Lecker bunt sozial zentral ITB Hospitality Day Talk 2017 Hostel Experten über das neue frische Feeling

Lecker, bunt, sozial, zentral

ITB Hospitality Day Talk 2017: Hostel-Experten über das neue frische Feeling

Aus dem Lab geboren: Schlafzimmer in AccorHotels' neuer Hostel-Marke Jo&Joe.

Berlin. Zum Absacker ins benachbarte Hostel? Für manche Anwohner ist dies längst keine Utopie mehr. "Hostels machen Spass, sie sind lecker, bunt, sozial, zentral, einzigartig, fantastisch", um nur einige Schlagwörter aus dem Image-Film der Hostelworld Group am 12. "ITB Hospitality Day" letzten Donnerstag in Berlin zu nennen. Die Hotel-Konferenz zeigte: Der Hostel-Markt befindet sich in einem massiven Wandel vom Backpacker-Image zum Social Hub der Stadt. Die meisten Investoren haben dies aber wohl noch nicht im vollen Umfang erkannt.

Paul Halpenny, Group Director Supply von Hostelworld, stellte eingangs fest: Der aktuelle Hub der Hostels befände sich in Europa – obwohl die USA der Ursprungsmarkt seien. Das Online-Portal bietet in dieser fragmentierten Branche über 35.000 Unterkünfte weltweit an. Diese reiche von kleineren Häuser mit 30 Betten bis zu grossen mit 2.000 Betten wie beispielsweise bei Meininger Hotels.

Lediglich acht Prozent der Häuser gehören dabei Marken an, der Rest wird individuell betrieben. "Es gibt in dieser Branche noch keine Marken-Geschichte", so Halpenny. Das Alter der Hostel-Gäste liege zwischen 18 und 35, Kerngruppe seien die 18- bis 25jährigen. Grundsätzlich reisen Hostel-Gäste länger als Hotel-Gäste, meist über vier Nächte, und häufig: mindestens viermal im Jahr. Und sie gäben mehr aus, zwar weniger für das Bett, dafür aber mehr für Aktivitäten in der Stadt wie Essen gehen, Touren und Besichtigungen. "Die höheren Ausgaben als bei einem durchschnittlichen Reisenden machen diese Gäste attraktiv."

Die Journalistin Sarah Douag, die die Diskussionsrunde "Hostels – refreshed. Von der Jugendherberge zum Social Hub für Junggebliebene" moderierte, sagte, dass jüngere Reisegruppen von der Schulklasse bis zur Sport-Mannschaft bis zum Jahr 2020 über 50 Prozent der Gäste stellen würden. Neben Individual-Reisenden zählen aber auch junggebliebene Business-Gäste oder Monteure sowie vereinzelt Senioren zu den unterschiedlichsten Zielgruppen der Hostels in Metropolen wie Berlin.

Moderatorin Sarah Douag und ihre Gäste Paul Halpenny, Fréderic Fontaine, Eric van Dijk und Frank Uffen.

Extra-Umsatz durch
das Flirt-Gefühl

Beispiel Meininger Hotels: Wie Eric van Dijk, Chief Operation Officer der Gruppe, in Berlin betonte, stellen Gruppen dort 30 Prozent der Gäste, 60 Prozent buchen Privatzimmer und lediglich zehn Prozent reisen als Backpacker. In den öffentlichen Bereichen Bar, Restaurant oder Küche zum Selbstkochen verteilen sich die Kunden dann je nach Neigung. "Die Business-Gäste findet man an der Bar", so van Dijk. Dass sich minderjährige Schulkinder dort eher nicht tummeln, gehöre auch zu den Sicherheitsaufgaben des Hostel-Betreibers. Die Minderjährigen tragen Bändchen, die anzeigen, dass ihnen kein Alkohol augeschenkt werden darf.

Das besondere Flair von The Student Hotels erklärte Frank Uffen, Director Marketing & Partnership, mit der Tatsache, dass Studenten noch nach vielem suchten und sehr neugierig seien. "Wir spüren ein unterbewertetes Flirtgefühl", erklärte er. Gäste sollten sich in den Häusern von The Student wohl fühlen, egal ob sie gerade aus dem Bett kämen oder im Anzug seien.

