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ITB-Panel zur Zukunft des "Hotels Mama": Ein Quentchen Skepsis bleibt

Diskussionen um die Probleme der Mittelständler: Moderator Steffen Weidemann, Marcus Smola, Susanne Weiss, Stephan Gerhard und Guglielmo Brentel.

Berlin. In der europäischen Hotel-Landschaft dominieren nach wie vor kleinere Familienbetriebe. Doch ihr Schicksal ist angesichts des Vormarsches der Kettenhotellerie im Budget- und Mittelklasse-Bereich ein brennendes Thema. Branchenvertreter mahnten innerhalb des Mittelstands dringend Veränderungen und Innovationswille an, ebenso das frühzeitige Agieren bei der Nachfolge-Regelung. Beim 6. "ITB Hospitality Day", der Hotelkonferenz der ITB Berlin, diskutierten Kenner der Szene die Zukunft der Familienbetriebe unter dem Titel "Aus für das Hotel Mama?".

Wo die Hotellerie eigentlich stehe, fragte Moderator Steffen Weidemann, CEO beim Institut für Hospitality Management aus Frankfurt, zu Beginn der Diskussionsrunde. Sei sie bereits so stark von Ketten durchdrungen und uniformiert wie der Einzelhandel oder eher so fragmentiert wie die Szene der Friseur-Betriebe? Und: Sollte man die Kettenhotellerie als Gefahr oder eher als Chance für Familienbetriebe betrachten?

Guglielmo Brentel.

Guglielmo Brentel, selbst Hotelier und Präsident der Hotellerie Suisse, fürchtet die Ketten nicht. "Die Kettenhotellerie bringt die Privathotellerie in Schwung", sagte er selbstbewusst. In der Stadt hätten Kettenhotels zwar Vorteile durch ihr gutes Marketing sowie ihre Aus- und Weiterbildungs-Möglichkeiten. Jedoch bestehe die Schweizer Hotellerie lediglich zu 30 Prozent aus Stadthotels. In Ferienhotels sei mehr Platz für Gefühle, hier könnten sich die Privaten durch vielerlei Gestaltungsmöglichkeiten oder sogar durch Gerüche positiv von Kettenbetrieben abheben.

Ausserdem, so der Eidgenosse, klinge die Bezeichnung "Mama & Papa"-Hotel despektierlich. Schliesslich sei es umso besser für ein Hotel, wenn es auch ohne Marken-Anschluss Erfolg habe. "Ein Hotelier ist ein Netzwerker, der Leistungen für seinen Zielgast bündelt", erklärt er. In den neunziger Jahren habe es in der Schweiz eine Bereinigung der Branche gegeben, weil viele Hoteliers durch die Einführung von Basel II den neuen Kreditvergabe-Kriterien nicht mehr gerecht werden konnten.

Doch Brentel befürwortete Veränderungen. "Es braucht eine Struktur-Bereinigung. Ich bin gegen Struktur-Erhalt, weil wir uns dann gegen innovative Konzepte stellen“, sagte er. Hinter Problemen einzelner Häuser steckten häufig persönliche Schicksale. Einen kleinen Betrieb zu führen sei zudem schwieriger, die Anforderungen an die Führung grösser als bei grossen Häusern. "Ein Manko in der Schweiz ist die Management-Fähigkeit", unterstreicht Brentel.

Ohne Profil geht nichts

Stephan Gerhard.

Diese Problematik kennt Stephan A. Gerhard, Chef der Treugast Solutions Group, auch aus Deutschland. "Sich einfach ins Hotel zu stellen und zu warten, dass Gäste kommen, geht nicht", sagte er und bedauerte, dass viele Hotels einfach kein Profil haben. Dabei sei die konzeptionelle Frage eine ganz wesentliche. Bei der Vermarktung stünden Hotelketten als Franchisegeber oder Kooperationen Privathotels zur Seite.

