Die Seele vom Vollblut Gastronom leihen ITB Hospitality Day Talk über funktionierende Food Konzepte für Hotel Ketten

Die Seele vom Vollblut-Gastronom leihen

ITB Hospitality Day Talk über funktionierende Food-Konzepte für Hotel-Ketten

Essen als technologisch-kulinarische Inszenierung: Ist Sublimotion die Zukunft des Food Designs? 

Berlin. Es muss keine schlechte Diskussion werden, wenn sich die Teilnehmer in der Grundtendenz einig sind. Das zeigte am 9. März die Podiumsdiskussion "Von Foodies über Food Design bis No Food: Wie Hotel mit der Herausforderung F&B umgehen" im Rahmen des "ITB Hospitality Day". Dabei konnten sich Berater und Hotel-Manager weitgehend darauf verständigen, dass die Zeiten formell-gediegener Hotel-Restaurants in den Städten wohl Geschichte sind. Alles ist im Wandel: So wird aus dem guten alten Food & Beverage-Manager heute wahlweise der Manager für F&D oder noch besser der Mann für FD&D – für Food, Drinks und Design.

Als ein Vorreiter dieser Entwicklung war mit Christoph Hoffmann der CEO und Gründer der 25hours Hotels am Podium. Seine Lifestyle-Hotels waren von Beginn an mit aussergewöhnlichen Lokalitäten bestückt. Konkret brachte Hoffman das Restaurant-Konzept "Neni" ins Spiel, das im 25hours Berlin für Furore sorgt. "Es war wohl der richtige Zeitpunkt, um ein derartiges Lokal zu eröffnen. Davon zeugen tägliche Menschen-Schlangen, die auf Einlass hoffen." Der Hotelgast verkörpere in diesem Lokal eine 20 Prozent-Minderheit – es sind die Einheimischen, die ins Lokal drängen.

Christoph Hoffmann: 25hours macht Restaurants für die Nachbarschaft des Hotels.

Ob New York oder in asiatischen Städten: Überall sei es die Regel, dass sich Hotel-Restaurants an der lokalen Community und nicht am Nächtigungsgast orientieren. "Das gastronomische Angebot muss auch zum Wohnzimmer für die Nachbarschaft werden", ergänzte Hoffmann. Und somit zum Begegnungsort zwischen Gästen und Einheimischen. Ideal für die von persischen, spanischen, marokkanischen und israelischen Einflüssen geprägte Neni-Küche, wo speziell ein Menü im "Balagan"-Stil als kommunikatives Musterbeispiel gilt.

Heimat oder Exotik im Kochtopf

Selbst hat dies 25hours nicht erfunden, das sei Teil des Konzepts: "Wir sind Hoteliers, können aber eine Plattform für aussergewöhnliche Gastronomen bieten, weil wir die wirtschaftlichen Möglichkeiten dafür haben", sagte Hoffman. Man habe sich "eine Seele für die Gastronomie" gekauft. Es sei ein erster Versuch, in Partnerschaften zu denken, was sogar noch grössere Bedeutung erhält, seitdem AccorHotels an 25hours Hotels beteiligt ist.

Die geliehene "Seele" kommt von Haya Molcho. Die Frau des berühmten Pantomimen, Autors und Redners zum Thema Körpersprache, Samy Molcho, kommt aus der House Cooking-Szene und gründete mit drei ihrer vier Söhne 2009 das stürmisch gefeierte Neni am Wiener Naschmarkt. "Wir betreiben das Lokal selbst, haben aber statt eines jungen F&B-Managers das Modell Haya Molcho, können so den Spirit erlebbar machen", sagt Hoffmann. Fertig konzipiert seien bereits vier Neni-Restaurants. Wie weit das Konzept aber ins Italienische, Indische oder Fernöstliche übertragen werde könne, stellte Hoffmann während der Diskussion selbst in Frage.

Jean Georges Ploner, Trend-Experte und Gründer des Global F&B Heroes Netzwerks, Frankfurt, sieht durchaus international vergleichbare Entwicklungen, auch wenn "Trends" Wellen seien, die verschiedene Länder zu unterschiedlichen Zeitpunkten treffen. "Manche Wellen treffen aber auch gar nicht", ergänzte er.

