Die intelligente Immobilie ist ein Muss Hotel Experten aus Operations Real Estate über Synergien und Handicaps
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Die intelligente Immobilie ist ein Muss

Hotel-Experten aus Operations & Real Estate über Synergien und Handicaps

Vorzeigeobjekt: Europas smartestes Gebäude – der Cube in Berlin – soll 2019 fertiggestellt werden.Foto: CA Immo

München. Die Digitalisierung in der Hotellerie konzentriert sich bis heute hauptsächlich auf die Buchungsprozesse. Doch das ist nur ein Teil der "Customer Journey" und fokussiert den Kunden. Den Hotel-Betreiber interessiert aber noch mehr: Wie können digitale Prozesse helfen, den Betrieb zu steuern, die Kosten zu senken und die Effizienz zu steigern? Damit berührt die Operations sofort auch die Immobilie. Noch aber ist das Gebäude in dieser ganzen Diskussion aussen vor. Dies ist ein Riesenfehler, wie auch die Teilnehmer des 1. HITT Think Tanks letzten Juni in Berlin gemerkt haben. Die Experten haben es entsprechend kritisch und fordernd an der Expo Real München im Oktober erneut kommentiert. Für hospitalityInside.com ist dieses Thema der Startpunkt für die Digitalisierungsthemen der nächsten Monate.

VORWORT

"Intelligente Immobilien" prägten etliche Schlagzeilen des vergangenen Jahres, beispielsweise über das QO Hotel in Amsterdam. Oder über das im Bau befindliche The Cube am Berliner Hauptbahnhof, das Europas "smartestes Gebäude" überhaupt werden soll. Im QO Hotel etwa schliessen die Jalousien bei Sonnen-Einwirkung automatisch, geben aber den Blick nach draussen frei, sobald der eingecheckte Gast das Zimmer betritt... Aber es geht noch mehr.

Welche Möglichkeiten die Digitalisierung auch für Hotel-Immobilien birgt, diskutierten an der Expo Real München dann profunde Experten – und zwar segment-übergreifend: So sass auf der Bühne der Immobilien-Messe einmal nicht der Developer von AccorHotels, sondern die Distributionsexpertin des Unternehmens, Daniela Schade, zugleich auch COO Central Europe für AccorHotels. Auch Richard Wiegmann, Geschäftsführer und Chief Commercial Officer EMEA für das Technologie-Unternehmen Sabre Hospitality Solutions, erlebte seine erste Expo Real. Damit wandelte sich auch die Diskussion zu einem Austausch zwischen zwei Seiten: Schade und Wiegmann sassen dem "Immobilien-Paar" Gesa Rohwedder, Head of Hospitality vom Projekt-Manager Drees & Sommer, und Michael Struck, CEO der jungen, technologie-geprägten Ruby Hotels gegenüber.

Durch intelligente Technologie zum nachhaltigsten Hotel Europas: QO Amsterdam.

Alle vier waren übrigens auch Teilnehmer des 1. "HITT" HospitalityInside Think Tanks im Juni in Berlin gewesen, genauso wie die Expo Real und deren REIN / Real Estate Innovation Network, das mit Startups, Vorträgen und Events das Thema Digitalisierung aus der Immobilien-Perspektive pusht.

Die Digitalisierung verändert ganze Strukturen – unabhängig von der Branche oder vom Segment. Ein Hotel wird künftig die gleichen digitalen Prozesse bewältigen müssen wie ein Wohnblock oder ein Hospital.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang: Bisher ist der Kreis der ernsthaft Interessierten an den digitalen Synergien zwischen Hotel-Immobilie und Hotel-Operations noch überschaubar – viele halten ein segment-übergreifendes Denken schlicht für Humbug. Das untermauerte ein anderer eintägiger Roundtable im Herbst, der von Drees & Sommer organisiert war: Der Projektsteuerer brachte Vertreter der "3Hs" an einen Tisch: von Hospitality, Health Care und Housing. Fast niemand in der Runde kannte sich, alle sprachen offen. Am Ende dieser Runde war es erschreckend zu sehen, dass vor allem in der Wohn-(Bau-)Branche Innovationsgedanken keine Chance haben.

Aus solchen Erfahrungen heraus müssen sich alle Branchen und Segmente einer ganzheitlichen Diskussion öffnen, voneinander lernen und auch gemeinsam vorangehen.

