Die dunklen Mächte in der Hotel Distribution ITB Hospitality Day 2015 Nur eine Minderheit glaubt an die eigene Vertriebskraft

Die dunklen Mächte in der Hotel-Distribution

ITB Hospitality Day 2015: Nur eine Minderheit glaubt an die eigene Vertriebskraft

Provozierender Moderator: Wilhelm Konrad Weber.

Berlin. Online Travel Agents, die keine sein wollen, orten in System-Betreibern wie Google oder Android die wahren Mächte der Finsternis, welche künftig die Hotellerie in ihre Abhängigkeit bringen könnten. Der intensive "ITB Hospitality Day" an der ITB 2015 neigte sich seinem Ende zu, als sich am Podium eine illustre Runde der Frage widmete, ob es nicht auch mit der Unabhängigkeit der Hotellerie zu Ende gehe. Vertraut man der TED-Abstimmung im Saal, dann ist diese Frage eindeutig zu bejahen: Nur 26 Prozent rechnen demnach damit, dass die Hotellerie künftig die Mehrheit ihrer Buchungen selbst generieren kann.

Etwa die Hälfte der Diskussionszeit brauchte es, bis Tom Breckwoldt, Regionalmanager TripAdvisor, einmal komplett aus der Deckung ging: "Hotels wollen auch professionelle Distributoren sein. Es fragt sich nur, ob sie das auch können. Besser wäre, die Hotellerie konzentriere sich aufs Kerngeschäft", unkte er. Die Hotels sollten mit den Distributoren Frieden schliessen, fügte er an.

Durch die krankheitsbedingte Abwesenheit von Peter Verhoeven, Booking.com, stand TripAdvisor zeitweise im Brennpunkt der Diskussion. Denn Moderator Wilhelm Konrad Weber, Swiss Hospitality Solutions, provozierte bewusst, indem er TripAdvisor eine unklare Position vorwarf: "TripAdvisor ist mal ein OTA, dann wieder keiner" - je nachdem, ob man sich an die Kunden oder die Hotels wende.

"Wir konzentrieren uns auf die Community, haben uns daher nie als OTA verstanden. Wir werden auch nie einer sein, weil unsere Logik eine andere ist", bestand Breckwoldt auf die unveränderte Geschäftsbasis als Bewertungsplattform. Natürlich würden darauf aufbauend laufend Innovationen entwickelt, die den Menschen den Weg zur Hotel-Buchung vereinfachen. "Unsere Zusatzoption - in den USA bereits lanciert - heisst 'Instant Booking'. Sie wird in den nächsten zwei Monaten unsere Welt verändern", ist man bei TripAdvisor überzeugt.

Tom Breckwoldt: TripAdvisor wird in Kürze die Szene verändern...

Disput um die Rolle TripAdvisors

Instant Booking führe direkt ins Buchungssystem, doch will TripAdvisor auch die zuvor entwickelten Formen weiter anbieten: Das Listing für den Kunden, oder die Costs-per-Click(CPC)-Lösung, über die dem Kunden die Verfügbarkeit angezeigt wird. "Bei Instant Booking transferieren wir die Buchung an unsere Partner bzw. direkt ins hoteleigene Buchungssystem. Die Bestätigung folgt direkt an den Reisenden. Auch die weitere Kommunikation und die Zahlung, alles erfolgt direkt", betonte Breckwoldt den Unterschied zu einem Online-Reisebüro. Im Prinzip gehe es nur um die Wahlmöglichkeit für den Kunden. Selbstverständlich fliessen Provisionen, die sich durch das zwischengeschaltete Online-Portal nicht verdoppeln, sondern mit diesem geteilt werden.

Mit dieser Antwort konnte er die anderen Diskussionsteilnehmer nicht überzeugen. Wie der Zahlungsfluss erfolge, sei im Grunde eine technische Frage. "Das ändert für mich aber nichts daran, dass TripAdvisor ein OTA ist", sagte etwa Vassilis Syropoulos, Gründer des Software-Unternehmens Juyo Analytics. Denn Reisen sei ein vertikales Geschäft. TripAdvisor agiere ebenso und wolle sich den grössten Anteil am Kuchen sichern.

"Der Verbraucher denkt offensichtlich an TripAdvisor wie an ein Reisebüro. Ebenso wir Hoteliers: Denn wir wollen auf deren Listing ganz oben aufscheinen ", sagte Luis del Olmo, Executive Vice President Group Marketing für Meliá Hotels und Executive Chairman der neuen IT-Tochterfirma IDISO.

Die richtigen Knöpfe drücken

Del Olmo ging es vorrangig um die Frage wachsender Abhängigkeit der Hotellerie vom externen Internet-Vertrieb: "Wir waren als Hotel-Business leider nicht wissenschaftlich aufgestellt und daher dem Computer-Zeitalter ausgeliefert." Meliá habe zur Jahrtausendwende den digitalen Auftritt des Unternehmens total verändert. "Wir haben IDISO als Gemeinschaftsunternehmen gegründet, denn wir wollten nicht jedes Jahr fünf Millionen Euro ins Internet stecken. Als Hotelbesitzer will ich aber selbst meine Zukunft kontrollieren, jeden Augenblick selbst entscheiden, über welchen Weg ich meine freien Zimmer auf den Markt bringe", sagte del Olmo, der die Rolle des Hotelmanagers mit der Formel 1 verglich. "Es gibt viele Knöpfe, die ich nicht verstehe. Aber ich sitze am Drücker".