Den Umsatz generiert The Student Hotel dabei längst nicht nur aus der reinen Betten-Vermietung. Die Gruppe vermietet auch Tagungsräume, bietet gemeinsame Essen mit Lehrern und Professoren an und beginnt gerade, Co-Working Spaces zu eröffnen und zu vermieten.

Private Rooms und gemeinsame Kochkurse

Grundsätzlich, so Uffen, bieten Hostels längst auch Private Rooms an. Etwa neun von zehn Hostels hätten solche Privat-Zimmer, erklärte Halpenny, sie stellen inzwischen rund die Hälfte der Zimmer. Eric van Dijk brachte in diesem Zusammenhang einen neuen Begriff ins Spiel: die sogenannten Flashpacker – ehemalige Backpacker, die in Hostels wohnen möchten, aber heute Private Rooms buchen.

Während der Entwicklung der neuen Hostel-Marke Jo&Joe, so erläuterte Fréderic Fontaine, Senior Vice President Global Marketing Innovation Lab bei AccorHotels, habe man viel Zeit mit 18- bis 35jährigen Verbrauchern verbracht. Deren grösste Motivation, in alternativen Herbergen abzusteigen, sei die Freiheit dort. Man wolle sich an keine Zeiten oder Konventionen binden, dies sei z.B. auch ein Grund dafür, dass Jo&Joe 24 Stunden lang ein Frühstück biete.

Quelle: Hostelworld Group

 

Ein anderer Teil der Marktforschung befasste sich mit den Mitbewerbern. "Wir haben von den Hostels das Soziale gelernt", so Fontaine. "Das, was wir dort vorfanden, wollten wir weiter entwickeln." Im Fokus stehe dabei das Vermischen von Townsters und Tripsters, beispielsweise durch gemeinsame Kochkurse.

Weitere wichtige Punkte für Hostel-Gäste seien die Themen Sicherheit, Sauberkeit und Bequemlichkeit. Jo&Joe biete grössere Betten als die Mitbewerber und mehr Duschen. Es gebe Mehrbettzimmer, Private Rooms und wahrscheinlich auch Apartments. Laut Fontaine kann der Hostel-Gast auch in Paris schon ein Bett für 25 Euro bekommen. Allerdings gestand der Hotel-Mann ein, sei es schwierig, die eigene Denkweise von Zimmern auf Betten umzustellen.

"Jo&Joe wird ein Labor für uns sein. Was wir dort lernen, soll auch auf andere Marken übertragen werden", sagte Fontaine. Für die neue Marke habe man expizit Designer gewählt, die nie zuvor für die Hotellerie, sondern für Internet-Firmen gearbeitet hätten. In den Mehrbett-Zimmern stehen modifizierte Etagenbetten, Trennwände bieten mehr Privatsphäre. Viele Möbel haben zudem Räder und können verschoben werden. In den Schlafzimmern ist das Tragen von Schuhen untersagt.

Die beiden Pilotprojekte liegen in Frankreich und sollen Ende 2018 bzw. Ende 2019 eröffnen, für die Zukunft seien aber auch andere Länder und die USA im Visier. Zudem gebe es ein Projekt im Baskenland, das vielleicht noch in diesem Jahr als Popup-Hostel eröffnen könnte und eine Verbindung zum Strand haben wird. Jo&Joe sei für Resort-Destinationen durchaus denkbar.

Unterschiedliche Messwerte für den Erfolg

Bei Meininger verteilen sich derzeit 8.000 Betten auf 17 Häuser in Stadtlagen. Eröffnet wird bald ein zweites Hotel in Mailand, weitere 14 mit insgesamt 7.000 Betten sind für die nächsten drei Jahre avisiert. Die Meininger-Zimmer zeichnen sich durch Multifunktionalität und ein eigenes Bad aus. Es gibt z.B. auch Zimmer mit einem Doppel- und zwei Etagenbetten, die besonders bei Familien beliebt sind. "Vor dem Oktoberfest wohnen bei uns in München auch viele Schulklassen, dann nur Oktoberfest-Gäste und anschliessend zur Expo Real die Anzug-Träger", beschrieb van Dijk seine bunte Gästeschar.

