Das sind Taschenspieler Tricks Seetel CEO Rolf Seelige Steinhoff über Berliner Finanzhilfen die keine sind

Das sind Taschenspieler-Tricks

Seetel-CEO Rolf Seelige-Steinhoff über Berliner Finanzhilfen, die keine sind

Das neue Seehotel Kaiserstrand in Bansin auf Usedom: Zimmer mit Traumblick und leere Strandkörbe.Foto: Seetelhotels

Ahlbeck. Viele Politiker sind keine Vorbilder mehr – und sagen auch nicht die Wahrheit. "Zuschüsse für uns werden als Geschenk bezeichnet", wettert Rolf Seelige-Steinhoff, CEO von Seetel, über die Berliner Regierung. "Das sind Taschenspieler-Tricks." An jeder Finanzhilfe verdient der Staat zudem selbst noch kräftig mit.

Die gesamte Gemenge-Lage ist volkswirtschaftlich katastrophal aufbereitet, kritisieren Rolf Seelige-Steinhoff und sein Chief Executive Director Walter C. Neumann im nachfolgenden Interview unisono das Chaos, das seit einem Jahr vom Bundesfinanz- und -wirtschaftsministerium ausgeht.

Mit 16 Hotels und über 500 Mitarbeitern ist Seetel die grösste Hotelgruppe und der grösste Arbeitgeber auf der Ferieninsel Usedom, deren einzige grosse Einnahme-Quelle der Tourismus ist. Als Unternehmer und scharfer Zahlen-Analytiker hat sich Seelige-Steinhoff in den vergangenen Jahren Respekt und Gehör verschafft, viele Auszeichnungen bekommen und niemals nachgelassen, in noch so ausweglosen Situationen Lösungen zu finden. So war er der erste Hotel-Unternehmer, der auf Usedom letztes Jahr schon ein eigenes Testzentrum für alle gründete.

Jetzt reicht es dem Unternehmer. Hier sprechen er und sein Kollege Walter Neumann gemeinsam Klartext.

Rolf Seelige-Steinhoff und Walter C. Neumann: Null Perspektive ruiniert ein Lebenswerk.Foto: mandy knuth photography

Zwei Wochen nach Ostern, im Jahr 2021: Was ist los auf Usedom?

Nichts. Wo keine Geschäftsreisenden sind, ist das Leben zu 99% tot. Die Hotels haben inzwischen seit über 230 Tagen geschlossen, die Branche ist seit sechs Monaten durchgehend geschlossen. Wir haben immer noch keine Perspektive. So zeigt die Politik vor allem uns, dass sie selbst immer noch kein Konzept hat. Wenn sie endlich mal über Notbremse und einzuleitende Massnahmen spricht, hält sie sich aber selbst auch nicht daran. Viele Politiker sind keine Vorbilder mehr – und sagen auch nicht die Wahrheit.

Der Kanzlerin rutschte vor kurzem ein Satz heraus, der etwas abfällig klang in der Art 'Ach ja, irgendwann mache ich die Hotels dann auch auf...' Deprimiert Sie das?

Diese Branche geniesst keinerlei Wertschätzung in der Regierung (Anm.d.Red: einer Koalition aus CDU/CSU und SPD). Auf Landesebene (Red: SPD-geführt) kann ich in einigen Punkten hingegen die Zusammenarbeit loben und regional klappt es sehr gut: Wöchentliche Video-Konferenzen halten die Hotel-Kollegen auf der Insel, die Tourismus-Beteiligten und Verbände zusammen.

Und wir zeigen Gesicht nach aussen: Unser Kollege und Dehoga-Chef Lars Schwarz hat vier Wochen lang vor dem Schweriner Schloss jeweils eine Demo mit maxmial erlaubten 200 Personen durchgezogen. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig war auch dort und holt inzwischen auch Menschen von der Basis mit in ihre Workshops. Und wir als Seetelhotels-Gruppe haben auch das traurige Banner-Motiv mitentwickelt. Es hat viele Nachahmer im Land gefunden. Hier oben an der Ostsee sind die Wege kurz, da lässt sich noch etwas umsetzen.

Als kleine Hotelgruppe mit nur 16 Betrieben haben Sie im Dezember als erste vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Verletzung der Grundrechte geklagt. Ihre Klage wurde abgewiesen, ohne Begründung – was nur beim BVG erlaubt ist. Wie ist der Stand?

