auf Umfragen, die im November bzw. Dezember 2019 durchgeführt wurden. Also zu Zeitpunkten, als die Thomas-Cook-Pleite noch präsent war, aber noch niemand die Gefahr des Corona-Virus auch nur erahnen konnte.

Doch für den Sommerurlaub 2020 machen diese Entwicklungen keinen Unterschied, sagte Ulrich Reinhardt, wissenschaftlicher Leiter der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen, letzte Woche im Medien-Gespräch: "Es reisen nur 650.000 Deutsche nach China, zwei Drittel davon sind Geschäftsreisende." Grösser seien die Folgen des Corona-Virus wohl für das deutsche Städte-Incoming, könnten doch bis zu drei Millionen Übernachtungen wegfallen. Überhaupt keine Auswirkungen kann Reinhardt durch die Thomas Cook-Pleite des Vorjahres feststellen, obwohl die Schadensfälle noch immer nicht abgewickelt sind. "Es sind keinerlei Vorbehalte gegen Reise-Veranstalter nachweisbar." Die RA unterlegt das mit konkreten Zahlen: 17% planen im Reisebüro zu buchen,
22% eine Pauschalreise.

Theorie und Wirklichkeit

Beide Prognosen schliessen einen neuerlichen Rekord an Urlaubsreisen von mindestens fünf Tagen Dauer nicht aus. Die RA erfragt nicht nur, wer sich geistig schon mit seinem Sommer-Urlaub beschäftigt hat, sondern errechnet einen Trendindikator aus der Schnittmenge der drei abgefragten Kriterien Zeit, Geld und Lust. Diese Schnittmenge befindet sich für 2020 auf absoluter Rekordhöhe. Bei der TA belässt man es beim klassischen Wert mit ähnlicher Schlussfolgerung. Bereits jetzt seien sich fast zwei Drittel aller Bundesbürger sicher, 2020 wenigsten fünf Tage zu verreisen.

21% sind dessen noch nicht sicher. Doch wer sich sicher ist, der bucht wieder früher. "Die Bundesbürger planen und buchen ihre Reisen wieder deutlich früher und setzen eher auf Frühbucher-Rabatte als auf Last Minute-Schnäppchen", bestätigte Reinhardt.

Italien bleibt weiterhin ganz oben auf der Beliebtheitsskala der Deutschen … ebenso wie Spanien.Foto: Agenzia Regionale In Liguria

Spannend ist stets die Beschäftigung mit den geplanten Reisezielen. Wie stark hier Traum und Wirklichkeit voneinander abweichen, ist am deutlichsten im Binnentourismus zu sehen. So gab bei der TA exakt ein Viertel an, den Urlaub in Deutschland verbringen zu wollen. In der Realität wird es aber, wie stets, mehr als ein Drittel der Reisenden sein.

Einen ähnlichen Effekt gibt es auch für Österreich, das nur 3% als ihr Urlaubsziel angeben. Doch der übersichtliche TA-Zehn-Jahres-Vergleich zeigt, dass Österreich in diesem Zeitraum unter den beliebtesten Urlaubszielen der Deutschen am stabilsten war: 2009 ergab dies 4,1% Marktanteil, 2019 waren es 4,2%. Alle anderen Gewinner wie Kroatien, Frankreich, Benelux, Skandinavien und Griechenland registrieren geringere Marktanteile als Österreich, wobei Reinhardt für 2020 erwartet, dass Skandinavien und Griechenland Österreich überholen werden. Die wichtigsten Urlaubsdestinationen haben in dieser Dekade ebenso Marktanteile eingebüsst wie Deutschland, das gemäss TA von 36,7 auf 34,4% Marktanteil fiel.

Ein Drittel bleibt in Deutschland

Bei den geplanten Reisezielen der Deutschen stehen wie gewohnt Spanien und Italien an der Spitze, diesmal gefolgt von Skandinavien, Griechenland und Österreich. Erstaunlich, dass aktuell nur 2% angeben, eine Türkei-Reise zu planen. Die RA erwartet, dass sich das Gesamtbild der Urlaubsreisen 2020 von dem in 2019 kaum unterscheiden wird. Urlaubsreisen in Deutschland werde laut RA mit etwa 30% den ersten Platz der Hitparade einnehmen. Es folgen Spanien, Italien, die Türkei und Österreich. Kroatien und Griechenland spielen in der Top-Liga mit. "Das konstante Gesamtbild darf nicht über die individuelle Neigung der Urlauber zur Abwechslung hinwegtäuschen: 42% planen, in diesem Jahr ein Ziel zu besuchen, in dem sie noch nicht gewesen sind", hob der wissenschaftliche Leiter der RA, Martin Lohmann, die Flexibilität im Reiseverhalten hervor.

"Der Trend zu mehr Fernreisen wird sich fortsetzen. Jeder sechste will ausserhalb Europas landen", sagt Reinhardt. Der Prognosewert entspricht hier fast exakt den 2019 durchgeführten Reisen. Im TA-Zehn-Jahres-Vergleich stiegen die Fernreisen von 10 auf 17%, wobei das Wachstum fast ausschliesslich in Asien und Nordamerika erzielt wurde. Bei den TA-Zahlen muss berücksichtigt werden, dass hier auch die nordafrikanischen Mittelmeer-Anrainer zu den Fernreisen zählen. Doch auch die RA kommt auf ähnliche Prognosen.

Der Drang zu Fernreisen ist auch vor dem Hintergrund erstaunlich, da laut Reinhardt die Deutschen von ihrem Urlaubsbudget nicht sprunghaft abweichen. Innerhalb von zehn Jahren sei es von 1.000 auf aktuell 1.208 Euro pro Person gestiegen. Da Fernreisen aber aufgrund des höchsten Tagespreises und der längeren Durchschnittsdauer pro Person 2.175 Euro kosten, fragt sich, wie die Rechnung aufgehen kann.

