Zurich goes Berlin Der Boom am Zürisee Immer mehr Hotels in der City und im Umland Potenzial für Budget
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Zurich goes Berlin: Der Boom am Zürisee

Immer mehr Hotels in der City und im Umland - Potenzial für Budget

Motel One hat den Schweizer Markt entdeckt. Die Budget Hotel-Gruppe eröffnete jetzt in Zürich ihr zweites Haus in der Schweiz.

Zürich. Die Anzahl der Hotels in Zürich wächst rasant – und längst nicht nur in der Limmat-Metropole, sondern auch und besonders im Unterland. Insbesondere im Niedrigpreis-Segment sehen Investoren noch Potenzial. Die jüngste Hotel-Eröffnung mit dem zweiten Motel One in der Schweiz stärkt diese Einschätzung. Nächstes Jahr gesellt sich von den internationalen Budget-Marken B&B dazu, diverse andere sind längst angekündigt. Was die Budget-Ketten auf den Plan gerufen hat, ist vor allem der Umstand, dass sich die Schweiz bisher vor allem durch viele Hotels im 4- und 5-Sterne-Segment auszeichnet.

Ende August war es endlich soweit: Im historischen Gebäude der ehemaligen Selnau-Post in Zürich wurde das erste Motel One in der Schweizer Finanzmetropole feierlich eröffnet. Die ersten Gäste hatte das Hotel – mit 394 Zimmern das grösste Hotel der Limmat-Stadt – bereits seit dem 24. Juli empfangen, und wie auf der offiziellen Einweihungsfeier zu hören war, kommt das neue Haus gut an: Gemäss Hotelmanager Urs Vogel, gebürtiger Schweizer und "Eigengewächs" aus der konzerneigenen Motel One University, bewegte sich die Auslastung in den ersten Tagen bereits bei rund 77 Prozent und damit leicht höher als der Durchschnittswert aller Motel-One-Hotels im vergangenen Jahr 2016.

Und Vogel sieht am Zürichsee noch ordentlich Luft nach oben: Denn der Wert kam in dem ersten Monat der Anlaufphase zustande, als der offizielle Eröffnungstermin noch gar nicht annonciert war. Mittelfristig richtet sich der Hotelmanager in Zürich auf Belegungsquoten von deutlich über 80 Prozent ein. "Bereits jetzt gibt es erste Tage, an denen wir kein Zimmer mehr frei haben".

Motel One Zürich ab 169 Franken

Lokales Flair: Der goldene Himmel über der Bar erinnert an das Papier von Schweizer Schokolade.

Die Zimmerpreise sind denn auch für ein frisch eröffnetes und stylishes Hotel im Zürcher Zentrum – für Schweizer Verhältnisse – günstig zu nennen: ab 169 Franken im Einzelzimmer und ab 184 Franken im Doppel. Einen Aufpreis von 20 Franken gibt es für einige besondere Räume im obersten Stockwerk: Diese "Komfortzimmer" verfügen jeweils über einen Balkon mit Blick auf den 869 Meter hohen Zürcher Uetliberg. Den Gang zum Frühstücksbuffet dürfen die Gäste mit 14,50 Franken extra berappen.

Für das neue Schweizer Haus der deutschen Budget Design-Gruppe wurde das ehemalige Telegraphenamt der Stadt Zürich in den vergangenen beiden Jahren umgebaut. Eine Revitalisierung, die sich der Eigentümer SPS Swiss Prime Site, die grösste Immobilien-AG der Schweiz, rund 77,5 Millionen Franken kosten liess. Eine Besonderheit hat das Hotel: In Zürich gibt es 40 verschiedene Zimmer-Grundrisse, wie Motel One-Marketingchefin Ursula Schelle-Müller beim Rundgang durch das neue Haus erläuterte.

Drei Themen ziehen sich – neben der Signature-Farbe Türkis – durch das Haus: das Schweizer Alpen-Panorama begegnet dem Gast beispielsweise an den Wänden und in aufwändig gestalteten Lampen, der Zürichsee ist durch den Schweizer Bootsbauer Boesch mit Original-Schiffsschrauben und -Bootsmodellen vertreten und Schweizer "Schoggi" einerseits mit einem übergrossen, goldenen Schokoladen-Papier über der hauseigenen Bar und andererseits mit edlen Confiserie Pralinés der Schweizer Manufaktur Max Chocolatier in der One Lounge...

