Die stillste MIPIM aller Zeiten Investoren und Entwickler sehr verhalten Positives über Hospitality
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Die stillste MIPIM aller Zeiten

Investoren und Entwickler sehr verhalten, Positives über Hospitality

Vorbei die Champagner-Szenen und wilde Yacht-Partys: Die MIPIM 2023 war von Zins- und Preissorgen geprägt.Foto: S. d'HALLOY, IMAGE CO 

Cannes. Die MIPIM-Besucher waren definitiv nicht in Feierlaune. Nach multipler Krise und Krieg jetzt auch noch kollabierende Banken. Doch stürmische Zeiten bringen oft auch neuen Wind in eingefahrene Strukturen. Ein Blick nach Frankreich und die weite Welt der Immobilien-Investments. Der Hospitality-Branche konnten man Positives abgewinnen.

Während in Cannes die Sonne schien, mussten anderswo grosse Schutzschirme aufgespannt werden. Der Kollaps der US-amerikanischen Silicon Valley Bank und der Absturz der Credit Suisse-Aktie wecken bei den Messebesuchern dunkle Erinnerungen an die Finanzkrise vor 15 Jahren. Der Key-Note Speaker, US-Ökonom und Zukunftsforscher Jeremy Rifkin, sorgte ebenfalls für Nachdenklichkeit. Er beschwor die Messegäste, den Klimawandel ernst zu nehmen, er passiere nicht in der Zukunft, sondern inzwischen in Echtzeit.

Und so gehörten die Champagner-Szenen früherer MIPIMs inzwischen der Vergangenheit an, ebenso wie die wilden Partys auf den Yachten mit ihren übertriebenen Selbstdarstellern. Es sei die stillste MIPIM aller Zeiten gewesen, bestätigte auch Professor Dr. Thomas Beyerle. Er meinte damit nicht nur die Transaktionsmüdigkeit dieser Tage, sondern auch die eher gedämpften Gespräche, sachlich, nüchtern-rational und auf den Punkt kommend. "Beide Seiten am Tisch wissen jetzt ja um was es geht: die neue Preisbildung", brachte es Beyerle auf den Punkt.

Weitere vieldiskutierte Themen waren Wege aus der veränderten Zins-Situation, die Kosten und vor allem Nachhaltigkeit. Für die Hospitality-Branche sei dies, so Beyerle ein eher positives Fenster, zumal die Nachfrage nach "Betten" weiter steigen werde – durch Nachholeffekte der Pandemie und effizientere Strukturen in der Bewirtschaftung. Das zwinge Hoteliers und Projektentwickler zu neuen Angeboten. Im Fokus dabei seien 5-Sterne- und Budget-Hotels – dazwischen werde es schwierig.

Angesichts des schwachen Transaktionsmarktes bleibt das "fallende Messer" das am stärksten strapazierte Bild dieser Tage. Das neue Preis-Level sei noch nicht gefunden und werde sich auch erst in der zweiten Jahreshälfte zeigen. Häufiger zu hören war ebenfalls: Die Zeit für Distressed Investments werde erst im nächsten Jahr kommen.

Der Klimawandel passiert nicht mehr in der Zukunft, sondern in Echtzeit, so Jeremy Rifkin in seiner Präsentation.Foto: S. d'HALLOY, IMAGE CO 

Hospitality gewann an Aufmerksamkeit

Mit gut 800 qm Fläche war der Hospitality-Bereich diesmal prominent vertreten. 300 Hotel-Führungskräfte, 1.700 Investoren und 1.500 Hotelentwickler waren laut Messeleitung vor Ort. Zudem präsentierten sich 560 Städte und Regionen. Auf Einladung von Johanna Capoani, Leiterin des Hospitality Portfolio Management bei Swiss Life Asset Managers, traf sich dann die Branche zu einem Workshop-Nachmittag.

Dort arbeitete man nach einer Keynote in Gruppen, um die Kernprobleme der Hotellerie und ihre Lösungsmöglichkeiten herauszuarbeiten. Viele sahen den Markt, wie Patrick Mendes, CEO Europe & North Africa für Premium-, Midscale- und Economy-Marken von Accor, positiv. Man sehe eine starke Rückkehr der Chinesen und auch der Dollar-Kurs helfe, wieder mehr Amerikaner nach Europa zu bringen. Interessant war, dass offensichtlich viele Hoteliers die Krise genutzt haben, ihre operativen Prozesse zu überarbeiten, den Vertrieb zu verbessern und in das Thema Loyalität zu investieren. Die steigenden Kreditkosten jedoch bereiten vielen Sorgen.