Darüber hinaus, so konstatierte Marcus Smola, Chef von Best Western Deutschland, würden Privathotels vom Anschluss an eine Marke auch zunehmend Beratung erwarten. Susanne Weiss, Geschäftsführerin der Ringhotels, bestätigte dies: "Das private Stadthotel hat häufig Qualitätsprobleme, das Flächenhotel Bekanntheitsprobleme. Dafür benötigen sie unsere Hilfe. Wir begleiten unsere Hoteliers auch zunehmend beratend." Laut Weiss gibt es noch etwa 10.000 Hotels in Deutschland, die keiner Marke oder Kooperation angehören. Hoteliers, die einen Teil ihrer Aufgaben zentralen Strukturen überliessen, hätten es aber leichter, sich auf Entwicklungen einzustellen.

Sippenhaft beim Generationswechsel

Susanne Weiss.

Ein sehr wichtiges Thema für Privathoteliers ist die Übergabe an die nächste Generation. "Nicht jeder Hotelier hat Kinder, und nicht alle Kinder wollen das Hotel tatsächlich übernehmen", so Weiss. Auch werde der nötige Übergang oft verdrängt. "Manche unserer Hoteliers glauben, sie sind unsterblich", beschreibt sie einen leider häufigen Zustand. Wer aber Kinder habe, die den Betrieb übernehmen wollten, müsse frühzeitig Form und Zeitpunkt dafür festlegen.

Dass so viele Hoteliers erst spät zur Nachfolge-Regelung übergehen, liegt laut Gerhard zum Teil auch an der Überschuldung ihrer Betriebe. "Viele Hotels in Deutschland haben Schulden. Und bei der Übergabe wird der Junior dann von der Bank in Sippenhaft genommen," weiss er.

In Italien sei dies ähnlich, Österreich habe eine bessere Nachfolge-Reglung. "Dort sind die Banken anders aufgestellt. Der Tourismus hat im Land einen anderen Stellenwert und es gibt mehr Förderung", sagt Gerhard. In Deutschland seien die sogenannten "Kirchturm-Banken" - Volksbanken und Sparkassen - am ehesten zur Kredit-Vergabe an mittelständische Hoteliers bereit.

Marcus Smola.

Ein weiterer Grund, weshalb die Nachfolge-Regelung oft verspätet in Angriff genommen werde, sei, dass "Mama und Papa" im Alltag den Kopf nicht frei dafür hätten. Wer keinen Nachfolger hat und die Immobilie verkaufen möchte, findet heute nur selten einen geeigneten Käufer. "Die Konvertierungsmöglichkeiten für Hotels auf dem Land sind sehr begrenzt, aber auch Städte brauchen nicht so viele Seminar oder Altenheime wie es Hotels auf dem Markt gibt", sagte Berater Gerhard.

Neue Formen der Kooperation

Alle Diskutanten empfahlen Betreibern von Privathotels den Anschluss an eine Kooperation. Brentel stellt in diesem Zusammenhang eine völlig neue Art der Kooperation vor: Unter dem Namen "Matterhorn Valley Hotels" haben sieben Hoteliers in Grächen ihre Häuser zu einem zusammen geschlossen. "Jeder macht das, was er am besten kann", erklärte Brentel. "Einer macht die Restauration, ein anderer ist von Beruf Wandelbegleiter, ein anderer besonders gut im Marketing und so weiter…" Auch Kooperationsformen wie diese liessen sich vervielfältigen.

Steffen Weidemann.

Das endgültige "Aus" der Privaten wollte diese Runde nicht einläuten. "Das Internet bietet Privathotels die Möglichkeit, sich besser zu vermarkten als Kettenhotels", meinte Brendel. Weiss war davon überzeugt, dass ihre Ringhoteliers die besten Voraussetzungen für die Zukunft haben. "Der Megatrend heisst Individualisierung", erklärte sie. Wichtig sei, dass die Häuser authentisch blieben und sich Marktnischen suchten. Ein Ringhotelier habe beispielsweise sehr grossen Erfolg als "erstes kinderfreies Hotel im Bayerischen Wald".

Marcus Smola führte die Leidenschaft der Hoteliers und ihre Gastronomie als USP der Privaten für die Zukunft auf. Gerhard hingegen blieb skeptisch: "Privathoteliers haben ihre Innovationskraft verloren", bemängelte er. Die neuen "Mama-Hotels" hiessen 25hours, Roomers, Pure oder East - bei diesen privaten Newcomern der letzten Jahre handelt es sich um Konzepte der deutschen Hotel-Avantgarde. / Susanne Stauss


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