Maximal-Belegung

Die Motel One-Gruppe hat mit ihrem Ursprungsslogan "Viel Design für wenig Geld" einen Zeitgeist getroffen; seit diesem Jahr gilt der Claim "Like the Price. Love the Design". Das setzt Massstäbe – für die anderen im Markt. Auch in Basel, wo das erste Motel One der Schweiz im vergangenen Jahr an den Start ging, funktioniert das Konzept bestens. Die Auslastung liege seit der Eröffnung im letzten Sommer an vielen Tagen bei 100 Prozent, wie jüngst ein Sprecher der Swiss Prime Site erklärte, die in Zürich wie auch in Basel die Hotel-Liegenschaft besitzt und damit am Erfolg des Hotels beteiligt ist. "Im Gegenzug sind wir natürlich Motel One bei der Grundpacht entgegengekommen. Und nach den bisherigen Zahlen in Basel und Zürich kann ich sagen: Es ist eine Win-Win-Situation", sagte SPS-CEO Peter Lehmann bei der jüngsten Eröffnungsfeier. Sowohl CEO Dieter Müller als auch Lehmann können sich eine weitere Zusammenarbeit gut vorstellen.

Peter Lehmann, CIO Swiss Prime Site AG, und Dieter Müller, CEO Motel One, sprechen von einer Win-Win-Situation.

Bemerkenswert ist die Lernkurve der Münchner Budget-Experten: Als die Pläne für Basel konkret wurden, wollte man mit Zimmer-Preisen ab 99 Franken starten. Zur Eröffnung dann rief man dort sogleich dreistellige Summen auf und ist inzwischen für ein Zimmer bei 118 bzw. 139 Franken angekommen.

Ein wichtiges Element im Geschäftsbetrieb sind die im Vergleich zu anderen Segmenten niedrigen Personalkosten bei Budget-Hotels: Wie Müller erläuterte, kommt seine Hotelgruppe in Zürich bei 394 Zimmern mit 34 Vollbeschäftigten aus; in Basel mit 143 Zimmern sind 20 Mitarbeiter voll beschäftigt. Die Personalkosten seien allein aufgrund der Tarifverträge in der Schweiz rund doppelt so hoch wie in Deutschland. Die Reinigungskräfte kommen in fast allen Motel One-Häusern über externe Dienstleister, die Hausdamen sind jedoch immer Motel One-Mitarbeiter. In Zürich habe man sich zudem mit dem Immobilien-Eigentümer und -entwickler SPS auf gute Vertragskonditionen verständigen können, berichtet Müller.

Neue Hotels eine innovative Bereicherung

"Das neue Motel One ist nur eines von mehreren Beispielen für innovative Neuzugänge in der Zürcher Hotellerie", berichtet Brice Hoffer, Economist Swiss Real Estate im Research-Team der Credit Suisse: Im April etwa nahm das 25hours Hotel seinen Betrieb auf, ein Lifestyle-Produkt im mittleren Preis-Segment, mit 170 Zimmern an der Langstrasse im Quartier Europaallee, einem neuen innerstädtischen Stadtviertel nahe dem Hauptbahnhof. Es ruft Zimmer-Preise zwischen 210 und 345 Franken auf.

Weitere Eröffnungen folgen: Im kommenden Jahr wird die deutsche a-ja Gruppe mit einem "City-Resort" an den Start gehen. Das Hotel, das im Neubaukomplex Vulcano im aufstrebenden Bürostandort am Bahnhof Zürich-Altstetten eröffnet wird, setzt ebenfalls auf moderate Preise und bietet seinen Gästen dabei einen Clou: ein grosszügiges Wellnessangebot. "Die genaue Abstimmung von Kunden-Bedürfnissen und angebotenen Leistungen stellt in dem Verdrängungsumfeld, in dem sich der Schweizer Hotelmarkt zurzeit befindet, einen Schlüsselfaktor für den Erfolg von Hotelprojekten dar", erklärt CS-Researcher Hoffer. Hotel-Insider sehen das a-ja City-Hotel-Konzept mit seinem urbanen Wellness-Konzept unterdessen kritisch.