Proptechs: Totgesagte leben länger

Aller Krisen zum Trotz waren auch viele Proptechs auf der Messe, wenn auch wieder im Untergeschoss untergebracht. Der Innovationsbreite und -tiefe der jungen Branche tat dies aber keinen Abbruch. Und das sei auch gut so, so der Branchentenor angesichts der Probleme mit Bestandsimmobilien.

Finanzierung: Keine Besserung kurzfristig

Ein weiteres Hauptthema waren die rasant steigenden und schwer prognostizierbaren Zinssätze. Sie machen vielen sehr zu schaffen. EZB-Chefin Christine Lagarde legte, während die Immobilienbranche in Cannes diskutierte, noch einmal 50 Basispunkte drauf und machte damit die Immobilien-Finanzierung noch herausfordernder.

Daniel While, Head of Research, Strategy and Sustainability bei Primonial REIM, sieht in der letzten Zinserhöhung der EZB ein vorsichtigeres Vorgehen. Die gesamte Immobilien-Branche müsse nun mit negativen Leverage-Effekten umgehen, bis durch Abwertungen nach und nach die Immobilien-Risikoprämie wiederhergestellt ist. Der Immobilienmarkt dürfte im Post-Niedrigzinsumfeld höhere Renditen und eine klarere Unterscheidung zwischen Core und Non-Core-Gebäuden sowie eine noch ausgeglichenere Allokation zwischen zyklischen und antizyklischen Assetklassen aufweisen.

Die Hospitality-Branche war diesmal stärker vertreten und zeigte sichso optimistisch wie Patrick Mendes von Accor in seiner Rede.Foto: S. d'HALLOY, IMAGE CO

Francesco Fedele, CEO bei der BF.direkt AG, sieht die Stimmung unter den Immobilien-Finanzierern als ziemlich verhalten an. "Dieser Eindruck spiegelt sich auch im aktuellen BF.Quartalsbarometer wider. Der Sentiment-Index für Immobilien-Finanzierer, den bulwiengesa im Auftrag der BF.direkt erstellt, hat einen neuen Tiefststand erreicht." Doch auch wenn das Umfeld für Neu- und Refinanzierungen schwierig bleibe, sei eine Welle an geplatzten Krediten bisher ausgeblieben. Es liege auch keine Kreditkrise vor, denn der deutsche Bankensektor sei prinzipiell finanzierungsbereit. Die Schwierigkeit bestehe vor allem darin, dass Angebot und Nachfrage derzeit nicht zueinanderfänden.

Wann springt der Investment-Markt wieder an?

Noch fliessen die Mieten und die Kaufkraft ist hoch, aber vieles läuft unrund. Auf der Messe waren sich fast alle einig, dass die Zinsen noch weiter ansteigen werden und zwar mindestens bis zum Jahresende. Und auf dem Investment-Markt wird die Handbremse in 2023 wohl noch nicht gelöst werden. "Die gestiegenen Zinsen führen derzeit zu Korrekturen der Multiplikatoren am Markt", bestätigt auch Jochen Schenk, CEO bei der Landesbanktochter Real I.S. AG. Der Markt durchlaufe derzeit eine Phase der Neubewertung und die Anleger planen ihren Wiedereinstieg in den Markt mit Bedacht.

Noch stärkere Preisrückgänge würden aktuell vom stabilen Vermietungsmarkt und von den inflationsgetriebenen Mietsteigerungen, insbesondere bei Gewerbeimmobilien, abgefedert werden. Das sei der berühmte Inflationsschutz der Immobilie, der jahrelang keine Rolle spielte. Oft werde auch übersehen, dass der Realzins von Wertpapieren oder Geldanlagen nach Abzug der Inflation so negativ sei wie lange nicht mehr.

Doch es sind auch noch Investoren unterwegs. "Wir sehen eigenkapitalstarke Investoren, die sehr bedacht und fokussiert Chancen wahrnehmen. Ein gutes Verständnis für beides, Hotelbetrieb und Immobilie, ist nun wichtiger denn je. Die MIPIM hat gezeigt, wie wichtig und unerlässlich der persönliche Austausch ist," sagt Andreas Ewald, Managing Partner der Engel & Völkers hotel Consulting. Kritischer sieht Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende der RICS Deutschland und stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Instituts für Corporate Governance in der Immobilienwirtschaft ICG, die Lage: "Deutschland ist aus Investorensicht nicht mehr der sichere Hafen."