Hostel-Hotel mit Lokalspirit: das Meininger in Brüssel.

Alle Meininger Hotels haben einen Bezug zur Region bzw. zum Gebäude. Ein Hotel in Brüssel ist beispielsweise in einer ehemaligen Brauerei untergebracht, das Hotel in Rom leht sich an die Filmindustrie an. Preislich vergleicht sich Meininger mit Budget-Hotels, wobei man allerdings mit einem kleinen Preis einsteige. "Aber durch Extras 100 Euro Umsatz zu erzielen, ist möglich", sagte van Dijk. "Auf RevPAR-Basis verdienen wir rund 15 Prozent mehr als ein Budget-Hotel."

Bei AccorHotels misst man den Umsatz nach Quadratmeter-Basis. Dabei handelt es sich laut Fontaine um die Kombination aus allen Umsätzen im Haus "Wir haben uns sehr viele Gedanken um die Kosten gemacht und sparen u.a. bei der Ausstattung der öffentlichen Räume", erklärte er. In den Bars arbeite man etwa mit Beamern und Leinwänden anstelle teurer Riesenbildschirme.

Vor jeder Eröffnung macht AccorHotels einen Community-Test in Facebook. Darin werden die Mitglieder aufgefordert, Ideen einzusenden wie beispielsweise ein Jo&Joe in Berlin aussehen könnte. Der Designer lässt diese Ideen dann in seine Entwürfe einfliessen.

Vom flexiblen Konzept bis zur Konfiguration von Gebäuden sei beim Hostel alles einfacher, unterstrich Paul Halpenny von Hostelworld. 60 Prozent der Gäste, die auf die Hostelword-Homepage kommen, seien Alleinreisende. Eines gilt jedoch für alle Hostels: Nichts ist bei der Einrichtung wichtiger als WLan. Und: Alle wollen das Community Feeling. Deshalb kann sich Halpenny sogar vorstellen, Tattoo-Studios, schrille Bars und Restaurants in Hostel-Konzepte zu integrieren.

Mutigere Investoren gesucht

Überzeugt ist die Hostel-Welt davon, dass ihre Häuser Anwohnern Freude bereiten. "Die Bar, das Restaurant... Dies alles bringt ihnen Vorteile", unterstrich Halpenny. "Die Städte suchen heute diesen Produkt-Typen, weil er öffentlich ist", so auch Frédéric Fontaine. Die Frage, ob Hostels eine Gefahr für die Budget-Hotellerie darstellten, verneinte der AccorHotels-Mann deutlich. "Wir werden von ihr importieren, was wir können. Aber es wird auch weiter Menschen geben, die die klassische Hotellerie bevorzugen", so seine Antwort.

Und wohin geht die Reise in dieser Branche? Grundsätzlich erhoffen sich die Hostel-Entwickler mehr Verständnis von Investoren. "Die Frage, die uns am häufigsten gestellt wird, ist, ob die Studenten und die Hotel-Gäste den gleichen Eingang benutzen", schmunzelte Uffen, der dem Konzept eine tolle Zukunft prognistizerte. "In Amsterdam ist der Anteil internationaler Studenten 2016 um 25 Prozent gestiegen", zeigte er auf. Hinzu kommt: Auslandsstudien-Semenster sind heute fast selbstverständlich geworden. Gleichzeitig pries Uffen die Flexibilität seines Konzeptes an, bei dem sich im Sommer Semesterräume in Hotelzimmer umwandeln lassen.

Investitionen in diesem Bereich nähmen zu, so der Repräsentant der Student Hotels. Eric van Dijk von Meininger vertrat hingegen die Meinung, dass Investoren und Entwickler noch mehr vom hybriden Hotel-Sektor überzeugt werden müssten.

Als am Ende der Diskussion das Auditorium befragt wurde, ob traditionelle Hotelketten den Hostel-Spirit verstehen, antworteten 56 Prozent: "Nein, traditonelle Hotelketten haben davon keine Ahnung." / Susanne Stauss

Hier geht's zum Video dieser Talkrunde in voller Länge!

 

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