B&B startet 2018

Auch die B&B Hotels setzen im Budget-Bereich auf Expansion: 2018 wird die schnell wachsende französische Hotelgruppe in der Schweiz ihr Debut geben – mit gleich zwei Häusern, mit zwei Standorten im Zürcher Unterland, die sich durch ihre Nähe zum internationalen Flughafen in Kloten und ihre gute Verkehrsanbindung auszeichnen. Eines der beiden Hotels entsteht in Rümlang, in fussläufiger Entfernung zu den bereits bestehenden Hotels Park Inn by Radisson Zurich Airport und Holiday Inn Express Zürich. Für das bereits in Bau befindliche Hotel in der Hofwiesenstrasse 50 hat B&B mit der Nestor Immobilien AG einen langfristigen Mietvertrag abgeschlossen: Nach Fertigstellung wird es 170 Zimmer auf 4.000 qm Gesamtfläche bieten.

2018 betritt B&B die Bühne mit Häusern in Rümlang und Walisellen.

Das zweite B&B Hotel ist bis Mitte 2018 in Wallisellen geplant, wo die Franzosen bereits im vergangenen Jahr einen langfristigen Mietvertrag mit der Immobilien-Gruppe Serliana unterzeichneten. Das Hotel entsteht direkt neben dem Glattzentrum, einem der bestfrequentierten Shopping Center der Schweiz, in einem von insgesamt drei geplanten Gebäuden auf dem Serliana-Areal. Der fünfstöckige Hotelneubau, der neben dem geplanten Hochhaus an der Richtistrasse zu stehen kommt, wird 142 Zimmer auf 3.300 qm Gesamtfläche bieten.

Zu wenige günstige Hotels

Die Standortwahl für die neuen Häuser ist kein Zufall: Erklärtes Ziel von B&B ist es, neben Business-Reisenden auch die zunehmende Anzahl der Freizeit-Reisenden anzuziehen; nicht zuletzt setzt man dabei auf die stärker werdenden Reiseströme aus Asien. Mittelfristig sieht die Gruppe die Eröffnung von 15 Hotels in der Schweiz vor; pro Jahr sollen zwei Hotels an den Start gehen.

In den geplanten Betrieben soll die Übernachtung pro Zimmer um die 100 Franken pro Nacht kosten – damit siedeln sich die B&B Hotels ähnlich wie Motel One im unteren Preissegment an. Was die Budget-Ketten auf den Plan gerufen hat, ist vor allem der Umstand, dass sich die Schweiz bisher vor allem durch viele Hotels im 4- und 5-Sterne-Segment auszeichnet.

Da gerade in diesen Tourismus-Segmenten die Nachfrage nach einer Unterkunft mit bezahlbareren Preisen sehr hoch sei, eröffne der Schweizer Markt seiner Hotelgruppe "grosse Entwicklungschancen … Günstige Hotels scheinen uns hier unterrepräsentiert", sagt Fabrice Collet, COO der B&B Hotels, überzeugt.

Pralle Pipeline ergiesst sich über Zürich

Die Frage ist nur, wie lange dies noch so bleiben wird. Gemäss einer von CS-Researcher Brice Hoffer und seinem Team verfassten neuen Studie zum Zürcher Hotelmarkt kommen im laufenden Jahr rund 680 neue Zimmer auf den Markt; 2018 wiederum könnten bis zu sieben neue Betriebe mit insgesamt rund 1.000 Zimmern eröffnet werden. Das neue Angebot dürfte sich laut Angaben der CS-Researcher dabei primär im Umland konzentrieren, insbesondere in der Nähe vom Flughafen, namentlich in Kloten, Rümlang und Wallisellen.

Mit einem grossen urbanen Spa will sich das a-ja Zürich von der Konkurrenz abheben.

Auch für die Folgejahre ist die Pipeline noch gut gefüllt. Ab 2019 sollen rund 800 neue Zimmer an den Markt kommen – der Hauptteil davon in den beiden Hyatt Hotels in "The Circle at Zurich Airport", dem von Riken Yamato entworfenen neuen Geschäftszentrum, das derzeit gegenüber den Terminals Gestalt annimmt. Darüber hinaus geben die Meininger Hotels mit einem 170 Zimmer-Haus in der Greencity ihr Schweizer Debut; das neue Zürcher Stadtviertel ist über die S-Bahn sehr gut an die City angebunden ist und als erstes ressourcenschonendes "2000-Watt-Quartier" der Schweiz für überregionale mediale Aufmerksamkeit sorgt. Gemäss Zürcher Gemeindeordnung dürfen pro Mensch nicht mehr als 2000 Watt Energie-Dauerleistung in Anspruch genommen und maximal eine Tonne CO2 pro Jahr ausgestossen werden. Insgesamt rechnen die CS-Ökonomen über die drei nächsten Jahre mit einer Erweiterung des Hotelangebots von 2.500 Zimmern im Umland von Zürich – was etwas mehr als 17 Prozent des Zimmerbestands von 2016 entspricht.

