Die Einführung neuer Food-Produkte kann von der Einbettung in die regionale Esskultur profitieren. Das zeigt die neue Studie "Decoding Food Culture: Wie Innovationen zu Traditionen werden" des Gottlieb Duttweiler Instituts (GDI). Es hat die Esskulturen in der Schweiz und den grenznahen Regionen der Nachbarstaaten erforscht.
In der Schweiz wird beim Essen der grösste Wert auf Gemeinschaft gelegt, in Norditalien hingegen ist die regionale Verwurzelung in der Esskultur besonders ausgeprägt. 92% der Befragten gaben an, ihr Ernährungsverhalten habe sich in den vergangenen zehn Jahren verändert. Als häufigste Gründe hierfür wurden genannt: neue Informationen (42%), Gewichtskontrolle (40%), Gesundheitsaspekte und finanzielle Gründe (je 32%).
Genuss-Menschen sind experimentierfreudig
Wo sich Essgewohnheiten verändern, gibt es Produkt-Innovationen. In der Befragung wurde deshalb auch untersucht, wie hoch die Bereitschaft einer Person ist, beim Essen etwas Neues zu probieren. Hierbei spielen neben anderen Persönlichkeits-Merkmalen auch Unterschiede in der Esskultur eine Rolle. Die Studie untersuchte anhand von sechs Dimensionen der Esskultur (Genuss, Gemeinschaft, Gesundheit, (Selbst-)Kontrolle, Rituale und Verwurzelung), wie sie sich die Einstellungen ändern:
- Ein ausgeprägter Genuss-Fokus ist der stärkste Indikator für eine hohe Offenheit gegenüber neuen kulinarischen Erfahrungen. Genuss-Menschen verbinden Essen mit Abwechslung und Abenteuer, daher lassen sie sich gern auf neue Ernährungstrends ein.
- Auch Esskulturen, die stark von Gemeinschaft und Gesundheit geprägt sind, führen zu einer grösseren Lust auf Neues. Gemeinsame Mahlzeiten oder soziale Events schaffen eine Atmosphäre, die neue Erfahrungen fördert. Auch Menschen, für die gesundes Essen besonders wichtig ist, neigen dazu, flexibler auf neue Ernährungstrends zu reagieren.
- Je enger die Verbindung zu traditionellen Essgewohnheiten ist, desto geringer ist die Bereitschaft, Neues zu probieren. Veränderungen werden eher als Bedrohung empfunden.
Die Schweiz im Vergleich mit anderen Esskulturen
Für die Studie wurden nicht nur Personen aus den drei grossen Schweizer Sprachregionen nach ihren Essgewohnheiten befragt, sondern auch Bewohner aus den grenznahen Regionen Deutschlands (Baden-Württemberg/Bayern), Österreichs (Vorarlberg), Frankreichs (Franche-Comté/Rhône-Alpes) und Italiens (Lombardei). Die wichtigsten esskulturellen Unterschiede:
- Gemeinschaft ist zwar überall der wichtigste Faktor der Esskultur, wird aber in der Schweiz am höchsten bewertet – und in Süddeutschland am niedrigsten.
- In der norditalienischen Lombardei wird von allen untersuchten Regionen am meisten Wert auf regionale Traditionen und Familienrezepte gelegt. Dort wird ebenfalls mit Abstand am häufigsten auf das Gewicht geachtet. Im österreichischen Vorarlberg hingegen mag man sich beim Essen am wenigsten einschränken und Kalorien zählen. Die Schweiz und die französischen Grenzregionen nehmen jeweils eine Mittelposition ein.
Empfehlungen für Food-Innovationen
Die verschiedenen Dimensionen der Esskultur bieten Unternehmen eine Reihe von Hebeln, um neue Produkte und Services in den Alltag der Konsumenten zu integrieren. Dazu einige Handlungsempfehlungen des GDI:
- Märkte mit ausgeprägter Genuss- und Gemeinschafts-Orientierung bieten ideale Einstiegsbedingungen für Food-Innovationen. Der erste Kontakt mit einem neuen Produkt muss dabei überzeugen – sei es bei einer Degustation, einem exklusiven Restaurant-Besuch oder an einem Food-Festival.
- Für die Integration von Food-Innovationen in den Ernährungsalltag spielen Gesundheit und Kontrolle eine zentrale Rolle. Dabei wird die Verhaltensänderung nicht nur durch persönliche Motive wie Gesundheitsbewusstsein gesteuert, sondern auch durch externe (Umwelt-) Faktoren, neue Erkenntnisse und Informationen oder finanzielle Aspekte.
- Die kulturelle Integration einer Food-Innovation stellt eine besondere Herausforderung dar. Das neue Produkt kann behutsam in bestehende Traditionen eingebettet werden, indem es lokale Gerichte ergänzt oder traditionelle Produkte zeitgemäss ersetzt. Diese Strategie erfordert eine kultur-konforme Ausrichtung aller Marketinginstrumente.
Die Studie "Decoding Food Culture: Wie Innovationen zu Traditionen werden" steht hier zum Download bereit. / red