Klima zwischen Wunschdenken und Realität Tourismus Themen bei der COP26 Mix aus Belastungen und Chancen
HI+

Klima zwischen Wunschdenken und Realität

Tourismus-Themen bei der COP26: Mix aus Belastungen und Chancen

Der britische Premierminister Boris Johnson sprach auf dem Weltgipfel der Staats- und Regierungschefs auf der Veranstaltung 'Leaders' Action on Forests and Land-use'.Foto: Karwai Tang UK Government

Glasgow/London. Diese Woche sind alle Blicke auf die UN-Klimakonferenz in Glasgow gerichtet, die COP26 – 26th Conference of the Parties – mit Vertretern aus 50 Ländern. Die Konferenz ist eine Mischung aus Wunschdenken und Realität und der Tourismus hat nach wie vor die grosse Chance, schneller als andere für positive Unterschiede zu sorgen. Allerdings ist es ziemlich ernüchternd zu sehen, dass das Thema Nachhaltigkeit ohne Corona noch immer zwei Drittel der Führungskräfte nicht erreicht hätte.

Während sich die Staats- und Regierungschefs der Welt in Glasgow treffen, um die Reduktionsziele für 2030 festzulegen, versammelten sich diese Woche die UNWTO, der WTTC und die Tourismusminister der führenden Tourismusländer auf dem World Travel Market in London. Alle unterzeichneten eine Vereinbarung, in der sie sich verpflichten, in eine nachhaltige Zukunft des Tourismus zu investieren, manche sind sich jedoch noch nicht über den Zeitrahmen einig.

Bei der COP26 in Glasgow sassen Führungskräfte aus Tourismus sowie Vertreter anderer Branchen mit am Tisch, als die Staats- und Regierungschefs die Ziele für den Planeten festlegten. Obwohl sich alle im Reisesektor einig sind, wisse sie, dass die gesamte Branche bei einer globalen Vision eines nachhaltigeren und verantwortungsvolleren Tourismus mit an Bord sein muss. "Wenn überhaupt, müssen wir noch lauter rufen," bestätigt Simon Press, Exhibition Director beim WTM London. In einem Statement sagte er ausserdem: "Der Klima-Notstand wird nicht verschwinden, die Reisebranche muss sich aktiv für die Förderung von Vielfalt, Inklusivität und wirtschaftlichem Nutzen einsetzen, wenn wir wollen, dass die reisende Öffentlichkeit, die Regierungen und Aufsichtsbehörden das Reisen und den Tourismus an sich als etwas Gutes betrachten und nicht als etwas, das ins Visier genommen und besteuert werden sollte."

WTM-Bericht zeigt Diskrepanzen auf

Am Montag veröffentlichte der WTM seinen jährlichen Branchen-Report und befragte nahezu 700 Experten aus aller Welt sowie 1.000 britische Reisende zu ihrer Einstellung im Hinblick auf Nachhaltigkeit und welche Rolle diese bei ihren Entscheidungen spielt. Die Ergebnisse zeigen zumindest, dass noch viel Luft nach oben ist.

Die Antworten der Fachleute lassen darauf schliessen, dass die Reisebranche ihre Verantwortung wirklich ernst nimmt, und das nicht nur der umgebenden Natur gegenüber, sondern auch der menschlichen Zivilisation. Aber stimmt das wirklich? Im Bericht gaben lediglich 27% an, dass Nachhaltigkeit an erster Stelle steht, weitere 43% nannten Nachhaltigkeit als eine der drei obersten Prioritäten.

Überraschenderweise sind sich 22% der Bedeutung von Nachhaltigkeit bewusst, nennen sie aber nicht an den ersten drei Stellen. Und weitere 7% gaben zu, dass das Thema derzeit nicht Teil ihres unternehmerischen Denkens ist.

Wie können begehrte Reiseziele wie New York unter Emissions-Vorgaben attraktiv bleiben? Eine Frage von vielen im Hintergrund...Foto:  Nik Shuliahin unsplash

Die Pandemie rief Nachhaltigkeit auf die Agenda

Die Umfrage des WTM zeigt zudem, dass die Pandemie das Thema Nachhaltigkeit auf die Agenda gebracht hat. Beinahe 59% der Führungskräfte in der Branche gaben an, dass Nachhaltigkeit während der Pandemie zur obersten Priorität wurde, weitere 25% fügten hinzu, dass diese bereits vor dem Ausbruch der Pandemie an erster Stelle stand und dies auch weiterhin so bleibt.

