4 Welle in Deutschland Österreich Auf dem Weg in eine prekäre Situation
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4. Welle in Deutschland & Österreich: Auf dem Weg in eine prekäre Situation

Berlin. Deutschlands künftige Regierung aus drei Parteien steht seit Mittwoch, die 4. Corona-Welle wütet unterdessen weiter. Die Unsicherheit in der Hotellerie bleibt, in einzelnen Regionen gibt es bereits wieder geschlossene Herbergen. Österreich hat durchgegriffen: Das ganze Land ist aktuell im nationalen Lockdown. Stimmen von Hoteliers aus beiden Ländern.

"Wir schmieden für die 22 Unternehmen unter dem Dach der Solutions Holding seit letzter Woche Pläne für eine längerfristige Pandemie", sagt Prof. Stephan Gerhard aus München desillusioniert angesichts der dramatisch ansteigenden Pandemie-Eckziffern, die bereits die ersten regionalen Lockdowns hervorgerufen haben. "Wir haben deshalb die komplette Entwicklung für das 1. Halbjahr 2022 mit einem Fragezeichen versehen".

Die Solutions Holding, München, investiert in Hotels, Serviced Apartments, in Wohn-Immobilien, Clubs, Event-Locations u.v.m. Auslöser sind die massiv eingehenden Buchungsstornierungen. "Seit kurzem sehen wir jeden Morgen mehr Stornos als Neubuchungen".

Die Unsicherheit in der Pandemie-Bekämpfung lässt die Buchungen in Deutschland und Österreich einbrechen. Ein eisiger Winter droht. Foto: dan the drone unsplash

Dorint: Gruppen-Buchungen zu 90% weg

Jörg Böckeler, COO von Dorint Hotels & Resorts mit Sitz in Köln, kann den Negativ-Trend nur bestätigen: "Seit eineinhalb Wochen gibt es keine Neubuchungen mehr". Dorint Hotels aller Typen stehen in 14 von16 deutschen Bundesländern und zum zweiten Mal, im zweiten Corona-Jahr, leiden alle unter dem gleichen föderalen Chaos. "Die grossen Gruppen-Stornierungen sind inzwischen zu 90% eingetreten, jetzt sehen wir, wie die Individual-Buchungen wegbrechen – auch schon über Weihnachten und Neujahr".

Nicht nur er vermutlich wünscht sich einheitliche nationale Regelungen, z.B. für 2G, die die Branche letztlich effizienter schützen würde, weil dies auch den Gästen eine klare Orientierung gebe. Die nächste Hürde, die jedesUnternehmen nehmen muss, ist die seit Mittwoch geltende 3G-Regel für Mitarbeiter. "Im Gäste-Kontakt möchten wir nur Mitarbeiter mit 2G Status einsetzen", präzisiert Böckeler. Wie man – juristisch gesichert – diese Status-Unterschiede in der Praxis händeln kann, ist momentan noch eine Diskussion.

Die dramatisch steigenden Pandemie-Zahlen haben bei Dorint Hotels die derzeitige Belegung auf 30-35 Prozent purzeln lassen, so Böckeler. In Sachsen hat die Schliessung der touristischen Beherbergung die Belegung bis auf fünf Prozent einbrechen lassen.

Ohne Hilfen in eine prekäre Situation

"Wir präsentieren unserem Aufsichtsrat in zwei Wochen die Budgetierung für 2022", erläutert Böckeler weiter, "wir waren dabei schon vorsichtig in der Kalkulation von Events und Firmen-Buchungen, aber es basierte noch auf niedrigeren Inzidenzen". Jetzt muss wieder nachjustiert werden. "Wir wissen, dass nach einem Winter auch wieder ein Sommer kommt, zudem schreitet die Durchseuchung der Bevölkerung voran, trotzdem möchten wir das Desaster von 2020 nicht zum zweiten Mal erleben", ergänzt er – und fordert: Wer die Branche erneut einschränkt, muss auch kompensieren! "Ansonsten kommen wir [alle] in eine sehr prekäre wirtschaftliche Situation", so sein trauriger Forecast.

Impf-Pflicht kommt näher

Dass die Pandemie-Bekämpfung an erster Stelle der bundesdeutschen Politik steht, unterstrichen am Mittwochabend die Top-Vertreter der designierten deutschen Bundesregierung aus den "Ampel"-Parteien SPD, FDP und Grüne. Der designierte neue deutsche Kanzler Olaf Scholz beteuerte in einem Interview mit dem TV-Magazin "Brennpunkt" am Mittwochabend, dass man ein "professionelles Begleiten" der Pandemie nun sichere durch einen neuen Krisenstab im Kanzleramt, dessen Experten tages- und wochen-aktuell die Daten analysieren und die Lage bewerten.

