Business Travel Hygiene ist die neue Sicherheit Das Geschäftsreise Segment verändert sich Viel Verständis für Hotels
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Hygiene ist die neue Sicherheit

Das Geschäftsreise-Segment verändert sich – Viel Verständis für Hotels

Der Geschäftsreisende: auf dem Weg in eine neue Zukunft aus klinischer Hygiene und Social Distancing.Foto: Halfpoint stock adobe

München. Business Travel ist tot, es lebe das neue Geschäft. Aber wie bald und wie anders? Drei Geschäftsreise-Experten blicken auf die nächsten Wochen. Die Zukunft dieses Segments wird vor allem in Hotels von dem Vertrauen abhängen, das die Häuser mit ihren Hygiene- und Sicherheitskonzepten erzeugen können. Denn, abgesehen von internationalen Reisewarnungen, dominiert allerorts immer noch die Vermeidungsstrategie: keine Reise, kein Risiko. Nachverhandlungen mit Hotels über Verträge findet der Verband Deutsches Reise-Management übrigens unethisch – ganz im Gegensatz zu OTAs.

Bis Mitte Mai erlaubten noch drei Viertel der Unternehmen Geschäftsreisen nur in begründeten Ausnahmefällen, so ein Ergebnis des seit März durchgeführten Barometers des VDR unter rund 100 Travel Managern grosser Unternehmen. Andere Ergebnisse des Barometers zeigen, dass sich die Stimmung langsam ändert. Sprach Ende März noch fast jedes zweite grosse Unternehmen in Deutschland ein gänzliches Geschäftsreise-Verbot aus, auch für Ziele innerhalb Deutschlands, so war es Ende April nur noch jedes fünfte und Mitte Mai waren es lediglich 12%.

"Alle wollen hinaus. Gerade den Aussendienst drängt es zu den Kunden", berichtete Inge Pirner letzte Woche, zuständig für Travel und Mobility bei der Datev in Nürnberg, einer Software-Firma für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Auch beim Pharmariesen Merck sucht man den Weg zurück ins neue Geschäftsreise-Leben. Bis Monatsende werden etwa 40% der Mitarbeiter wieder in den Räumen des Unternehmens arbeiten. "Reise-Aktivitäten könnten möglicherweise nach der Aufhebung der allgemeinen Reise-Beschränkungen durch den Bund am 15. Juni 2020 starten", mutmasst Christoph Carnier, Senior Director Head of Procurement Category Travel, Fleet & Events bei Merck.

Inge Pirner: In ihrem Unternehmen bleiben die Hotel-Verträge für 2020 und 2021 bestehen.Foto: Datev

Gleiches vermutet auch Holger Schmeding, Geschäftsführer des Geschäftsreise-Management-Anbieters BCD Travel Germany: "Die Anzahl der Dienstreisen wird wieder ansteigen, sobald die Reiseverbote aufgehoben werden und Gesundheitsorganisationen sagen, dass es sicher ist zu reisen." Auch Ereignisse wie 9/11 oder die globale Finanzkrise hätten in der Vergangenheit gelehrt, dass sich das Geschäftsreise-Segment erholen wird. "Von der Führungsetage bis hin zum einfachen Angestellten wollen sich die Mitarbeiter schnell wieder ums Geschäft kümmern – für die Gesundheit des Unternehmens und die der Wirtschaft als Ganzes."

Künftig nur noch 60-80% der Reisen

Als Vehikel für die Lust am neuen Reise-Alltag könnten auch die Pfingstferien und die Planungen für den Sommer-Urlaubs wirken. "Die gleiche Anzahl an Geschäftsreisen werden wir nach der Pandemie aber sicher nicht mehr haben – vielleicht 60-80% der bisherigen Reisen", glaubt Inge Pirner und verweist – mit Blick auf digitale Erfahrungen und Kosten-Einsparungen – auf die vielerorts nun strengen Prüfungen, ob eine Geschäftsreise wirklich notwendig ist.

