"Es gibt keine Banken mehr, nur noch Blut- und Samenbanken!" Dieser geflügelte Satz, ausgesprochen von einem Referenten während des IHIF, entwickelte sich zum Tageswitz im InterContinental Hotel Berlin und während der Abend-Veranstaltungen. Die düsteren Prognosen über die Dauer der Krise reichten von einem Jahr bis zu sieben Jahren. Doch die meisten lachten - verzweifelt - über solche Aussagen; auch die Finanz- und Immobilien-Branche fühlt sich hilflos der "Kaffeesatzleserei" ausgeliefert. Markus Lehnert, Vice President International Development bei Marriott International mit Sitz in Zürich, meinte mit Blick auf seine Termine ironisch: "Ich hatte auch schon vor zwei Jahren Probleme, an Kapital zu kommen. Damals hat man mir 20 Minuten geschenkt, jetzt hat man drei Stunden Zeit."
Die Investoren/Kreditgeber verhalten sich abwartend, soviel ist klar. Karl J. Badstuber, der letzten Sommer Grand City Hotels in Deutschland verliess und als Vice President Operations Europe zur Hoteltochter Panorama Hospitality des Investmenthauses Morgan Stanley wechselte, bestätigt das: "Wir warten ab, wie sich 2009 entwickelt."
Der Mann, der sich in Europa um 19 Hotelassets - vornehmlich der Marken InterContinental und Hilton - kümmert, kann der Krise noch gute Seiten abgewinnen: "Der nächste Deal ist um die Ecke," weiss er sicher. Entscheidend ist momentan nur der Zeitpunkt: In einzelnen Märkten sind die Immobilienpreise noch nicht ganz am Boden. Also abwarten. Und nach wie vor neigt die Morgan Stanley-Tochter eher zu Portfolio-Käufen als zu Einzeltransaktionen. Warum? Der Aufwand bleibt der Gleiche. An diesem Prinzip ändert auch die Krise nichts. Und bis zum nächsten Deal heisst es deshalb: Umsatz heben und Kosten jonglieren.
Ähnlich klingt das Resümee übrigens von André Eberhard, Chefredakteur des Branchendienstes "Der Immobilienbrief", zur Immobilienmesse MIPIM in Cannes; diese überschnitt sich mit IHIF und ITB. An die Côte d'Azur kamen dieses Jahr offiziell 12.000 Teilnehmer weniger; auch dort gab es weniger Abendveranstaltungen, aber intensivere Gespräche tagsüber.
ITB Berlin: Bessere Gespräche, weniger Events
Im Vergleich zu den Immobilien- und Investment-Messen stand die ITB Berlin dieses Jahr immer noch sehr gut dar: Messe und Konferenzen verbuchten ein Plus. Doch auch hier war etwas anders. Emanuel Berger, Delegierter des Verwaltungsrates der Victoria Jungfrau AG in Interlaken/Schweiz und seit 1971 Besucher der ITB hat eine solche Stimmung noch nie erlebt. Berger empfand einerseits eine enorme Unsicherheit, andererseits sah er die fröhliche, "typische Touristiker-Natur," auch durch diese Krise hindurch zu marschieren. Ihm geben aber die Reiseströme, die global gleichzeitig abnehmen, heftig zu denken: "Es gibt keinen Ersatz mehr für ausbleibende Gästegruppen."
Bei der TUI liegt der gebuchte Umsatz derzeit elf Prozent unter dem Vorjahr, bei Neckermann sind es 20 Prozent. Zwei Indizen dafür, dass die Reisenden mit Flügen zumindest warten.
Das wäre, wie mehrere Studien zur ITB auch zeigen, die Chance für Deutschland und für die deutsche Hotellerie. An den Ständen der Hotelhalle 9 begegnete man so auch differenzierten Einschätzungen, selten aber extrem pessimistischen Aussagen.
Hyatt: Lounge statt Stand
Damit kristallisiert sich eines heraus: Die diesjährien ITB-Termine hatten wieder das eigentliche Geschäft im Fokus. Statt Champagner gab es Prosecco - das war dem Geschäftszwecke absolut förderlich. Selbst wenn man keinen eigenen Stand mehr hatte, wie z.B. Hyatt Hotels. Luise Hormann, Area Director of Sales Continental Europe Hyatt International, empfang den Auszug aus Halle 9 und den Einzug in die "Hyatt Lounge" am Übergang von Halle 15 ins ICC als absoluten Vorteil für das eigene Geschäft. In der Lounge-Nachbarschaft von Lufthansa, FraPort und Thomas Cook - sie alle hatten auf einen eigenen Stand verzichtet - "haben wir sehr gute und weit intensivere Gespräche als am Stand geführt," so Luise Hormann.
Viele Hyatt-Kollegen hielten sich zudem an den Ständen ihrer zuständigen Fremdenverkehrsämter auf und waren so gefordert, auch proaktiver als sonst auf Besucher zuzugehen. "Für uns war das eine gute ITB," so das Hyatt-Fazit. Neben der Kostenersparnis fühlt sich Luise Hormann auch am neuen Platz sehr wohl. Halle 9, die keine Durchgangshalle ist, empfand Hyatt schon lange nicht mehr als ideal, vor allem weil sich am Wochenende nur wenige Endverbraucher den Weg dorthin fanden.