Neu & Stylish verdrängt Alt & Dezentral

Damit zeichnet sich ab, dass der Verdrängungswettbewerb, der in der Zürcher Hotellerie bereits begonnen hat, in den kommenden Jahren zunehmen wird – zumal zu den vielen neuen Hotel-Angeboten noch die steigende Konkurrenz aus der Sharing Economy hinzukommt: Airbnb & Co werden die traditionellen Hotelbetriebe noch stärker herausfordern, stellen die CS-Researcher genauso fest wie viele andere Markt-Beobachter. "In touristischen Gemeinden und urbanen Zentren wird Airbnb bereits heute als etablierter Spieler auf dem Hotelmarkt wahrgenommen", betont Brice Hoffer.

Die Auswirkungen würden indessen nicht alle Hotels gleichermassen treffen, ist der CS-Ökonom überzeugt. Strategisch gut gelegene Betriebe, welche die gegenwärtigen Bedürfnisse der Kundschaft konsequent berücksichtigen und wettbewerbsfähige Preise anbieten, weisen aus seiner Sicht weiterhin ein gutes Erfolgspotenzial auf. So seien beispielsweise die Angebote von Motel One oder 25hours "optimal auf die heutigen Bedürfnisse der Gäste zugeschnitten". Im Gegensatz dazu drohe jedoch Objekten an dezentralen Lagen und mit veralteten Konzepten die Verdrängung, sagt Hoffer. Damit wird nun mit etwas Verspätung in die Schweizer Hotellerie eine Entwicklung einziehen, die man in Deutschland schon seit über zehn Jahren kennt.

Andrea Jörger, RIMC: Die Nachfrage konzentriert sich heute auf die grösseren Städte.

Verlagerung vom Berg in die Stadt

Andrea Jörger, Geschäftsführer & Partner bei RIMC Hotels & Resorts Schweiz, sieht die Schweiz ganz klar als eine Insel in Europa. Die Nachfrage konzentriere sich nur auf Zürich, Genf, Lausanne und Basel, wohingegen "die Luft in Berg- oder Seen-Regionen dünn geworden ist", sagt er und fügt hinzu, dass diese mit der Aufhebung des Mindestkurses von 1,20 Franken durch die Schweizerische Nationalbank im Januar 2015 noch dünner geworden sei. Ebenso hinterlasse das für die Branche nachteilige Zweitwohnungsgesetz deutliche Spuren in den Bergen, so dass Banken dort nicht mehr an einer Finanzierung von Resorts interessiert sind.

Das anhaltende Interesse von Investoren und Betreibern erklärt Jörger auch damit, dass sie keinen Profit mehr aus Büros und Wohnungen ziehen und deshalb bei Hotels zugreifen würden. Das generiere Überkapazitäten. Sorgen macht sich Jörger, der vor einigen Jahren die Airport-Entwicklung "The Circle" inklusive zwei neuer Hotels in Zürich selbst mitgesteuert hat, inzwischen um die Balance dort: "In den nächsten drei Jahren wird dort das Zimmer-Angebot um 25 Prozent wachsen. Aber wo soll die Nachfrage herkommen?"

Für den Zürcher Hotelmarkt sieht er damit einen Plafond erreicht. Zudem glaubt er, dass selbst professionelle Investoren und Betreiber häufig noch den paradiesischen Performance-Zahlen in der Schweiz verfallen und daneben nicht die immens hohen Kosten betrachten würden. Das Konzept von Motel One mit deutlich höheren Zimmerpreisen und aufwändigerer Innengestaltung als in den deutschen Häusern könne durchaus noch aufgehen, meint Jörger. Nichtsdestotrotz werde das bisher bekannte hohe Zürcher Preisniveau schon bald der Vergangenheit angehören. / Birgitt Wüst, Mathias Rinka

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