Restaurant Neni im 25hours Berlin: Eine Familie macht das Konzept.

In der westlichen Welt sei prinzipiell ein erhöhtes Interesse an Essen, speziell für Foodtainment, zu beobachten. "Musterbeispiel sind Kochsendungen: Man schaut mehr als man isst. Aber am Wochenende kochen wir. Zwar oft schlecht, aber es ist voll das Event", beschreibt er den Lifestlye einer urbanen Upperclass. Eine weitere Entwicklung betreffe das Handwerkliche: Craft Bier, selbst herstellte Limonaden und alles, was man nicht im Supermarkt erhält, mache Gastronomie spannend.

Entertainment und Soul Food

Zusätzlich regte der eingespielte Clip der kulinarischen Hightech-Inszenierung "Sublimotion", einem Konzept des spanischen Sterne-Kochs Paco Roncero im Hard Rock Hotel Ibiza, zur Diskussion an. Ein hochpreisiges Lokal, in dem täglich zwölf Gäste mit technischen Spielereien bis hin zu Virtual Reality, abgestimmt alle fünf Sinne, angesprochen werden. Die Gaumen-Genüsse in neuen Texturen sind aber nur ein Element dieser faszinierenden Show, für die jeder Gast 1.500 Euro zahlt.

Berater Ploner relativierte: "Würde ich ein Hardrock-Hotel auf Ibiza errichten, dann ist ein derartiges Gastronomie-Konzept angesichts der horrenden Gesamt-Investition vielleicht vertretbar." Mit gewöhnlicher Hotel-Gastronomie haben derartige Konzepte für vielleicht 1.000 Gäste pro Jahr aber wenig zu tun. Für FD&D seien derartige Extreme nicht notwendig: "Darunter fällt alles, was über die normale Grundversorgung hinausgeht."

Trend-Experte Jean Ploner:  Fine Dining hat immer noch eine Chance verdient.

Ruhigere Konzepte bevorzugt auch Urban Denk, Director Culinary Innovation & Management für die Deutsche Hospitality. "Sublimotion ist natürlich wow. Aber im Alltag geht es ums Menschsein und Wohlfühlen. Das heisst, um die persönliche Ansprache." Wobei für ihn ein Credo gilt: Weltweit gebe es unterschiedliche Mentalitäten, in Deutschland müsse man aber endlich von der Steifheit wegkommen.

Kulinarisch setzt er durchaus auf Klassiker "Soul Food würde ich sagen. Wir haben z.B. das Club Sandwich wieder eingeführt. Oder wenn es um Green Meetings geht, braucht man vielleicht Courage, kann aber zeigen, was saisonal und regional möglich ist". Wobei mehrfach deutlich die Exotik der Nähe angesprochen wurde. So entwickelte 25hours in der Hamburger Hafencity selbst das Konzept "Heimat". Steigenberger wiederum trägt gerne deutsche Gastlichkeit in die Welt, etwa durch das "Deutsche Brothaus" in seinem Hotel in Dubai.

Hoffmann zeigte die Grenzen von "Heimat" und vergleichbaren Ideen auf, die in Konkurrenz zur lokalen Gastro-Szene stehen: "Es funktioniert nur, wenn man die Kontinuität über eine Instanz schaffen kann. Ein Küchenchef, der nach einem Jahr geht, bringt es nicht." Geht es um grössere Hotels, dann sieht es Denk als sinnvoll an, über ein zweites Restaurant "out of the box" zu verfügen, das mit fixen eigenen Mitarbeitern bespielt wird.

Grab & Go ist nicht schlecht

Während Hoffmann das Übel bei Hotel-Restaurants darin ortet, dass Hotels aus einem Guss geplant werden und das Restaurant einfach darin integriert sind, widersprach Ploner. "Wenn man dem Architekten im Rahmen eines klar strukturierten Auftrags die Rolle des Restaurants klar macht, wird man auch positive Ergebnisse erhalten."

Urban Denk, Deutsche Hospitality: Gute Qualität kann auch gesund sein.