Wir gehen bereits den Weg durch die Distanzen. Das wird lustig. Unsere Klage ist inzwischen vom Verwaltungsgericht Berlin über Bonn beim VG Köln gelandet und soll wieder zurück nach Berlin. Zuständig dafür fühlt sich niemand. Jeder schiebt die Verantwortung weiter.

Dabei ist die Verantwortung in dieser Frage von elementarer Bedeutung: Wir würden gerne sehr genau wissen wollen, inwieweit der Staat einzelne gewerbetreibende Wirtschaftsbereiche komplett einschränken darf, nicht nur im Beruf, sondern auch in ihren Eigentumsrechten. Zudem will der Staat in der Pandemie keine Entschädigungen zahlen. Das sind keine Umgangsformen mit den Bürgern eines demokratischen Landes und widerspricht eindeutig unseren Grundrechten.

Alle spielen offenbar auf Zeit, um der Verantwortung zu entgehen. Sehen Sie dieses deutsche Zaudern auch bei den Finanzhilfen, die die Regierung angeblich so grosszügig über betroffene Branchen hinweg gestreut hat?

Der Bevölkerung suggeriert man aus Berlin immer wieder Gutes nach dem Motto "Die kriegen und kriegen" – aber es entspricht nicht der Wahrheit. Selbst Zuschüsse für uns werden als Geschenk bezeichnet – da sagt jemand vorsätzlich die Unwahrheit!

In Wahrheit sind die ganzen 'verlorenen Zuschüsse' ergebniswirksam und müssen somit versteuert werden. Auch wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, solche Zuschüsse zu verbuchen, macht es sich immer steuerlich bemerkbar. Es ist eine Liquiditätshilfe, aber sie wird komplett als Ertrag gebucht. Würde man bspw. Corona-bedingt ein Ergebnis von Null erzielen und erhält dann einen Zuschuss von 200.000 Euro wäre das Jahresergebnis positiv und versteuerbar. Aber die Tilgung müsste trotzdem noch daraus geleistet werden.
Das sind Taschenspieler-Tricks! Da wird ein Geschenk suggeriert, aber wir bekommen nur Liquidätsunterstützung und die auch noch Monate später. Mehr ist es nicht!

Und wie schaut es bei den KfW-Krediten aus?

Auch wir haben KfW-Kreditverträge unterzeichnet und haben wie viele Kollegen erst im Nachhinein mitbekommen, dass hier das Beihilferecht Auswirkungen für uns hat. So weit, dass bei Laufzeiten von über 6 Jahren der Kredit zum Nennwert angesetzt und von der Förderung abgezogen wurde!

Der Staat resp. das Finanz- und Wirtschaftsministerium versetzen sich also erst gar nicht in Unternehmer-Nöte hinein?

Nein, der Staat nutzt die Krise sogar noch zu seinen Gunsten aus. Er ist ein Krisen-Gewinnler. Im Mai 2020 hat er die bisher ausgegebenen Milliarden mit rund -0,4% eingekauft, es gibt Programme für Klein-Unternehmen mit 1% und Schnellkredite mit 100% Haftungsfreistellung für 3% Zinsen. Im Mittel ergibt das eine Verzinsung von um die 2%.

Das heisst, der Staat generiert über die Kredite beachtliche Zinseinnahmen und das Geld fliesst zurück. Was also stellt uns der Staat eigentlich an Hilfen zur Verfügung? Gleiches gilt für Bürgschaften. Auch dafür zahlen wir Unternehmer Zinsen – und es fliesst in keinem Fall Geld vom Staat ab, sondern nur im wirtschaftlichen Ausfall eines Unternehmens und das hat der Staat mit zu verantworten.

Mein Fazit: Die gesamte Gemenge-Lage ist volkswirtschaftlich katastrophal aufbereitet, deshalb sehen wir auch nie einen vernünftigen Volkswirt.

Strandhotel Altanic in Ahlbeck: Hochwertiges Ambiente, null Gäste.Foto: Seetelhotels

Und wie hat sich der Staat bei den anfangs so grosszügig vorausgesagten Soforthilfen verhalten?

Unsere Seetelhotels-Gruppe hat Soforthilfen von knapp über 200.000 Euro bekommen. Aufgrund unserer Grösse mussten wir zunächst auf Landesebene klären, ob wir für die Betriebe Einzelanträge stellen sollten oder für das gesamte Unternehmen. Mit der Antragstellung am 7.4. startete eine Drei-Monatsfrist. Und jetzt erfahren wir, dass das Ergebnis im Zeitraum betrachtet werden muss – und das Finanzministerium kündigt nachträgliche Überprüfungen an und droht ggf. mit Rückzahlung.

