Die Konvertierung ist wichtig nicht die Kette HRS CEO Tobias Ragge über den Multisource Effect in Business und Leisure
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Die Konvertierung ist wichtig, nicht die Kette

HRS-CEO Tobias Ragge über den Multisource-Effect in Business und Leisure

HRS Holidays: ein Spezial-Portal der HRS Group, das nur im deutschsprachigen Markt und nur in Deutsch beworben wird. Das Ziel: zufriedene Kunden.

Berlin/Köln. HRS arbeitet weiter an seinem eigenen Profil. In Berlin gab CEO Tobias Ragge einen Einblick in den aktuellen Stand. Den Vermittler aus Köln treiben derzeit drei Segmente stark an: das Firmenkunden-Geschäft, Multisource wie auch das mit Ferienwohnungen. Alle Tools dienen nur dazu, den Kunden zufrieden zu stellen. Deshalb ist HRS sogar bereit, sein eigenes Modell zu kannibalisieren. Die Entscheidungspower der Zukunft liegt beim Kunden. Deshalb findet der HRS-Chef auch zur vermeintlichen Macht der Mega-Ketten kritische Worte.

Seit dem Einstieg ins Corporate Business vor neun Jahren sei HRS inzwischen der weltweit grösste Einkäufer von Firmenkunden-Geschäft geworden, erklärte Tobias Ragge einer kleinen Gruppe von Journalisten an der ITB. Beschleunigt worden ist das durch den Aufbau eines ganzheitlichen End-to-End-Prozesses, der von der Hotel-Suche über die Raten-Verhandlungen mit Hotels bis hin zur Bezahlung und zur automatisierten Abrechnung alles online ermöglicht.

Dieser HRS-Geschäftszweig wird nach Ragges Einschätzung ein Schlüssel-Bereich werden. Denn auf Hotel-Seite kann HRS mit Mega-Ketten genauso aufwarten wie mit Privathotels. Von den 350.000 Hotels im HRS-Portfolio sind 180.000 Privathotels. Dank virtueller Kreditkarte sei es leicht, mit jedem Hotel weltweit abzurechnen. Zudem integriert HRS als einziger Anbieter der Branche 75.000 Hotels in sämtliche GDS, über die auch Reisebüros und Konzern-Reiseveranstalter buchen.

Ragges Hinweis auf die Privaten soll gleichzeitig das grosse Ego der globalen Ketten abbremsen – aus mehreren Gründen. Denn in den meisten Märkten der Welt stellen unabhängige Hotels die klare Mehrheit im Markt – in Lateinamerika und Europa ebenso wie in Asien-Pazifik. Nur in den USA dominieren die Ketten. Die Fusionen der letzten Monate stärken auf den ersten Blick die Einkaufs- und Markt-Macht der fusionierten Unternehmen. Auf den zweiten Blick schrumpft aber selbst der neue Riese Marriott wieder zum Zwerg: Er verfüge, so Ragge, weltweit gesehen lediglich über drei Prozent des Zimmer-Inventory; lediglich in einzelnen Märkten erreiche Marriott einen Anteil von zehn Prozent. Und das bedeutet aus HRS-Sicht: Auch die Ketten brauchen noch die OTAs, vor allem wenn sie wachsen wollen.

Ketten stehen sich teilweise selbst im Weg

HRS CEO Tobias Ragge: Die Kunden buchen nur noch 'Experiences'.

Er hält es für eine strategische Fehleinschätzung der Ketten, davon auszugehen, dass Unternehmen komplett über sie buchen würden. Nach seiner Erfahrung möchten Firmenkunden aufgrund der Komplexität des Themas erst gar nicht direkt mit den Suppliers verhandeln. Über 30 Marken zu verhandeln, sei heute ein Nachteil im Vertrieb einer Kette. Wichtiger aber noch aus Ragges Wahrnehmung: Firmenkunden suchen eine reibungslose Abwicklung ihres Corporate Geschäfts inklusive Kosten-Ersparnissen.

Die Fusionen hingegen setzen die Supplier zudem intern unter Druck: Zum einen verlangen die Shareholder ihre Rendite, zum anderen wachsen mit mehr Marken auch die Fees für deren Vertrieb. Das wissen auch Travel Manager – und schauen sich nach Alternativen zu Ketten um, in denen solche Fees nicht in die Raten eingepreist werden müssen. Damit landen die Travel Manager sehr schnell in der Privat-Hotellerie. Airbnb & Co haben es schliesslich geschafft, den Trend zum individuellen, nicht-standardisierten Aufenthalt enorm zu beschleunigen. Auch Geschäftsreisende reagieren darauf und fordern von ihren Firmen zumindest eine Auswahl an Privathotels.

Aus der Perspektive von HRS geht damit die Schere im Alltag weiter auf: Weshalb sollte ein Privathotel sich einer Kette anschliessen, wenn es die Hälfte seines Umsatzes an eine Marken-Gesellschaft zahlen muss und gleichzeitig doch noch – gegen Kommission – auf die Vertriebsstärke von OTAs zurückgreifen muss?

Für Tobias Ragge ist der Reisende die treibende und zukunftsweisende Kraft in diesem Vertriebsspiel geworden: Der Gast kann sich heute online leicht aus einer Riesen-Auswahl bedienen und vergleichen. Und er wird sich neben dem Preis für die "Experience" entscheiden. "Und das wird keine Entscheidung für Ketten sein", ist sich Ragge sicher.

