Digitalisiert und trotzdem menschlich 10 ITB Hospitality Day 2015 IT und Emotionen kreieren neue Hotel Konzepte

Digitalisiert und trotzdem menschlich

10. ITB Hospitality Day 2015: IT und Emotionen kreieren neue Hotel-Konzepte

Zwei Ansätze für ein Hotel-Konzept: Moderatorin Maria Pütz-Willems im Gespräch mit Gesine Haag von Barefoot Living und Hubert Viriot von Yotel.

Berlin. Zwei unterschiedliche Konzepte und doch Parallelen: Die Marke Yotel – bekannt geworden durch ihre "Schlafkabinen" in fensterlosen Flughafen-Hotels und durch den Roboter "Yobot" – sorgt mit ihrer Innovationskraft immer wieder für Überraschungen in der Branche. Einen ganz anderen Weg schlägt das gerade frisch gegründete Unternehmen Barefoot Living ein: Es nähert sich Hotel-Konzepten nicht von Design und Hardware, sondern von der emotionalen Seite. Eine spannende Gegenüberstellung am 10. "ITB Hospitality Day", der Hotelkonferenz der weltgrössten Tourismusmesse Anfang März in Berlin.

Yotel Hotels entstanden, weil ihr Gründer vom Luxus der Firstclass-Kabinen bei British Airways begeistert war. Ein rationaler Ansatz. Im Gegensatz dazu erarbeitet die aus dem Marken- und Digital-Business stammende Unternehmerin Gesine Haag gemeinsam mit dem deutschen Schauspieler Til Schweiger unter dem Titel "Barefoot Living" ein entspannendes Resort-Hotelkonzept. hospitalityInside-Chefredakteurin Maria Pütz-Willems fragte nach und fand u.a. heraus: Sowohl Yotel als auch Barefoot Living übersetzen die Wünsche von Konsumenten in die Hotellerie und verknüpfen dabei geschickt Design und Digitalisierung mit Lebenswerten.

Die Erfolgsstory von Yotel schreitet voran. Zu den drei Häusern in Europa und dem Hotel in New York werden bald 10 weitere in Asien und den USA stossen. Sie befinden sich laut CEO Hubert Viriot bereits im Bau. Die Zimmergrösse eines Yotel liegt bei 15 Quadratmetern, an Flughäfen teilweise sogar nur bei 10. Dort werden die Räume auch bis zu dreimal täglich im Vier-Stunden-Takt vermietet, in den Stadthotels beträgt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer 3,5 Nächte. Pro Slot erzielt Yotel am Londoner Flughafen 40 bis 50 Pfund pro Zimmer. "Das Design unserer Häuser ist um den Gast herum kreiert", sagt Viriot. Dieser erwartete Sicherheit, einen gewissen Luxus, Raum und die wichtigsten Ausstattungsgegenstände.

Hubert Viriot: Gäste vernetzen via App.

Online nutzen, mit Social Media begeistern

Selbst ein 600 Zimmer-Haus braucht bei Yotel keine Rezeption. Die Gäste checken online ein. "Der Checkin-Prozess ist Zeitverschwendung", so Viriot. 95 Prozent der Yotel-Gäste checkten per Handy ein. 50 Prozent der Gäste buchten direkt über die eigene Website, nur wenige über das ebenfalls vorhandene Call Center. "Dort ist aber nicht viel los", so Viriot.

Bei den Buchungen für die Slot-Übernachtungen in Airport-Hotels seien buchen sogar 90 Prozent online. Da diese Slots von den meisten Gästen im Vorfeld reserviert würden, sei es relativ einfach, das Housekeeping hierfür einzuteilen. "Um diese kleinen Zimmer zu reinigen, benötigen wir weniger als 10 Minuten", erläuterte der Manager.

Zum Beschleuniger in Sachen Marken-Bekanntheit hat sich in New York "Yobot" entwickelt. Wer sein Gepäck im Hotel aufbewahren lassen möchte, kann dies dort selbst über den "Gepäck-Roboter" klären, einen schicken Gabelstapler, der die Koffer und Taschen gegen Gebühr in freie Schliessfächer manövriert. Yobot war ein gelungenes Experiment – weitere Innovationen dieser Art sollen folgen. Das Motto der Yotel-Gruppe lautet schliesslich "CANI".