Dorint-COO Jörg Böckeler: Die Budgetierung für 2022 muss nachjustiert werden.Foto: soenne com

Trotz aller Entscheidungszwänge inmitten der 4. Welle vertagte die neue Ampel-Koaliton die Entscheidung noch um etliche Tage darüber, wer Gesundheitsminister/in werden soll. Wichtiger als Gesundheit und Wirtschaft ist es den Politikern offensichtlich, die Ministerstühle paretätisch zu besetzen.

In der Politik wie in der Gesellschaft wird angesichts der dramatischen Situation der Ruf nach einer Impf-Pflicht lauter, vor allem für vulnerable Berufe. Robert Habeck, Co-Bundesvorsitzender der Grünen und künftiger Vizekanzler, räumte in anderen TV-Interviews ein, dass man angesichts der immer noch viel zu niedrigen Impf-Quote in Deutschland sich dem Thema Impf-Pflicht wohl "nähern" müsse.

Gestern meldete das RKI, dass in Deutschland erstmals mehr als 100.000 Menschen mit Corona gestorben sind. Die Zahl der Neuinfektionen überschritt erstmals 75.000 innerhalb eines Tages. Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz liegt bei mehr als 400. Die Impfquote liegt aktuell bei 68,1%. Nötig wäre für eine durchschlagende Pandemie-Bekämpfung eine Quote von 90%.

ÖSTERREICH REAGIERT KONSEQUENTER

Aus seinem eigenen Chaos schaut Deutschland inzwischen etwas häufiger ins Nachbarland Österreich, dessen Politiker schneller durchgreifen und so zumindest versuchen, noch mehr Schaden von der Wirtschaft abzuwenden. Seit diesem Montag, 22. November, gilt landesweit ein dreiwöchiger Lockdown. Gastronomie, Hotels, Kultur-Einrichtungen und Handel sind geschlossen. Nun müssen alle zuhause bleiben, wohingegen in der Woche zuvor zunächst nur die Ungeimpften von Ausgangs-Beschränkungen betroffen waren. Seit Montag gilt der Lockdown für Geimpfte 20 Tage lang, für Ungeimpfte auf unbestimmte Zeit.

Ab 1. Februar 2022 herrscht in Österreich zudem eine Impfpflicht für alle. Das ist Regierungsbeschluss. Otmar Michaeler, CEO der Falkensteiner Hotels und Residences, begrüsst diese Massnahme: Zehn Prozent der Mitarbeiter in der Gruppe möchten sich derzeit nicht impfen lassen. "Wobei wir hier nicht aufgeben, auch diese noch zu überzeugen," so Michaeler. Die Hotel-Gruppe hat sich – unabhängig von jeder Verfügung – diese Woche dazu durchgerungen, für die Mitarbeiter ab 1. Februar 2022 ebenfalls überall 2G einzuführen. Bei den Gästen wird man sich nach den jeweiligen Landesregelungen richten. "Impfen ist der einzige Ausweg aus der Krise", ist er überzeugt, "alles andere gefährdet nur die Existenz – von Menschen und Unternehmen".

Falkensteiner betreibt neun Hotels in Österreich. Bis zum kürzlichen, dramatischen Anstieg der Hospitalisierungsrate wie der Inzidenzen waren die Monate November und Dezember laut Michaeler "sehr gut gebucht" gewesen. Jetzt ist alles storniert. Das ist extrem ärgerlich, war beispielsweise am 8.-12. Dezember, einem langen Wochenende mit Brückentag, sogar alles ausgebucht gewesen… Zusätzlich brechen die hohen Umsätze der spezialisierten Wellnesshotels weg, die in den tristen Herbst-Monaten stets gut belegt sind.

Falkensteiner-CEO Otmar Michaeler: Trotz aktuellem Lockdown könnte es noch eine kurze Winter-Saison geben. Foto: FMTG

"Trotzdem glaube ich noch an ein Winter-Geschäft in Österreich", bleibt er optimistisch. Die Skigebiete bleiben offen und erlauben am Berg zumindest das Tagesgeschäft unter 3G-Regeln. Und so hofft er auch, dass der schnelle, überraschend verfügte Lockdown nun hilft, die 4. Welle zu brechen, so dass keine weitere mehr im Winter nachkommt. Das aber bedeutet für ihn als Hotel-Unternehmer auch, dass Kurzarbeitergeld und staatliche Hilfen bis Ende März 2022 weiter bewilligt werden. "Dabei wollen wir alle nicht auf weitere Zuschüsse angewiesen sein – für die wir dann vielleicht auch noch kritisiert werden. Wir möchten lieber arbeiten und selbst Geld verdienen", betont er.

Wie geht's weiter in Österreich?