DIE ÜBERGREIFENDE DISKUSSION

Drees & Sommer begleitet die Entstehung des Digitalisierungskonzeptes von The Cube Berlin. Entwickler ist CA Immo. Das Gebäude wird komplett vernetzt. Vom Management Cockpit aus kann künftig jederzeit festgestellt werden, wo gerade Licht benutzt wird oder in welchem Raum die Jalousien geschlossen sind. Das Gebäude wird über ein automatisiertes Valet Parking-System verfügen, das dem Besucher das Fahrzeug abnimmt und wiederbringt, sobald er den Aufzug im Cube verlässt.

In dem multisensorischen Gebäude werden Konferenzräume digital reserviert, die Zimmer-Temperatur per App individualisiert. Der Reinigungsservice wird erkennen, ob ein Zimmer benutzt wurde oder nicht. Die Inhouse-Navigation wird das dynamische Energie-Management unterstützen, zudem soll das Gebäude ein präventives Smart Facility-Management erhalten. Werden bestimmte Teile des Gebäudes nicht genutzt, dann wird dort nicht geheizt, nicht geputzt und die Jalousien schliessen sich nicht. Das Buchungssystem erfasst auch die Co-Working Spaces bis hin zum Desk Sharing.

Die Fertigstellung des Cube ist für 2019 geplant. Kooperationspartner ist die RWTH Aachen. "In Zusammenarbeit mit der FH Aachen werden im Cube im Hintergrund gelagerte Dienstleistungen automatisiert", erklärte Gesa Rohwedder.

Michael Struck, Gesa Rohwedder, Richard Wiegmann und Daniela Schade an der Expo Real 2018.Foto: HI

Energie-Management
die erste Erfolgsstory

Hotel-Betreiber Michael Struck attestierte zumindest einem Teil der Immobilien-Branche, inzwischen aufgewacht zu sein. "Wir wurden vor einem Jahr von einem Investor angesprochen, ob wir nicht auf BIM (Red.: Building Information Modeling / Erläuterung sh. Textende) umsteigen wollen. Dies ist eine Initiative von der Immobilienseite, die uns jetzt im operativen Bereich viele Vorteile bietet".

Zwar sei es nach wie vor ein wichtiges Anliegen der Hotel-Betreiber, dem Gast das Leben durch neue digitale Lösungen einfacher zu machen, doch gewännen Lösungen hinter den Kulissen für den Hotelbetrieb zunehmend an Bedeutung. Bei Themen wie effizientem Energie-Management oder dem Managen von Wartungsverträgen sei Ruby ein ganzes Stück weitergekommen. Als ein Beispiel führte Struck die Möglichkeit auf, Gäste nicht über alle Stockwerke zu verteilen, sondern den Belegungsplan so zu gestalten, dass ggf. Stockwerke leer blieben. Auf diese Weise lassen sich u.a. Flurbeleuchtung und Beheizung einsparen, aber auch das Housekeeping effizienter einzuteilen.

Eine interessante neue Herausforderung werde es sein, wer solche digitalen Lösungen künftig finanziere, so Struck. Schliesslich wolle er als Betreiber leerstehende Flächen nicht unnötig kühlen oder heizen müssen.

Unnütze Daten, keine Prozesse, keine Vernetzung

Ob digitale Lösungen oder KI-Lösungen vor oder hinter den Kulissen: Richard Wiegmann von Sabre Hospitality unterstrich, dass es nicht leicht sei, IT für die Hospitality-Branche zu entwickeln. "In der Pre-Stay-Phase sind wir inzwischen sehr gut, im Post-Stay relativ gut", erklärte er. Wesentlich schwieriger gestalte sich die digitale Begleitung während des Aufenthalts. "Wir können die guten Daten, die wir gesammelt haben, während des Aufenthaltes teilweise gar nicht nutzen", sagte er. Schuld daran sei nicht nur der Datenschutz, sondern auch die Limitierung durch die Hotel-Entwickler. "Alle sollten anfangen, in kundenzentrierten Prozessen zu denken", so Wiegmann. "Welche Angebote wollen wir nutzen? Die Branche ist nicht gerade experimentierfreudig".

Für ein Hotel in Dubai habe Sabre z.B. ein Produkt mit Gesichtserkennung entwickelt, das mit Datenbanken wie etwa LinkedIn verbunden sei. In den USA arbeite eine Hotelkette mit 600 Hotels bereits mit Gesichtserkennung. Zielgruppe seien Trucker, ein Hotel werde von ein bis zwei Personen geführt. Da sei Gesichtserkennung eine wichtige Komponente. In Deutschland rieten ihm die Juristen aber noch von solchen Systemen ab.