Mit Multisource zu mehr Kunden-Loyalität

Deshalb hat HRS im Herbst 2017 Multisource eingeführt: "Weil es am Ende nur um den Kunden geht, schneiden wir mit Multisource alte Zöpfe ab!", frohlockt der HRS-Chef. Damit will sich HRS deutlich von Metasearchern unterscheiden: Diese leiten Buchungsanfragen an Hotels weiter, HRS macht Hotels direkt buchbar. Ausserdem schafft er über dieses Tool eine höhere Loyalität. Das funktioniert so: In der "austauschbaren" Hotellerie bildet laut Ragge der Preis das entscheidende Kriterium – oder das Loyalty-Programm. HRS jedenfalls stellte fest, dass das eigene Portal nur in zehn Prozent der Fälle den besten Preis auf seiner Seite hatte. Via Multisource holt man sich jetzt die Verfügbarkeiten und die besten Preise über entsprechende Schnittstellen bei den neuen, vertraglich angebundenen Multisource-Partnern direkt ab, ohne dass der Kunde es merkt: Er sieht die fremde Quelle nicht. Dafür zahlen die Partner eine Provision an HRS.

HRS Multisource-Partner: stille Kanäle im Hintergrund.

In der Praxis heisst das: Ist das Hotel X in Berlin bei zehn von HRS neuen Multisource-Partnern gelistet, analysiert das System alle, zieht das Portal mit dem besten Preis nach oben und zeigt das entsprechende Haus an. "In 14% der Fälle konnte ein anderer Spieler günstigere Preise als HRS liefern, mit einen Preisvorteil von 8,4%", berichtet Ragge weiter. Der Vorteil für den Kunden: Er muss – theoretisch – auf kein anderes, fremdes Portal mehr ausweichen, er ist zufrieden und bewegt sich danach in einem vertrauten Buchungsrahmen. "Für den zufriedenen Kunden lohnt es sich, sich zu kannibalisieren," bringt Ragge es auf den Punkt.

Stille Multisource-Partner auch im Holiday-Vertrieb

HRS setzt also auf Reichweite und Überzeugungskraft. Und das nicht nur im Business Travel und Firmenkunden-Geschäft, sondern auch im Leisure-Bereich. Jeder OTA vermittelt heute Ferienwohnungen – bei HRS seit 2015 präsent über die Plattform "HRS Holidays", die auf HRS Destination Solutions als Komplett-Anbieter zurückgreift. Das Ferien-Portal selbst zählt heute ca. 500.000 Unterkünfte, schwerpunktmässig im alpinen deutschsprachigen Raum. Die Markt-Penetration von HRS in DACH beziffert Ragge aktuell auf 25-30%.

Auch hier arbeitet HRS nach dem Multisource-Prinzip und kooperiert mit – vermeintlich konkurrierenden – Vertriebspartnern: mit Regionen, Maklern und Unterkunftspartnern im Heranziehen von Unterkünften und mit Portalen wie Airbnb, Expedia, booking.com, Holidayhome, Alibaba und anderen beim Vertrieb dieser Unterkünfte. HRS Destination Solutions dient dabei als eine Art Property Management System für Ferienunterkünfte, das sich im Stillen mit den einzelnen Channel Managern verbindet. Auch dort will HRS den zufriedenen Kunden.

Ragge argumentiert nüchtern: "Die Frage heute ist doch nur, welches System konvertiert besser?" Dazu muss man seine Kunden kennen: Amerikaner suchen und buchen z.B. bekannte Hotspots unter den Ferienzielen, Deutsche suche in einem grösseren Radius, buchen aufgrund des Wetters auch kurzfristiger und zeigen sich preissensibler. Grundsätzlich gehe es auch bei den Ferienwohnungsportalen um die Verfügbarkeit in starken Nachfrage-Zeiten. Deshalb stelle HRS auch hier sicher, das seine Preise in allen Kanälen verfügbar sind und über Cross-Selling gepusht werden: "Man muss Marken schaffen". Metasearchern traut er in diesem Segment übrigens nicht zu, eine grosse Reichweite zu erzielen.

Da gibt es offenbar noch sehr viel Potential: Den aktuellen Umsatz von über 200 Millionen Euro, den HRS mit Destination Solutions derzeit macht, bezeichnet Ragge als "eine zarte Pflanze". / map

 

TOBIAS RAGGE: KERNIGE SÄTZE ZUR BRANCHE

Zu AccorHotels: "Es ist kein Problem, auf der Vertriebsplattform alle Angebote von Hostel bis Luxus abzubilden. Aber die Kette wird niemals der beste OTA werden."

Zu Airbnb Trips: "Ich lasse mich da nicht treiben. Wenn es für uns relevant ist, würden wir eher über Partner gehen, weil wir uns fokussieren müssen."

Zu Ketten-Hotels: "Wozu gibt es noch Ketten-Hotels? Sie sind doch fast alle Asset Light-Unternehmen; da geht es doch nur noch um den Vertrieb."

Zu Marken: "30 Marken sind eher ein Nachteil, auch bei der Google-Suche. Besser wäre es, sein Budget auf fünf Marken zu verteilen."

Zu Gästen: "Die Gäste entscheiden heute nach Experiences. Da werden die Ketten nicht dabei sein."

 

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