Institutionelles Geld versteckt sich

Bei den Projekt-Entwicklungen sieht es momentan schwierig aus. Jan Hendrik Goldbeck, Managing Director der Goldbeck Group, sah in Cannes tendenziell eine etwas bessere Stimmung als in Deutschland, aber er habe auch viele leise Töne gehört und allgemeines Abwarten gesehen. Es sei ein wenig wie Mikado, zieht er den Vergleich: Wer zuerst wackelt, verliert. Institutionelles Geld, so Goldbeck weiter, habe sich wie ein scheues Reh im Wald versteckt. Die Businesspläne vieler Developer gehen nicht mehr auf. Zocken bei Transaktionen sei nicht mehr drin. Das sei auch gut so, denn es führe zu einer Reprofessionalisierung einer überhitzten Immobilien-Branche, so Goldbeck abschliessend.

Ein MIPIM Award aus Cannes fand seinen Weg nach Sylt zum Gesundheitsresort Der Lanserhof. Foto: ingenhoven associates, HG Esch

ESG: Drittverwertung entscheidend

Neben sehr vielen Diskussionen zum Thema Nachhaltigkeit und ESG im Neubau erhielten nun auch die Bestandsimmobilien mehr Aufmerksamkeit, Stichwort "Brown to Green": Bei bestehenden Gebäuden gilt es zu nun zu überlegen, wie dort die geforderten Standards für Nachhaltigkeit, Technik, Wellbeing, Design und Flexibilität ökonomisch und ökologisch nachhaltig umgesetzt werden können.

"Einer der wichtigsten Punkte bei der Nachhaltigkeit wird aber häufig vergessen", gibt Tobias Nöfer, geschäftsführender Gesellschafter von Nöfer Architekten, zu bedenken. Bereits bei der Planung gelte es, an die Drittverwertung zu denken. Jede Optimierung auf eine Asset-Klasse widerspreche dem Nachhaltigkeitsgedanken.

Drittverwertungsfähigkeit habe neben der ökonomischen Komponente viel mit Grosszügigkeit in der Planung und beim Bau zu tun. "Wenn ich schon 2,20 m hohe Flure in den Hotels sehe, ist sofort klar, dass dieses Objekt für jede Umnutzung ungeeignet ist." Auch das viel beschworene Cradle-to-Cradle-Mantra sieht der Architekt kritisch. Die Idee der Kreislaufwirtschaft sei oft auch von der Industrie gesteuert, die ja vom Umsatz lebe. Wenn bei Gebäuden nach 20 Jahren die zertifizierte Ausstattung wieder herausgerissen werden müsse, sei es das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Besser wäre es, die Dinge so zu konstruieren, dass man sie theoretisch nur pflegen, aber nie wieder kernsanieren muss. Ähnliches gelte auch für die Stadtplanung.

Zwei Awards für deutsche Projekte

Für die MIPIM Awards waren dieses Jahr 43 Projekte aus 22 Ländern im Rennen. Zwei deutsche Projekte wurden als preiswürdig erachtet: Das Gesundheitsresort Lanserhof Sylt von den Architekten Ingenhoven Associates und Entwickler LHS Grund 5 in der Kategorie Tourismus- und Freizeitanlagen und die Atelier Gardens Berlin von MVRDV, Studio Fabrix und Hirschmüller Schindele und Entwickler Fabrix als bestes Stadterneuerungsprojekt.

Fazit: Die Messe zeigte ganz klar eine Branche im Umbruch. Vieles bleib in Cannes gleich, so manches ab liess einen dann doch sprachlos zurück. Während in Deutschland gerade über 4.000 Beschäftigte bei der Warenhauskette Galeria ihre Jobs verlieren, war deren Investor René Benko in Cannes mit einer der grössten Yachten vor Ort. Auch der Ukraine-Stand, vergangenes Jahr noch prominent platziert, war dieses Jahr im Souterrain untergebracht. Überhaupt schienen der Krieg und Covid kein Thema mehr gewesen zu sein. Deren Folgen aber schon.

Der Branchen-Tenor lautete: Die Zukunft ist unsicher. War sie das nicht schon immer? Neben den Aspekten, die wirklich Sorgen bereiten, gibt es bei genauerem Hinsehen auch viele Pfeiler im Immobilien- und Hospitality-Bereich, auf denen man nachhaltig aufbauen kann. Die Fundamentaldaten in vielen Ländern sind gut, verbunden mit einer hohen Kaufkraft, einer ungebremsten Reisefreudigkeit und einer niedrigen Arbeitslosenquote sind das doch durchaus positive Perspektiven. / Beatrix Boutonnet

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