Christoph Carnier, seines Zeichens auch VDR-Präsident, geht von etwa 80% aus, sofern es keine schnelle zweite Welle gibt und sich die Unternehmen wirtschaftlich zügig wieder erholen. Auch könnte er sich vorstellen, dass künftig weniger, aber längere Reisen an einem Ort mit mehreren Terminen unternommen werden. "Man wird flexibler entscheiden, ob ein Online- oder Präsenz-Meeting stattfinden soll." Und auch Inge Pirner ist davon überzeugt, dass sich die Mobilität in den nächsten Monaten komplett verändern wird – hin zu mehr Autofahrten statt Flugreisen. "Wir haben vor zehn Wochen ein Mobilitätskonzept für die nächsten fünf Jahre entwickelt, bei dem es u.a. auch um die Vermeidung von Flugreisen geht. Vieles davon ist nun schon heute Realität geworden."

In jedem Fall bleiben Geschäftsreisen wichtig und werden künftig wieder eine bedeutende Rolle für Unternehmen spielen, davon ist Christoph Carnier überzeugt. Negativ-Ausblicke bringen niemanden weiter. "Vielmehr geht es jetzt darum, in den nächsten Monaten die Unternehmen in eine neue Normalität der geschäftlichen Mobilität zu begleiten", sagt der VDR-Präsident. Deshalb wurde gerade die VDR-Taskforce "Restart Business Travel" gegründet, der Geschäftsreise-Manager angehören sowie Anbieter von Mobilitäts-Dienstleistungen, u.a. aus der Hotellerie. Zur Teilnahme können sich Hotels bei Interesse selbst melden.

Holger Schmeding: Die Hygiene-Massnahmen der Hotels sind gut, aber es fehlen universelle Standards.Foto: BCD Travel

Eines der Taskforce-Ziele ist es, die geplanten Hygiene- und Service-Konzepte der Mobilitätsanbieter mit den Anforderungen der Unternehmen abzugleichen, Orientierungshilfen zu geben und gegebenenfalls Forderungen an die Politik abzuleiten. Es geht nicht darum, dass Unternehmen strengere Richtlinien an die Hotels stellen als die Behörden – die Ämter sollen vielmehr selbst die Einhaltung ihrer Vorschriften überprüfen. "Was vermieden werden sollte, ist zusätzlicher Aufwand, der für den Geschäftsreisenden offensichtlich nicht nachvollziehbar sind", sagt Christoph Carnier. In diesem Sinne gehe es eher um koordinierte Massnahmen statt Einzellösungen, "bei allem Respekt vor dem Engagement, hier etwas Gutes machen zu wollen".

Hygiene ist die neue Sicherheit

Hygiene, Sicherheit, Fürsorge – diese Themen haben mehr denn je höchste Priorität in den Geschäftsreise-Programmen von Unternehmen erlangt. Für Holger Schmeding sind sie jetzt sogar genauso wichtig wie Kosten- und Einspar-Aspekte. Die Vielzahl der Hotel-Hygiene-Initiativen der letzten Wochen werden dabei von den Kunden wahrgenommen und geschätzt. "Gleichwohl fehlt ein universeller Standard. Das macht es für Travel Manager schwierig, Richtlinien für Reisende zu erstellen", sagt er. Bei BCD Travel arbeitet man deshalb mit den Kunden daran, in den eigenen Tools "die verschiedenen Ansätze der Hotelketten in Bezug auf Hotel-Sauberkeit zu vereinheitlichen, einen Standard zur Bewertung der Hotel-Protokolle zu entwickeln und den Reisenden die nötigen Informationen zur Sauberkeit und Sicherheit eines Hotels zu geben".

Letztlich verlangen die Hygiene-Konzepte der Hotels den Geschäftsreisenden aber auch viel Vertrauen ab, weil Überprüfungen schwierig sind. Hier bräuchte es mehr Sichtbarkeit der Massnahmen, sagen die Travel Manager, so schwierig das sei. "Aber man dürfe dies nicht falsch verstehen", betont Christoph Carnier. "Es besteht grundsätzlich kein Misstrauen gegenüber der Branche. Hotels sind keine Gefahr während der Reise." Und wer in der Vergangenheit in einem unsauberen Hotel war, hat dieses danach auch gemieden.

