Das Land der Wellness Ruinen Österreich mutiert zum Massen Markt für Wellbeing Nur top bleibt top
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Das Land der Wellness-Ruinen?

Österreich mutiert zum Massen-Markt für Wellbeing – Nur top bleibt top

Ein alter, leerer Pool. Droht dieses Szenario österreichischen Wellness-Hotels?Foto: Adobe Stock Mariusz Niedzwiedzki

Innsbruck. Auch im Wellness-Pionierland Österreich fühlen sich immer weniger Hoteliers mit der Wellbeing-Entwicklung wohl. Das grösste Problem: Wellness ist Massenware geworden. Zwischen 1.600 und 1.850 Wellnesshotels nehmen sich gegenseitig die Luft zum Atmen. Nur wenige Betriebe bleiben wirtschaftlich in Top-Form. Doch wie will man mit einer schwindenden Anzahl an Mitarbeitern wieder frischen Schwung für neue Konzepte nehmen? Michaela Thaler, Geschäftsführerin der österreichischen Kooperation Best Alpine Wellness, kritisiert und appelliert…

Wellness ist kein Add-On mehr, sondern ein Basis-Angebot – zumindest in Österreich, sagt Michaela Thaler, seit 2004 Geschäftsführerin der österreichischen Kooperation Best Alpine Wellness. 16 Mitgliedshotels gehören der Vereinigung an – mit steigender Tendenz. 2021 kommt noch ein Betrieb dazu. Die Besten des Segments gehören zu BAW, auch weil sie sich verpflichtet haben, die von der Kooperation gesetzten hohen Standards einzuhalten. Die Crème dieser Betriebe erwirtschaftet passablen Profit und tut sich leicht, weiter zu investieren und bei den Trends am Ball zu bleiben.

Die Diskrepanz zu den anderen Wellnesshotels im Land ist gross geworden. Im einstigen Pionierland Österreich, das von Anfang an Wohlfühlen über Qualität definierte, ist Wellness zur Massenware mutiert. Insgesamt zählt Österreich derzeit über 1.850 Hotels im 4-Sterne-Bereich und höher. Davon ordnen der Relax Guide Österreich und die Wirtschaftskammer Österreich etwa 1.600 Häuser als Wellnesshotels ein – was entsprechend der angebotenen Struktur sicherlich stimmt, "aber die Frage ist, ob man deshalb schon ein Wellnesshotel ist?", relativiert die Branchenfachfrau Thaler.

Über diese Frage hat man auch schon vor 20 Jahren diskutiert, zu Beginn des Wellness-Booms. Umso bizarrer ist es, dass die Statistik heute immer noch keine Hotels nach professionellen Wellnesskriterien filtert.

Michaela Thaler: Die bezahlten Dienstleistungen gehen deutlich zurück.Foto: Hasselblad H5D

Der Fluch der unbezahlten Flächen

Damit ist logisch, dass in diesem undefinierten Wellness-Sumpf der Verdrängungswettbewerb massiv eingesetzt hat. Die Chancen eines Betriebs, sich mit einem eigenen Profil abzuheben, schwinden. Genau wie ihr deutscher Kollege Michael Altewischer von Wellness Hotels & Resorts beklagt Michaela Thaler auch für Österreich den Fluch des Hardware-Overkills: "Aus den unbezahlten Passivflächen in den Wellness-Anlagen kommt niemand mehr raus", sagt sie. Es bahnt sich sogar noch Heftigeres an: "Seit etwa drei Jahren gehen die bezahlten Dienstleistungen deutlich zurück. Das berichtet etwa die Hälfte unserer Mitglieder," ergänzt sie.

Die meisten Hoteliers haben sich aber nicht nur mit ihren gigantischen Pools, weitläufigen Sauna-Landschaften und Ruheräumen selbst ein Bein gestellt. Sie haben sich auch noch als kulinarische Gastgeber um Profit gebracht – mit der Einführung der "Dreiviertel-Pension". Diese würden die meisten am liebsten sofort wieder abschaffen, so Michaela Thaler. Das F&B-Angebot ist seit etwa 25 bis 30 Jahren bei Gästen in Österreich wie in Südtirol äusserst beliebt: Von Mittag bis zum späten Nachmittag bieten fast alle Hotels kostenlose Kost an. Was mit Suppe und Salat begann, blähte sich inzwischen zu Büffets auf. Vor allem Familien nutzen dieses Angebot gerne im Winter und sparen damit die Skihütten-Verpflegung. Aber auch Wellness-Gäste lieben es, den ganzen Tag im Bademantel zu leben und nebenbei zu geniessen…

Mittelmass bleibt Mittelmass

Die Umsatz-Ressourcen für Wellness-Hotels haben sich damit drastisch reduziert. Die Gäste wieder zu entwöhnen, dürfte nicht funktionieren: Die Wellness-Klientel in Österreich kommt fast ausschliesslich aus dem deutschsprachigen Raum. Für eine internationalere Vermarktung gibt es zu wenige englischsprachige Mitarbeiter in den Alpen oder an den Seen.

Der Weg zum Gewinn führt über die Umweg-Finanzierung: Die österreichischen Wellnesshotels erhöhen ihre Übernachtungspreise. Das funktioniert, wie die Statistik von Best Alpine Wellness zeigt: Von 2016 auf 2018 stieg der durchschnittliche Erlös pro Gastnacht bei den BAW-Betrieben von 159 auf 173 Euro, landesweit gesehen aber lag der Wert auf deutlich tieferem Niveau, auch wenn der Erlös von 124 auf 138 Euro stieg. Immerhin, es gibt noch viel Luft nach oben, wie der Wert der Top 3-Wellnesshotels von BAW zeigen: Sie schafften es, den Erlös pro Gastnacht in den genannten zwei Jahren von 188 auf 208 Euro zu steigern.