Die Antworten zeigen auch, dass die meisten von ihnen die Auswirkungen, die das Reisen auf den Planeten hat, auf die Treibhausgas-Emissionen des Flugverkehrs beziehen. "CO2-Ausgleich ist ein Mechanismus, um das Problem anzugehen, er wird jedoch auch kritisch gesehen und viele Reisende sowie Umweltschützer müssen erst noch davon überzeugt werden," so der Bericht.

CO2-Ausgleich ist nicht alles

Die Kommentare von über 1.000 britischen Reisenden zeigten, dass 40% den CO2-Ausgleich bereits nutzen, wohingegen ein Drittel sich weigert, Flüge auszugleichen, auch wenn ihnen die Gelegenheit dazu geboten wird. Besonders alarmierend ist jedoch, dass 24% angaben, überhaupt nicht zu wissen, was CO2-Ausgleich bedeutet. Auf Unternehmensebene haben viele Firmen aus verschiedenen Branchen die "Race to Zero"-Kampagne der Vereinten Nationen unterzeichnet und sich verpflichtet, bis spätestens 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen.

Trotzdem zeigten einige Führungskräfte auf Nachfragen des WTM ein fehlendes Bewusstsein für das Thema Nachhaltigkeit: 26% von ihnen wussten nicht, ob ihr Unternehmen über eine offizielle Strategie zur "Reduktion von CO2-Emissionen" verfügt. 37% gaben an, dass es keine Richtlinie gab und die übrigen 36% sagten, dass es zwar eine Richtlinie gab, jedoch lediglich 26% setzten diese auch um.

WTTC und UNWTO verkünden Netto-Null-Pläne

Trotz dieses gemischten Bildes scheint die Reisebranche zu glauben, dass sie andere Sektoren bei der Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen übertreffen kann. Diese Woche verkündete die WTTC offiziell ihre "Net Zero Roadmap" im Rahmen der COP26, und die UNWTO stellte ihre sogenannte Glasgow Declaration vor. Beide Pläne beinhalten massgeschneiderte Regelungen für bestimmte Bereiche des Reise- und Tourismus-Ökosystems, die dabei helfen sollen, eingegangene Klima-Verpflichtungen und Emissions-Senkungen zu beschleunigen.

Gemeinsam verpflichten sie sich zu einem gerechten Übergang zur Netto-Null noch vor 2050, "was nur gelingen wird, wenn durch die Erholung des Tourismus die Einführung von nachhaltigem Konsum und nachhaltiger Produktion beschleunigt und der zukünftige Erfolg der Branche neu definiert wird und künftig nicht nur den wirtschaftlichen Wert, sondern auch die Regeneration von Ökosystemen, Biodiversität sowie Kommunen mit einschliesst", heisst es in den Dokumenten.

In einem Interview nach dem Minister-Gipfel beim WTM sagte Zurab Pololikashvili, Generalsekretär der UNWTO, dass "die Zeit nach Covid perfekt ist für grüne und blaue Investitionen in den Tourismus." Khalid al Midfa, Chairman der Sharjah Commerce and Tourism Development Authority, stimmte uneingeschränkt zu. "Wir wissen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, dass das Öl endlich ist, und daher verfolgen wir die Strategie einer nachhaltigen Diversifizierung. Die meisten unserer neuen Produkte 2022, sind umweltfreundliche Nischenprodukte mit Erlebniswert. Die Zahlen zeigen, dass die Reisenden sich das nach Covid wünschen."

Sharjah will touristisch wachsen durch nachhaltige Diversifizierung.Foto: Yuliya Pankevich Unsplash

Khalid al Midfa verkündete ausserdem in dieser Woche, dass die in Singapur ansässige Lux-Gruppe zwei neue Öko-Resorts im Emirat errichten wird. Das Al Jabal Resort soll 45 umweltfreundliche Einheiten und Suiten direkt am Strand umfassen und das Al Bridi Resort in unmittelbarer Nachbarschaft zum grössten Naturpark der Region zählt 35 Luxuszelte und ein Spa.

Six Senses und TUI
adressieren die Kommunen

Tourismus-Fachleute zeigen sich optimistisch. So ist Yann Cabaret, VP Strategy, Product, Marketing bei SITA for Aircraft, davon überzeugt, dass Technologie der Schlüssel für nachhaltigen Flugverkehr und Tourismus ist. "Wir brauchen nicht mehr auf bessere Technologie warten. Ich denke, wir können bereits mit der heutigen Technologie grüner werden. Wir müssen nur alle zusammenarbeiten – Fluglinien, Flughäfen, Regierungen usw."