Seit Jahren schon waren die Abende nicht mehr so "luftig" gewesen, umso überfüllter waren die wenigen Veranstaltungen, die es noch gab - beispielsweise bei der Steigenberger Küchenparty oder beim Treff des Travel Industry Club im Concorde Hotel Berlin. Networking war und ist also gefragt, und das nicht nur auf deutscher Ebene. Auch der erste, sehr spontan organisierte Empfang von Cornell University im Bristol Kempinski zog aus allen Ecken Berlins 120 internationale Gäste an.
Das Ketten-Management, und das war auch in vielen Aussagen während der Hotelkonferenz "ITB Hospitality Day" am ITB-Donnerstag spürbar, gibt sich durchweg höchst sensibel und versucht mehr denn je, seine Stärken zu betonen - wie beispielsweise den Stand der Verschuldung, die weitgehend durchfinanzierte Pipeline oder den menschlichen Umgang mit dem "Humankapital".
Eines war deutlich spürbar: Das Thema Mitarbeiter war bislang meist nur ein Lippenbekenntnis gewesen, und selbst den HR-Kampagnen der grossen Ketten etwas Ehrliches abzugewinnen, fiel in den letzten Jahren schwer.
Die Krise hat den Lernprozess jetzt immens beschleunigt: Wer in diesen Monaten - in absoluter Unkenntnis der künftigen Markt- bzw. Nachfrage-Entwicklung - zu schnell zu viel Personal entlässt, könnte sich gegenüber seinen Konkurrenten selbst um einen Wettbewerbsvorteil bringen: Wer nicht noch mehr Kosten sparen kann, kann sich gegenüber anderen nur noch durch Qualität profilieren. Und wer in dieser Situation keine qualifizierten Mitarbeiter mehr hat, verliert auch noch die Chance, den Umsatz zu steigern oder auch nur zu halten.
EXPERTEN-MEINUNGEN zu IHIF und ITB
Die beiden Experten Martina Fidlschuster und Christian Buer, beide im Team der redaktionellen Experten von hospitalityInside.com vertreten, mit ihren Einschätzungen zu ITB und IHIF:
Martina Fidlschuster, Geschäftsführerin Hotour Frankfurt:
"Es wird noch immer gerne geblufft bei IHIF und ITB. Doch während manche noch krampfhaft den Verlust von Umsätzen und Deals verbergen wollen, macht sich bei vielen anderen sympathische Offenheit breit. "Wir müssen alle Federn lassen, aber da kommen wir gemeinsam wieder raus," war häufig der Tenor. Bodenständigkeit und Nachhaltigkeit sind nicht mehr länger Attribute für Naive und 'Looser', sondern könnten die Tugenden der nächsten Jahre werden.
Ein Lichtblick: die Schockstarre mancher Immobilien-Investoren beginnt sich zu lösen, auch wenn es noch ein paar Monate dauern dürfte, bis Käufer und Verkäufer wieder einen gemeinsamen fairen Preis finden. Es wird zumindest wieder geredet, und das ist gut so. Gar nicht gut ist die Ohnmacht der Banker: Die derzeit geforderten Risikozuschläge und die Weitergabe der eigenen Kapitalbeschaffungskosten fressen die aktuellen Zinsvorteile soweit auf, dass die Investoren statt Fremdkapital besser gleich Eigenkapital einsetzen, wenn sie es denn haben. Die Gewinner sind deshalb eindeutig die eigenkapitalstarken Unternehmen, die sich vor Immobiliengeboten kaum retten können. Sie treiben deshalb gerade ihre Renditewünsche um 0,5% bis 0,75% nach oben. Also: Rückkehr zur Normalität bei Hotelinvestments. Sehr wohltuend."
Prof. Dr. Christian Buer, Dekan an der Hoschulschule Heilbronn:
"An der Investment-Conference IHIF war die Stimmung war gemischt. Einige waren davon überzeugt, dass wir noch stärker in die Krise rutschen werden und daher in den kommenden zwei Jahren keine Hotelentwicklungen mehr initiiert werden. Hintergründe: Investoren - insbesondere institutionelle - sehen sich zurzeit nicht in der Lage, die Finanzierung einer Immobilie gewährleisten zu können. Ferner sind Zwischenfinanzierungen von jeglichen Immobilienentwicklungen zurzeit nur schwer bzw. eingeschränkt zu bekommen. Letztlich läuft es gleich auf eine "Endfinanzierung" hinaus. Und schilesslich behelfen sich Banken mit längerfristigen Finanzierungen.
Das Modell: Grundlage ist die Investition inklusive Projekt- und Eigenleistungen. Davon werden 85% als Grundlage verwendet. Diese wiederum muss mit 25% Eigenkapital versehen sein. Dies bedeutet, dass der Endinvestor auch diese Finanzierung übernehmen muss. Dies wiederum bedeutet letztlich, dass insgesamt von der Investitionssumme inklusive Eigenleistungen und GÜ-Zuschlage 65% finanziert werden - auf fünf Jahre. Durch eine übliche Projektstruktur von rund 25% Nebenkosten und 10% GÜ-Gewinn kann so der gesamte Bau finanziert werden.
Desweiteren konnte ich auch Optimismus vernehmen. Man sprach von "anpacken" und davon, dass die Krise vor allem in 2009 stattfindet; danach sei der grösste Teil bereinigt. Mein Fazit lautet: ITB und IHIF waren ein guter Branchentreff, in denen die Wunden geleckt wurden, aber - und dies finde ich besonders gut - viel zugehört wurde. Früher hatten nur die "Grossen" gute Projekte. In der Zwischenzeit findet auch der "Kleine" wieder seinen Raum in der Branche." / map