Nur Spas mit Spezialisten haben noch eine Chance. Eine Ayurveda-Behandlung im Kristall-Spa des Hotel Hochschober, Kärnten.Foto: Hochschober

Diese Zahlen spiegeln also, einfach übersetzt, dieses Bild: Wer Mittelmass bietet, bleibt Mittelmass. Wer sich anstrengt, schafft Steigerungen. Wer Wellness konstant hoch-professionell betreibt, ist kaum noch einzuholen.

Das spiegelt auch die Zimmer-Belegung, die letztes Jahr bei BAW um durchschnittlich 3,4% stieg. 2017 bis 2019 schafften die Hotels in der Gruppe einen Schnitt von 80-87%. Die Top 3-Hotels hatten 2018 mit 94,8% die Nase wieder weit vorn und lagen auch weit über dem österreichischen Durchschnitt.

Spa-Erlöse brechen ein

Es gibt allerdings einen Wermutstropfen: Der Deckungsbeitrag pro Nacht war 2018 gleich mit dem Wert von 2016. Grund waren zum einen die rückläufigen Spa-Erlöse pro Nacht; im F&B waren die Erlöse hingegen von 30 auf 33% gestiegen. Ein anderer Grund: Die Gäste sparen. Der Produkt-Verkauf bei Kosmetik stagniert vielerorts, weil schönheitsbewusste Damen immer weniger Lust auf Ferien-Experimente mit ihrer Haut haben oder in den Hotel-Spas nichts aufregendes Neues sehen. In einigen grossen Wellnesshotels sind Kosmetik-Linien deshalb von acht auf drei Produktlinien geschrumpft, hat die BAW-Chefin beobachtet.

Durchgängig stabil ist die Nachfrage nach Massagen – und heiss begehrt ist jedes Spa, das mit Spezialisten aufwarten kann, z.B. einem Ayurveda-Guru. "Im hochpreisigen Segment ist die Spezialisierung ein Muss", so Thaler. Ein Boom entwickle sich gerade um riesige Event-Saunen, in denen bis zu 80 Personen freiwillig gemeinsam schwitzen… Michaela Thaler aber gibt im Sinne einer langfristig erfolgreichen Strategie zu bedenken: Wer Wasser, Sauna thematisch mit Natur, Bewegung und Fitness kombinieren kann, hebt neues Potential. Wer nur Einzelleistungen einzeln vermarktet, bleibt im Umsatz zurück. Damit dreht sich die Diskussion wieder um das gesamte, segment-übergreifende Konzept und nicht um die nackte Hardware.

Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer bei BAW liegt zwischen 3,7 und 3,9 Tagen. Wellnesshotels, die ihr Geschäft fast nur am Wochenende generieren, bleiben zwischen zwei und drei Nächten stehen.

Der Hebel zum Wachstum von Aufenthaltsdauer, Belegung und Ausgaben liegt damit allein auf den Behandlungen – und dem Aufspüren von Trends. Umsatz-Potential versprechen derzeit Angebote zur Entschleunigung, aber auch alles Regionale, das sich in der Kulinarik oder in Kosmetik-Produkten widerspiegelt.

Das jüngste BAW-Mitglied: der Nesslerhof in Grossarl im Salzburger Land. Es greift das Thema Natur auf.Foto: Nesslerhof

Alpine Wellnesshotels
am erfolgreichsten

All das lässt sich nur umsetzen, wenn der Hotelier kompetente Mitarbeiter und hochkarätige Spezialisten findet. "Es fehlt aber überall an Personal", sieht auch Thaler, "vor allem z.B. bei den Spa-Leitern. Aber generell würde ich sagen: Überall fehlen mindestens 10% der Mitarbeiter."

Best Alpine Wellness Hotels sitzen fast alle in den Bergen, wo sich das ganze Jahr über ein grosser Gestaltungsspielraum durch die Synergien von Indoor- und Outdoor-Aktivitäten ergibt. "Das alpine Wellnesshotel ist das erfolgreichste aller Wellness-Varianten", hat Michaela Thaler im Vergleich mit Spa-Hotels am Meer, auf niedrigeren Berghöhen oder mit ungewöhnlichen Schwerpunkten festgestellt: "Das Medical Wellnesshotel steht in der alpinen Ferienhotellerie still", spricht sie ein Segment an, dem man zumindest bis 2008 – bis zur Finanzkrise – noch eine grosse Zukunft prophezeit hatte.

Österreichs Pioniere haben die Power des Wohlfühlens vor 20 Jahren schnell und richtig erkannt. Die mittelständischen Familienhotels waren mit ihrer Kreativität über Jahre hin sogar Vorbilder für die grossen Ketten, die so manche Idee in die USA transferierten. Abgedriftet sind dann schliesslich auch die Österreicher – aber nicht allein wegen der vielen Wellnesshotels mehr am Markt, sondern weil sie den Kern des Themas bis heute nicht verinnerlicht haben. Sie denken immer noch in den Schubladen, die sie an der Hotelfachschule vor 30 und 40 Jahren gelernt haben: Wir machen einfach das, was beim Nachbarn auch funktioniert! Bleibt zu hoffen, dass die junge Generation den aktuellen Abwärtsdrift aufhält. 1.600 Wellness-Ruinen im Land wären keine Empfehlung für den Tourismus-Pionier Österreich. / Maria Pütz-Willems

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