Wobei es natürlich schwierig sei, Gastronomisches 24 Stunden im selben Raum zu leisten. Für 25hours komme ein einheitlicher Auftritt ohnehin nicht im Frage: "Ein Stuhl in einem Restaurant braucht hohe Aufmerksamkeit: Er hat hohe Frequenz und trägt Menschen, die unterschiedlich traurig, betrunken oder verliebt sind." Licht und Musik seien hier tragende Elemente. So mache es Sinn, die Gastronomie gestalterisch vom Hotel zu lösen. Ebenso wie das Bar-Konzept, bei dem 25hours mit seiner "Dive Bar", in der der Gast stundenlang eintauchen darf in die Atmosphäre wie auch in Getränke. So viel Nähe zum Gast schafft teils Konflikte mit der eigenen Hotel-Policy gerate – wenn Mitarbeiter z.B. mit Gästen zum Rauchen vor die Tür gehen.

Konträre Themen gehören zur Zeit. "So wie in der Welt Extreme auseinanderdriften, können auch in der Gastronomie Trend und Gegentrend erfolgreich sein," ist Hoffmann überzeugt. So bewertet Denk "Grab & Go" nicht prinzipiell als eine Katastrophe: "Es gibt auch hier gute, gesunde Qualität. Schlimm ist nur, was viele junge Leute heute für Mist ausgeben". Dass der Anteil der System-Gastronomie wachse, stellte niemand am Podium in Zweifel. "Es wird mehr davon geben. Sie wird besser, aber es ist trotzdem schade," meinte Hoffmann und zog sich einen Konter Ploners zu: "Mit Neni multipliziert Ihr ja gerade selbst."

Am anderen Ende der F&B-Skala wollte Ploner auch "Fine Dining" nicht am Ende sehen: "Mit 18 Plätzen funktioniert das nicht, ökonomisch nicht, aber auch weil keine Stimmung entsteht. Da fühle ich mich in einer Minute um 20 Jahre älter". Doch in New York City, wo Sterne-Restaurants 200 Plätze bieten, sei dies anders. Auch Hoffmann sieht in Europa durchaus noch Platz für das kleine, persönliche Edellokal: "Es gibt auch gute alte Werte, die man sich erhalten will."

Mitarbeiter passend schulen

In der weiteren Diskussion rückten betriebswirtschaftliche Aspekte in den Mittelpunkt. Bei den Hotels der Deutsche Hospitality liegen laut Denk die Kosten für Mitarbeiter und Wareneinsatz im laufenden Betrieb etwa gleichauf. Der Aufwand für Entertainment sei geringfügig. 25hours kalkuliert ebenfalls nur mit geringen Entertainment-Kosten, dafür sehe der Pacht-Vertrag zehn Prozent vom Umsatz vor; beachtlich sei der Aufwand für das Restaurant-Konzept.

Das 'Deutsche Brothaus' im Steigenberger Dubai. Kulinarisches aus der Ferne lockt in jedem Land die Einheimischen an.

Hoffmann: "Der grösste Teil der Kosten betrifft das Personal. Denn empathische Mitarbeiter sind für das Gastro-Erlebnis entscheidend". Ob und wie gut dieser ausgebildet sein muss, hänge von der Art des Betriebs ab. Für Ploner reicht häufig eine einmonatige Schulung, während Denk die Berufsausbildung für den Dialog auf Augenhöhe zwischen Service-Mitarbeiter und Gast wichtig ist. "Die Bezahlung des Mitarbeiters hat auch Gewicht," weiss Denk aus seiner internationalen Erfahrung. Wenn sich Hoteliers gar nicht mehr gastronomisch engagieren wollen, ist das für Ploner keine Hürde: "Wenn man's nicht gut kann, dann empfehle ich: No food!"

Nach einer TED-Befragung waren im Saal 70 Prozent der Anwesenden der Ansicht, dass Hotel-Restaurants in den Städten der kleinteiligen Gastro-Szene künftig überlegen sein werden. Hoffmann: "Ein einzelner Gastronom hatte früher andere Verdienstmöglichkeiten. Da kann ich nur hoffen, dass der kleine Italiener am Eck überlebt." Auf der anderen Seite stehen Kettenhotels: "Wir kriegen Hotels löffelfertig hingestellt, können sogar unterverpachten. Also verdienen unsere Hotels gut. Nicht zuletzt durch unsere innovative Gastronomie." / Fred Fettner

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