Das erste, das Wiegmann in der Hotellerie auffiel, war die schlechte Kommerzialisierung von Flächen. Bei der Hotel-Planung habe man noch immer das Gefühl, Hotels würden wie vor 50 Jahren geplant. Bei der Nutzung digitaler Systeme für die Effizienz-Berechnung sei die Airline-Industrie beispielhaft. "Wir analysieren für sie, welche Gäste auf den Flügen gebucht sind. Dabei wird z.B. berücksichtigt, wie viel ein Asiate wiegt oder wieviel Gepäck ein Deutscher im Schnitt dabei hat. Danach wird die Maschine getankt und beladen". Unterdessen haben sich aber immer mehr Startups auf die Vermarktung von Hotel-Teilbereichen wie Pools oder Parkflächen spezialisiert. "Hier fehlt aber die Vernetzung", entgegnete Wiegmann nüchtern.

Building Information Modeling: Ruby spart Energiekosten durch clevere Zimmer-Belegung.

Investor, Betreiber & Marke reden nicht miteinander

Grundsätzlich sei in der Hotellerie technisch viel mehr möglich, unterstrich auch Rohwedder. So könne man dank Automatismen erwarten, dass der Rezeptions-Mitarbeiter beim Checkin sofort das präferierte Fernsehprogramm für den Gast einstelle. "Die ultimative Vernetzung in Marketing und Dienstleistung umzusetzen, wird u.a. durch die Komplexität des Hotelbetriebs behindert, durch die fehlende Kommunikation zwischen Investor, Betreiber und Marke", so die Expertin. Wer eine Immobilie intelligent plane, müsse auch die Arbeitsprozesse integrieren. "Am Ende des Tages geht es immer um die Effizienz der Immobilie und die Gewinn-Maximierung", so Rohwedder. Um dies zu erreichen, sei eine digitale Simulation notwendig: von Lager-, Housekeeping- und neuen Liefer-Prozessen: Dies alles müsse in die Immobilien-Entwicklung integriert werden. Und dafür müssten eben alle Beteiligten in ein Boot geholt werden.

"Wir alle müssen lernen umzudenken", unterstrich auch Daniela Schade. Immerhin berechne die Branche ihre Wirtschaftlichkeit inzwischen nicht mehr nur nach dem RevPAR, sondern auch nach dem TrevPAR. "Die Flächenauslastung wird dazu führen müssen, dass wir über einen 'Kundenwert pro Quadratmeter' nachdenken", unterstrich sie und wies in diesem Zusammenhang auf neue analoge und digitale Lösungen zur Effizienz-Steigerung bei AccorHotels hin.

Bei "Accor Local" beispielsweise avanciere das Hotel zum Dienstleister der Region. Auf der anderen Seite habe AccorHotels letzten September mit einer auf künstliche Intelligenz gestützten Marketing-Kampagne eine Umsatz-Steigerung von 25% erzielt. "Ich kann über KI viel mehr über meine Kunden lernen als bisher", so Schade. Schon heute könne man viele Kundenwünsche erfüllen, die Smart Costumer Journey also komplett abbilden. Der Kunde habe die Möglichkeit, digital zu suchen, buchen, ein- und auszuchecken und seine Meinung kundzutun. Aber, so gab sie auch zu bedenken, wünsche nicht jeder Gast diese Automatisierung. "Ich brauche für ein smartes Hotel die richtigen Kunden." AccorHotels-CEO Sébastien Bazin habe klar gesagt, dass es im Unternehmen keine Roboter geben werde, die Gäste eincheckten.

"Wir müssen eine Koalition von Unternehmen wie AccorHotels, aber auch kleineren Betreibern, die von der Denke her noch flexibler sind als die grossen Schlachtschiffe, mit den Investoren zusammenbringen", regte Rohwedder daraufhin an. "Denn eigentlich kann nur eine intelligente Immobilie wirklich nachhaltig sein". Ein intelligentes Einfühlungsvermögen kann nur vom Menschen kommen, die Prozesse erledigen KI und Robotics. Vielleicht naht dann auch der Zeitpunkt, an dem ein Hotel wirbt mit dem Zusatz "Served by Human Beings". Das wäre dann eine neue Einkommensquelle. / Susanne Stauss

 

Anm.d.Red./Erläuterung: "Building Information Modeling" ist ein intelligenter, auf einem 3D-Modell basierender Prozess, der Architekten, Ingenieuren und Bauunternehmern Informationen und Werkzeuge für effiziente Planung, Entwurf, Konstruktion und Verwaltung von Gebäuden und Infrastruktur bereitstellt. Alle arbeiten auf diese Weise gleichzeitig an der aktuellsten Entwicklung der Immobilie und tauschen Daten aus.

 

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