Die neue Liebe zum Massen-Markt

Die neue Liebe zum Massen-Markt

ITB zu Low Budget & Hostels: Kleiner Preis, weniger Service akzeptiert

Grosser Erfolg mit kleinen Preisen: Mark Lankester, Oliver Winter, Moderatorin Martina Fidlschuster, Franz-Josef König und Andrea Mehanna.

Berlin. Ihre Unternehmen entstanden aus einer Frust-Situation heraus, aber es schärfte den Sinn für die Nische: Die Gründer der malaysischen Tune Hotels, von A&O Hotels und Hostels aus Berlin und der Internet-Vertriebsplattform hostelsclub.com aus Venedig nutzen ihre Chance - und spielen binnen zehn Jahren eine strategische Rolle im noch wenig strukturierten Markt der Hostels und Low Budget-Hotels. Mit welchen Produkten und Philosophien sie sich heute weltweit erfolgreich behaupten, erläuterten sie in der Talkrunde "Low Budget Hotel & Hostels: Super schlafen für Peanuts?" während des 6. ITB Hospitality Day an der ITB Berlin vor zwei Wochen. Die Zusammenfassung.

Moderatorin Martina Fidlschuster stellte die Entrepreneur vor. Deren Unternehmenszahlen sprachen für sich: 2001 gründete der Venezianer Andrea Mahenna hostelsclub.com; 2010 machte er mit Hostel- und Budget-Reservierungen 7,6 Millionen Umsatz. Oliver Winter startete A&O Hostels 2000 mit 12 Betten, betreibt aktuell 17 Hotels und generierte letztes Jahr einen Umsatz von 37 Millionen Euro. Mark Lankester, Quereinsteiger aus der Musik-Branche, startete mitten in der Krise 2007 Tune Hotels, betreibt heute 13 Häuser, macht 48 Millionen Dollar Umsatz und hat 88 Häuser in Entwicklung.

Mark Lankester, Tune Hotels.

Diese Erfolgsgeschichten klangen für Franz-Josef König, Geschäftsführer der Gesellschaft für Systemisches Management aus Kobern-Gondorf, glaubwürdig: "Bei einem klaren Ziel ist Veränderung möglich. Und oft ist es leichter für Leute, die nicht aus der Hotellerie kommen. Sie sind hungrig!"

Der Unternehmenshunger ging einher mit dem Gespür für die Nachfrage: Laut einer Studie der Dicon-Unternehmensberatung stieg allein in deutschen Grossstädten die Anzahl der Budget-Kettenhotels zwischen 2006 und 2011 um 52,8%, das Angebot von Hostels sogar um 175,4%. Haupt-Gästegruppe sind Jugendliche und Schulklassen - jedoch, so bestätigten Tune und A&O einhellig, nimmt inzwischen auch die Zahl der älteren Gäste zu. In Asien haben die neuen Billig-Betten das Reisen beflügelt, merkte Mark Lankester von Tune Hotels an: "Dadurch können Asiaten jetzt viel häufiger Urlaub machen, fünf-/sechsmal im Jahr! Vor allem die Rentner amüsieren sich heute!" Sie tragen bei Tune 30 Prozent zum Umsatz bei.

Herausforderung Miete

Begehrt sind natürlich Budget-Standorte in der Stadt. Hier lässt sich das schnelle Wachstum des Segments am besten nachvollziehen: "70 bis 80% unserer Kosten sind Mietkosten oder Schuldentilgung," rechnete Oliver Winter vor. "Vor zehn Jahren war es in Berlin noch einfach, günstige Standorte zu finden." Heute gibt es zu viele Hotels und damit weniger Standorte, auch wenn man wie A&O nur bestehende Gebäude umwandle. Das A&O-Konzept beruht auf der Idee, Budget Hotel und Hostel in einem Gebäude zu integrieren, mit gemeinsamer Lobby und gemeinsamen Restaurant. "Jeder Stern mehr macht ein Hotel langweiliger," sagte Winter süffisant.

Oliver Winter, A&O Hotels & Hostels.

Wer günstig schlafen will, muss Extras auch extra zahlen, genau wie bei den Billigfliegern. Doch da gibt es zwischen den Anbietern offenbar gravierende Unterschiede: Bei A&O zahlt der Gast Bettwäsche und Handtücher zusätzlich, die tägliche Reinigung aber sei - wegen des Wettbewerbs - inbegriffen. Heizung zu berechnen, wie das Tune Hotels beispielsweise macht, ist in Deutschland schon aus rechtlichen Gründen nicht möglich: Der Gesetzgeber schreibt eine Mindestraum-Temperatur vor. Tune berechnet ausserdem Aircondition, TV und Toilettenartikel. "Solange Du ehrlich bist gegenüber dem Markt, sind die Leute zufrieden," beschrieb Tune-Gründer Mark Lankester seine Erfahrungen. "Low Budget-Bucher wollen nur ein sauberes Zimmer," bestätigte Andrea Mehanna vom hostelsclub die Hostel-Betreiber.

Das Low Budget-Budget liegt bei 20 bis 25 Euro

A&O-Gäste geben durchschnittlich 23 Euro inklusive Frühstück pro Nacht aus, was sich etwa mit den Erfahrungen des hostelsclub und von Tune Hotels deckt. Während A&O seine Betten in einer verlässlichen Preisspanne vermarktet, reizen die Malayen das Yield-Management aus: Sie werfen Betten in London zum Frühbuchertarif für nur ein Pfund auf den Markt. "Dafür aber muss man ein Jahr im Voraus buchen," so Lankester.

hostelsclub-Gründer Andrea Mehanna, Branchen-Beobachter Franz-Josef König und Moderatorin Martina Fidlschuster.Fotos: map

Hostels und Low Budget Hotels haben laut Franz-Josef König gegenüber Jugendherbergen einen Riesen-Vorteil: Jene gelten mit tausenden von Betrieben inklusiver christlicher Einrichtungen als völlig intransparent. Oliver Winter kritisierte zudem, dass das Deutsche Jugendherbergswerk als Non-Profit-Organisation - im Gegensatz zu A&O - Ländereien umsonst bekäme, was deren Kosten niedrig hält.

Alle Low Budget-Anbieter arbeiten mit einem Mix aus fest angestellten Fachkräften, Auszubildenden und Studenten. Das hält die Personalkosten niedrig. Ob ihre Gäste mit der Beherbergung zufrieden waren, erfahren sie selbst meist auch aus Online-Kommentaren und Bewertungen. "Der Markt ist in Bewegung," sagte Franz-Josef König, "aber die Servicequalität wird auch hier den Wettbewerb entscheiden!" Low Budget-Entrepreneurs wie Mark Lankester reizt das offenbar zusätzlich: "I love the mass market," sagte er zum Abschluss. Der Low Budget- und Hotel-Markt hat angeblich ein Potential von 700 Millionen Reisenden weltweit. / Maria Pütz-Willems

 

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