Vertrags-Nachverhandlungen mit Hotels sind unethisch

Überhaupt bringen die beiden Travel Manager und VDR-Vertreter viel Verständnis für die gastgewerbliche Branche mit. Die wirtschaftlichen Einbrüche, die zusätzlichen Hygienekosten, die eingeschränkten Kapazitäten – all das würden die Unternehmen durchaus sehen. "Daher finde ich persönlich einen Aufruf, maximal nachzuverhandeln, weil die Branche unter Druck ist, fast unethisch", sagt Christoph Carnier. Eher empfehle sich z.B. ein Einfrieren der Verträge bis nächstes Jahr. Das schaffe auf beiden Seiten Planungssicherheit, schliesslich wissen auch die Unternehmen nicht, wie sich die Volumina entwickeln. Damit bezieht der VDR-Präsident eine deutlich andere Position als beispielsweise HRS-Chef Tobias Ragge, der per eigener Umfrage den Hotels suggerieren wollte, dass Travel Manager mit niedrigeren Preisen rechnen würden.

Christoph Carnier: Der VDR hat eine Taskforce 'Restart Business Travel' gegründet. Hotels können mitmachen.Foto: VDR

Holger Schmeding bestätigt das Statement des VDR-Präsidenten: "Die Kunden wollen nicht, dass ihre Ausschreibung eine unnötige Belastung für eine ohnehin schon überlastete Branche darstellt. Gleichzeitig wollen sie aber auch proaktiv und vorbereitet sein, wenn Geschäftsreisen wieder aufgenommen werden." Aktuell empfiehlt das Geschäftsreise-Management-Unternehmen daher die mögliche Einführung von Rate Targets, also die Anwendung von Ratenzielen anstelle von Raten-Obergrenzen. "Rate Targets zeigen dem Reisenden bei der Buchung eine kostengünstige Rate an und animieren ihn, diese oder eine günstigere Rate zu buchen", erklärt BCD Travel. "Wenn Reisende auf niedrige, kostengünstige Raten festgelegt sind, buchen sie bessere Raten und sparen Geld."

Auch bei der Datev werden die bereits ausgehandelten Verträge für 2020 und 2021 bestehen bleiben. Laut Inge Pirner werde sich ohnehin erst in den nächsten Monaten zeigen, inwiefern die Hotels die Preise bei all den Hygiene-Mehrausgaben halten können und inwiefern z.B. die veränderte Mehrwertsteuer beim Frühstück angewendet wird.

Die Travel Manager stehen derzeit vor einem Berg von Fragen, die sie lösen müssen: Welche behördlichen Vorschriften im In- und Ausland gibt es? Welche Voraussetzungen müssen für Grenzübertritte bei internationalen Reisen erfüllt sein? Wer übernimmt Regress-Pflichten bei Infektionen während der Reise, im Hotel, im Transportmittel? Wie muss man bei einer plötzlich notwendigen Quarantäne handeln? Und nicht zuletzt: Was und wie hat sich in vier Wochen schon wieder komplett gedreht?

Es waren die Business Traveller, die den noch geöffneten Hotels sowie den Serviced Apartmenthäusern und Aparthotels in den letzten Wochen geblieben sind. Die vielen emotionalen Geschichten von gestrandeten Geschäftsreisenden aus Italien bis Indien dürften sich tief in die Erinnerung der Hotelteams und Gäste eingebrannt und eine einmalige Gästebindung entwickelt haben. Das Zimmer und das Serviced Apartment war zumindest seit März ein "sicherer Hafen" in einer Welt, die über Nacht aus den Fugen geraten ist.

Die nächsten Monate werden zeigen, wie sich Hotels selbst als neue Sicherheitsinseln und Orte des Wohlfühlens glaubwürdig verkaufen werden können. Bei einem intensiven Austausch aller Beteiligten stehen die Chancen gut. / Sylvie Konzack

 

 

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