Michaeler glaubt, das die Nicht-Geimpften unter Umständen bis zur Impfpflicht am 1. Februar im Lockdown bleiben werden. Ebenso sieht er die osteuropäischen Nachbarländer, wo die Impfquoten noch sehr niedrig sind, von einem Lockdown in den nächsten fallen. Damit fallen sie als wichtige Quellmärkte für Österreichs Tourismus aus. Vor zwei Tagen kündigte die Slowakei einen neuen, jetzt zweiwöchigen Lockdown für alle an. Die 7-Tage-Inzidenz von mehr als 1.300 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern ist bei Weitem die höchste in Europa.

Wenig Gäste werden diesen Winter wohl auch aus den Benelux-Staaten kommen, wo die Corona-Demos teilweise schon Züge von Gewalt angenommen haben und die Pandemie-Zahlen genauso heftig steigen wie in Deutschland. Von seinem grössten Nachbarland ist Österreichs Tourismus extrem abhängig. Einziges kleines Trostpflaster Stand heute: Die Stornierungen für Weihnachten und Silvester bei Falkensteiner Hotels in Österreich sind momentan noch verhalten: Die Gäste hätten halt auch gelernt, "mit Corona zu leben" und flexibel zu reagieren, so Michaeler.

Aufruhr oder Politik-Fehler?

Insgesamt beurteilt Otmar Michaeler die gesamte Lage in Österreich als "zugespitzt" – auch aufgrund der 40.000 Demonstranten in Wien am Samstag vor dem Lockdown. Seiner Meinung nach geht es bei diesen Kundgebungen nicht mehr nur um Corona allein; er sieht darin einen sozialen Aufstand von Menschen, die sich in das bestehende demokratische System nicht mehr einfügen möchten. "Viele Menschen verstehen nicht, dass in einer Demokratie die Freiheitsrechte des Einzelnen da enden, wo sie andere gefährden. Das ist eine besorgniserregende Entwicklung."

Über die Ursachen des wachsenden Unmutes machen sich auch andere Sorgen. Bezogen auf Deutschland äusserte sich diese Woche der Ehemann von Angela Merkel, Joachim Sauer. In einem Interview mit der Tageszeitung WELT kritisierte er die Gesellschaft: "Es ist erstaunlich, dass ein Drittel der Bevölkerung nicht den wissenschaftlichen Erkenntnissen folgt. Zum Teil liegt das an einer gewissen Faulheit und Bequemlichkeit der Deutschen." Zum Teil zeigten Menschen eine "Art ideologische Reaktion auf das, was sie für eine Impfdiktatur halten".

Der US-amerikanische Finanznachrichten-Dienst Bloomberg setzte in einem Artikel hingegen den politischen Gegenakzent: "Mangelnde Führung in Europas grösster Volkswirtschaft hat den Weg für den brutalen Ausbruch geebnet."

Am 8. November hatten die USA ihre Grenzen für Reisende aus Europa wieder geöffnet, jetzt warnen die USA vor Reisen nach Deutschland. Und damit stürzen die Hoffnungen in der Hotellerie weiter ab. / map

 

3G am Arbeitsplatz

Die Berliner Politik hat am 24. November 2021 für ganz Deutschland die 3G-Regel für die Arbeitswelt beschlossen. Den Betrieb betreten darf jetzt nur, wer geimpft, genesen oder tagesaktuell getestet ist und dieses offiziell dokumentieren kann. Wichtig dabei ist, dass der Arbeitgeber nach dem Impfstatus nur in besonders geschützten medizinischen und sozialen Einrichtungen, z. B. Pflegeeinrichtungen, Kitas, Schulen, Obdachlosen-Unterkünfte, fragen darf.

Der Arbeitnehmer muss seinen Test selbst besorgen: Der normale Antigen-Test darf nur maximal 24 Stunden alt sein. Der PCR-Test darf bis zu 48 Stunden alt sein. Testet der Arbeitgeber im Betrieb, muss dies ein Dritter vornehmen und dokumentieren. Erst nach dem Test darf der Mitarbeiter dann seine Arbeit aufnehmen.

Wer die Tests letztlich zahlen muss, ist noch nicht geklärt. Es wird vermutlich der Arbeitgeber sein, zumindest für die Mehrheit der Tests. Zwei Tests pro Woche müssen Arbeitgeber schon seit langem allen Beschäftigten auf Basis der Corona-Arbeitsschutzverordnung anbieten. Zudem wurden die zunächst Anfang Oktober abgeschafften kostenlosen Bürgertests wieder eingeführt. Es könnte allerdings sein, dass der Bundesarbeitsminister weitere Verordnungen erlassen wird.

Weitere Infos zu diesem Thema hat der Bund Verlag in diesem Artikel zusammengefasst. / red

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