Flora Thompson-Ashby, Sales Manager bei Six Senses, erhielt beim WTM einen Preis für die Reduzierung des Plastikmülls in Lamu. "Nachhaltigkeit ist für Umwelt und Kommunen von entscheidender Bedeutung. In unseren Resorts tun wir alles dafür, die Umwelt so gut wie möglich zu schonen und sogar zu verbessern, damit künftige Generationen auch noch etwas davon haben."

Matt Walpom, Global Strategist des WWF International dazu: "Der Klimawandel ist nicht die einzige Krise, mit der wir es zu tun haben. Die Natur wird immer deutlicher in Mitleidenschaft gezogen, und jeder Wirtschaftsbereich muss seinen Beitrag leisten. Der Tourismus ist hier interessant, da viele Produkte und Destinationen auf der sie umgebenden Natur aufbauen, weshalb gerade dieser Sektor das Potenzial hat, tatsächlich einen positiven Beitrag zu leisten und etwas zurückzugeben. Inmitten dieser Pandemie suchen viele Destinationen nach Mitteln und Wegen, die negativen Auswirkungen des Tourismus auf die Umwelt zu negieren."

David Burling, CEO Markets and Airlines bei TUI, teilte den Delegierten beim WTM mit, dass man in den kommenden Wochen oder Monaten eine neue nachhaltige Strategie einläuten wird, die Investitionen in die Kommunen der Destinationen vorsieht. "Wir sehen uns an, wie wir die Versorgungskette dabei unterstützen können, nachhaltigere Geschäftsmodelle umzusetzen und dabei so viel wie möglich wiederzuverwerten und zu recyceln. Wir müssen hier wirklich ehrgeizig sein, um diesen Destinationen zu helfen, die Netto-Null schneller zu erreichen als der Durchschnitt."

2030 statt 2050

Laut Geoffrey Lipman, Präsident der gemeinnützigen Organisation SUNx Malta, ehemaliger Executive und erster Präsident der WTTC, muss die Reisebranche das Netto-Null-Ziel aus Glasgow bereits 2030 erfüllen statt erst 2050. "Netto-Null 2050 ist die zentrale Botschaft der Erklärung von Glasgow, die die UNWTO, das UN-Umweltprogramm, Tourism Declares a Climate Emergency, die Weltgemeinschaft etc. im Rahmen der COP26 abgegeben haben. Auch wir haben sie unterzeichnet, aber während diese Erklärung mit Sicherheit ein guter Anfang ist, sind wir überzeugt, dass Netto-Null nicht ausreicht und 2050 zu spät ist."

Lipman ermutigt den Tourimus als Gemeinschaft, vollkommen transparent zu arbeiten und Wissen zu teilen, um eine gesunde, umweltfreundliche Branche zu schaffen. "Ziele festzulegen, die erst in drei Jahrzehnten erfüllt werden müssen, löst das Problem nicht, da dies dafür sorgt, dass umweltschädliche Praktiken unverändert bleiben, wo sie längst ersetzt werden könnten. Wir müssen viel weiter gehen und viel schneller werden." / Sarah Douag

Verwandte Artikel

Sustainable Hospitality Alliance: Neuer, praktischer Nachhaltigkeitspfad für alle Hoteliers

4.11.2021

London. Um die Klima-Herausforderungen zu bewältigen, helfen nur Netzwerke und gemeinsame Ziele. Die Sustainable Hospitality Alliance, zu der aktuell 14 Ketten gehören, positioniert sich jetzt in Kooperation mit dem World Travel and Tourism Council als Stimme der Hospitality-Spezialisten. Sie will auch kleinen und grossen Hotels praktisch helfen.

{"host":"www.hospitalityinside.com","user-agent":"Mozilla/5.0 AppleWebKit/537.36 (KHTML, like Gecko; compatible; ClaudeBot/1.0; +claudebot@anthropic.com)","accept":"*/*","x-forwarded-for":"18.191.88.249","x-forwarded-host":"www.hospitalityinside.com","x-forwarded-port":"443","x-forwarded-proto":"https","x-forwarded-server":"d9311dca5b36","x-real-ip":"18.191.88.249","accept-encoding":"gzip"}REACT_APP_OVERWRITE_FRONTEND_HOST:hospitalityinside.com &&& REACT_APP_GRAPHQL_ENDPOINT:http://app/api/v1