Auch das ist ein Skandal! Soforthilfen wurden zuerst zur Verfügung gestellt und jeder ging davon aus, sie nicht zurückzahlen zu müssen. Und jetzt verlangt Finanzminister Olaf Scholz auch noch, dass diese Summen in der Pandemie-Zeit zurück zu zahlen sind! Das nenne ich Bazooka, Herr Scholz!

Ich fasse zusammen: Seit März 2020 hat Seetel 2,4 Millionen Euro an Hilfen bekommen – und das angesichts eines Ertragsverlustes von über 10 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Die Hilfen decken nicht die Fixkosten. Herzlichen Glückwunsch, es lebe die Politik!

In den Wirtschaftsstatistiken taucht die gastgewerbliche Branche nie auf. Ärgert Sie das?

Ja, natürlich! Angesichts der sich noch weiter zuspitzenden Situation der Branche durch das rigorose Berufsverbot und den anhaltenden Lockdown bricht nicht nur unsere Branche weg, sondern auch die Zulieferer-Kette. Das müsste sich eigentlich im Rückgang des BIP bemerkbar machen, tut es aber nicht. Das heisst, eine Branche mit 2,4 Millionen Arbeitsplätzen und 60 Milliarden Euro Netto-Umsatz im Jahr 2020 spielt keine Rolle.

2019 haben Beherbergungs- und Gaststätten-Dienstleistungen 5,6% zum BIP beigetragen, 2020 ist das auf 3,9% eingebrochen. Verkannt wird immer wieder, dass diese "kleine", zugegeben margen-schwache Branche – ähnlich wie der Einzelhandel – eine ungleich hohe Bedeutung im Arbeitsmarkt wie auch in seiner gesellschaftlichen Rolle hat. Wer Hotellerie und Gastronomie vernichtet, riskiert den sozialen Frieden.

Da der Wahlkampf jetzt heftig eingesetzt hat, sind wohl kaum noch realistische Lösungsvorschläge und wenig Perspektiven für die deutsche Hotellerie zu erwarten?

Die Parteien nutzen die Themen wie Hilfen, Zuschüsse und Kredite schamlos aus, um auch Stimmung zu machen. Selbst von deutschen Leitmedien ist wenig Unterstützung zu erwarten; sie verstehen die komplexen finanziellen Zusammenhänge nicht oder wollen nicht tiefer hineintauchen.

4-Sterne-Komfort wie deutsche Urlauber ihn mögen. Dafür müssen sie jetzt nach Mallorca fliegen.Foto: Seetelhotels

Ich glaube, in Deutschland läuft gerade ein Wettrennen um die Verteilung von Privatvermögen. Einige Partei-Programme zielen deutlich in diese Richtung – man will die Unternehmer abstrafen, ihnen ihr Lebenswerk und ihr Vermögen einfach wegnehmen. Mit solcher einer Politik in einem demokratisch gewählten Land habe ich echte Verständnisprobleme.

Von den heutigen Politikern wie auch von denen, die jetzt zur Wahl neu anstehen, hat so gut wie niemand ein profundes Wissen um Wirtschaft und Finanzierung oder gar um die Nöte eines Unternehmers. Niemand hat ein Gefühl dafür, was es bedeutet, jeden Monat Gehälter zu zahlen, pünktlich den gesamten Kapitaldienst in der Krise zu zahlen oder ohne Einnahmen noch seine Mieten/Pachten zusammen zu kriegen.

Politiker wissen nicht, was vor Ort passiert. Sie verweisen immer auf die Einzelfall-Betrachtung. Und das allein zeigt, dass sie keine Ahnung von der Praxis haben.

Wann werden die Hotels öffnen? An Pfingsten oder erst im Juni oder Juli? Und wie viele Betriebe wird es bis dahin weniger geben?

Bisher gibt es immer noch kein nachvollziehbares Konzept, das einem erklärt, unter welchen Bedingungen wir ein Hotel eröffnen können. Ohne Ziele gibt es keinen Weg. Dabei sind beispielsweise die Modellprojekte ein interessantes Konzept. Es wäre damit möglich, bei Inzidenzen von unter 100 in kleinen Clustern durch die Öffnung mit hohen Hygiene- und Sicherheitsauflagen Erfahrungen zu sammeln. Und dann kann immer weiter nachjustiert werden. Es wäre ein sinnvoller Weg und würde schneller zum Exit aus der Krise führen als jede wochenlange Debattiererei.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Maria Pütz-Willems

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