Zur Aufenthaltsdauer sagte Reinhardt: "Seit Jahrzehnten lässt sich beobachten: Innerhalb einer Dekade reduziert sich die Urlaubsdauer um zwei Tage. Wir sind jetzt bei 12 Tagen angekommen."

Kein Greta-Effekt: 35% der Deutschen planen im Sommer eine Flugreise, der Trend zu Fernreisen setzt sich fort.Foto: Austrian Airlines Michèle Pauty

In diesem Zusammenhang ist eine Tabelle des Zehn-Jahres-Vergleichs recht überzeugend. Darin wurden die durchschnittlichen Tagespreise der wichtigsten Zielregionen von 2009 zu 2019 verglichen. Grob gerechnet zeigt sich: Skandinavien ist für deutsche Urlauber – inklusive Anreise – demnach um rund ein Viertel teurer geworden; Deutschland, Griechenland, Spanien und Fernreisen folgen mit einem Preisschub von rund 20%. Italien legte nur um 10%, Österreich sogar nur um 5% zu. Vergleicht man das mit den Entwicklungen der Reisedauer, bestätigt sich Reinhardts Theorie: Die Aufenthaltsdauer ging in Skandinavien und Griechenland markant zurück, in Spanien um 1,5 Tage, während Italien und Österreich weitgehend stabil blieben.

Das Klima-Gewissen reist nicht mit

Was aber keiner TA-Zahl zu entnehmen ist, sind die Auswirkungen der aktuellen Klima-Diskussion. "Die Änderungen erfolgen eher im Alltag, im Urlaub wird das Gewissen ausgeschaltet. Erst wenn der Flugpreis massiv teurer wird, könnte es Veränderungen im Reiseverhalten geben", erwartet Reinhardt.

Mit dem Reiseverhalten vor dem Hintergrund der Klima-Diskussion hat sich die Reiseanalyse intensiver auseinandergesetzt. Die RA-Ergebnisse zu diesem Thema zeigen, dass ökologische und soziale Nachhaltigkeit im Urlaub vielen Deutschen wichtig ist. Seit 2013 abgefragt, wird diese Frage Jahr für Jahr von 2,5% mehr Deutschen bejaht. Soweit der erklärte Wille, doch der bequeme Weg führt meist durch die Lüfte.

Erstmals wurde von der FUR-Reiseanalyse versucht, den Begriff der "Flugscham" abzuklopfen. Ein grosser Teil der Flugreisenden berichtete, ein mehr oder weniger starkes schlechtes Gewissen wegen der Klima-Belastung zu haben. Einen drastischen Rückgang an Flugreisen erwarten auch die RA-Forscher nicht, eher einen Anstieg der Kompensationszahlungen. "Flugscham ist der Ausdruck eines inneren Konflikts, nicht dessen Lösung", sagte Martin Lohmann. Die "Flugschämer" seien zwar im Alltag tendenziell umweltbewusster als der Durchschnitt, auf eine bestimmte soziale Schicht lassen sie sich aber nicht eingrenzen.

Bei den Nachhaltigkeitskriterien wird – fast prozentgleich mit der österreichischen Erhebung des Ruefa-Reisekompasses – von mehr als der Hälfte die höchste Aufmerksamkeit einer sozial verträglichen Urlaubsform gewidmet, knapp dahinter liegen ökologisch verträgliche Reisen. Die Schnittmenge ist hier gross, so dass 38% beide Nachhaltigkeitskriterien erfüllen wollen. Die gleichen Menschen wurden dann um Auskunft gebeten, ob Nachhaltigkeit ein Kriterium für die letzte zurückliegende Reise-Entscheidung war. Nur 4% stimmten dem zu, weitere 28% gaben an, Nachhaltigkeit sei ein Aspekt unter mehreren gewesen.

Ein kleines Indiz zum schlechten Gewissen bei der Urlaubsplanung findet sich in einer Zahl der ersten veröffentlichten Ergebnisse der RA 2020: Bei der Frage nach der Art ihres Sommer-Urlaubs gaben 35% "Flugreise" an. Im Vorjahr waren es noch 39% gewesen. Ein Rückgang bei Flugreisen erscheint jedoch als höchst unrealistisch. Das lässt sich aus der – leicht wachsenden – Urlaubsintensität schliessen wie auch aus den genannten Reisezielen. / Fred Fettner

Verwandte Artikel

Österreichische Reiselust 2020: Viele bleiben unbeeindruckt

23.1.2020

Wien. Die Österreicher reisen mindestens so gerne weit weg wie sie im eigenen Land bleiben. Frühbuchungen steigen. Umweltbewusstsein und Urlaubsverhalten widersprechen sich immens. Das sind nur drei Ergebnisse aus dem alljährlichen Ausblick auf die Reiselust der Österreicher.

{"host":"www.hospitalityinside.com","user-agent":"Mozilla/5.0 AppleWebKit/537.36 (KHTML, like Gecko; compatible; ClaudeBot/1.0; +claudebot@anthropic.com)","accept":"*/*","x-forwarded-for":"13.59.36.203","x-forwarded-host":"www.hospitalityinside.com","x-forwarded-port":"443","x-forwarded-proto":"https","x-forwarded-server":"d9311dca5b36","x-real-ip":"13.59.36.203","accept-encoding":"gzip"}REACT_APP_OVERWRITE_FRONTEND_HOST:hospitalityinside.com &&& REACT_APP_GRAPHQL_ENDPOINT:http://app/api/v1