Man müsse mit den technologischen Hebeln umgehen können, nicht alles selbst neu erfinden, sondern einkaufen. "Aber nie würde ich die Website an Booking.com delegieren", warnte er mit einem aktuellen Beispiel. Bei TripAdvisor habe man die Kommunikation mit dem Kunden über diesen Weg geführt, dessen Reaktionen durchaus aufmerksam beobachtet, aber verabsäumt, den Kanal auch zur Kundenbindung und zum Wissen über den Kunden zu nutzen: "Vergessen Sie Big Data, pflegen Sie die kleinen Daten," empfahl del Olmo.

Software-Experte Vassilis Syropoulos sieht Google oder Android als Gefahr, Meliá-Hotelier Luis del Olmo will die Daten mitsteuern.

Abhängigkeit von den
Mobildaten-Sammlern

Perfekte Lösungen seien in der Hotellerie selten anzutreffen. "Es gibt Hotels, die Loyality-Programme haben, andere arbeiten mit Cookies. Jedenfalls könnte jeder mehr erkennen als den Namen", betonte Brannon Winn, Vice President EMEA bei Sabre Hospitality. Seine Wortmeldungen waren ein Plädoyer für die Nutzung aller Wege zur Kontakt-Aufnahme mit den Konsumenten. "Natürlich investieren wir regelmässig, etwa um das Einkaufsverhalten der Millennials zu erforschen." Mobile sei die entscheidende Aussage der Zeit.

Breckwoldt unterstrich ebenso, man bewege sich immer noch in einer Desktop-Welt, dabei würden immer mehr mobile Daten erfasst. "Wichtig wird daher die Frage: Wie relevant sind die Daten für mich? Sonst wird der Bildschirm zu klein". Die Zukunft gehöre Technologien, in denen die Armbanduhr ansagt, wie man zum gewünschten Ziel gelange. Und irgendwo werden die Daten gespeichert und analysiert, um aus den Angaben auf das künftige Kaufverhalten zu schliessen. Eine Abhängigkeit sei hier sei am ehesten zu befürchten.

"Entscheidend werden die betreiberbasierten Systeme wie Google oder Android," sagte der Software-Experte Vassilis Syropoulos: Die Infos über Google Maps würden verarbeitet werden - das sei der grosse Markteinstieg in die Hotel-Distribution. "Sie werden unsere Vertriebswelt nicht übernehmen, aber schlagen." Del Olmo verwies dabei auf einen zweiten Aspekt – die ungeheure Innovations-Geschwindigkeit von Google & Co. Aktuell würden die Verbraucher vom Marketing bombardiert. Das könne mit der Zeit aber auch kontraproduktiv ein, zu Aversionen auf Seiten der Kunden führen.

Wenig Angst zeigte del Olmo vor Amazon als neue Macht im Bettenverkauf. Auch im "echten Leben" gebe es Kaufhäuser mit Reisebüros. "Es gibt für alle Platz und jeden Tag erlebt man eine Überraschung. Etwa wenn sich Hotels in Spanien über Airbnb vermarkten lassen," ergänzte er.

Brannon Winn, Sabre Hospitality: Mobile entscheidet.

Distributionskosten werden weiter steigen

Für Syropoulos ist dabei alles im Fluss. Doch wo Messungen einsetzen, sei die Hotellerie äusserst konservativ. "Sie müssen sich aber in den nächsten zwei Jahren weiter auf Konsolidierung einstellen, auf jedem Gebiet: Das bedeutet für die Hoteliers, dass die Distributionskosten weiter steigen werden." Der Trend beschleunige sich sogar, doch nur wenige hätten Vorkehrungen getroffen, malte er schwarz. Es gehe um die Optimierung der Channel-Nutzung.

Einigkeit herrschte darüber, dass der Zimmeranbieter nicht von einem Buchungsweg abhängig werden dürfe. "Wer alles über die eigene Website haben will, verpasst Chancen", formulierte es Brannon Winn.

Vielleicht hätte man die TED-Frage zur "künftigenAbhängigkeit" der Hotellerie nicht in der Mitte, sondern doppelt - zu Beginn und am Ende der Diskussion - stellen sollen. Spannend wäre gewesen, ob die Aussagen der Diskutanten die Meinung verändert hätten. Sie selbst kommentierten das TED-Ergebnis entsprechend ihrer Position differenziert. Syropoulos ortete "immerhin 26 Prozent Optimisten" im Saal. Winn sah die TED-Abstimmer insgesamt als Realisten, wobei der Mix den Weg des Erfolgs bestimmen werde. Del Olmo wiederum meinte vorsichtig: "Viele wünschen sich, dass künftig die Buchungen bei den Hotels überwiegend direkt erfolgen. Denn das steht für Unabhängigkeit." Aber natürlich sei es auch eine Frage des Preises, den der Verbraucher zu zahlen bereit ist. / Fred Fettner

 

Die Video-Aufzeichnung dieses ITB-Panels in voller Länge finden Sie direkt unter diesem Link oder über www.itb-kongress.de.

 

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