Ein Yotel konzentriert seine öffentlichen Räume auf nur einen Bereich, die multifunktionale "Club Lounge". Das fördert das Vernetzen. Hilfe vom Hotel - sowohl beim Business als auch bei der Kontaktaufnahme mit anderen Gästen - erhält der Gast z.B. per App. "Wir bieten lokale Applikationen wie Ausgeh-Tipps oder Verbindungen zu Communitys in der Stadt. Wir haben einen Erfindergeist in unserer DNA", erklärte Viriot. "Unsere Gäste mögen unsere Einfachheit, sie suchen keine pompösen Hotels, aber sie möchten sich miteinander vernetzen."

40 Prozent der Gäste bewegten sich in der Altersklasse 20 bis 40 Jahre. "Demographische Erhebungen sagen aber wenig über unsere Gäste", so Viriot. Die Zielgruppen-Definition des Unternehmens selbst ginge tiefer, sie erfasse auch Corporate und MICE-Gäste sowie Touristen.

Vorbild Familien-Idylle

Digital-Unternehmerin Gesine Haag bündelt unter dem Barefoot Living-Label bislang vor allem hochwertige, aber bequeme Freizeitmode, Interior Design aus warmen, natürlichen Materialien und kuschelige Heimtextilien – alles käuflich via Online-Shop. 50 Prozent der Käufer sind übrigens Männer.

Zugpferd der Marke ist Schauspieler und Regisseur Til Schweiger. Dessen Villa auf Mallorca inspirierte das Team, ein Hotel im vergleichbaren Stil zu entwickeln, in dem sich Menschen so wohl fühlen wie seine Freunde bei ihm zuhause. Ein Platz für die Familie, entspannt und authentisch.

Gesine Haag: Authentisches und Natürliches überzeugt.

Barefoot Living orientiert sich an den Werten der Vergangenheit, ohne die Zukunft aus dem Auge zu lassen. "Keiner kann heute mehr eine Landkarte lesen. Man verliert seine natürlichen Sinne, wenn man nur noch auf eine Uhr schaut, um die Werte dort abzulesen", sagt Haag. Sie denke bei einem Hotel für Familien an Lagerfeuer oder an Bäume, auf die Kinder klettern könnten. Til Schweiger als Marke stehe für Qualität und einen natürlichen Familienvater. Das sendet Signale an die künftige Zielgruppe, die sich jetzt schon für Barefoot Living-Hotels interessiert. "Wir kennen unsere Kunden, bevor wir ein Hotel bauen," so Gesine Haag. In der Umsetzung bedeutet dies: Auch in den geplanten Hotels sollen die Gäste alles käuflich erwerben können, was sie während ihres Aufenthalts gut finden.

Digitale Welt gezielt einsetzen

Interessant die Diskussion um Digital oder Nicht-Digital: Gesine Haag plädierte dafür, WiFi im Hotel nicht abzuschalten, aber räumlich zu limitieren. "Das Leben wird ohne Lichtschalter nicht leichter. In manchen Bereichen macht die Digitalisierung Sinn", sagte die frühere Amazon-Managerin und denkt dabei daran, den Gästen per Messaging Service die Abfahrt des Fischerbootes zum Sonnenuntergang mitzuteilen oder ihnen auch die Namen der mitfahrenden Gäste zu nennen. Social Media und IT sinnvoll nutzen, ohne den Bezug zu Natur und Menschen zu verlieren – das ist das Ziel von Barefoot Living. Denn: "Das ganze Hotelerlebnis lebt von den Menschen, mit denen man zu tun hat."

Was bezogen auf ein Hotel sehr personalintensiv klingt, soll es in Wirklichkeit aber nicht sein: "Ich denke sogar, wir brauchen in einem Barefoot Living Hotel weniger Personal. Wir nähern uns dem Hotel nur anders an", erklärte sie. Der eingespielte Image-Film zeigte, wie dies funktionieren könnte: So sitzen beispielsweise alle Gäste an einer grossen Tafel im Garten, auf den Tisch kommen grosse Schüsseln, jeder hilft mit und füllt sich selbst den Teller. Wie zuhause in der Grossfamilie.

Gesine Haag und ihr Team, so sagt sie, führen "derzeit konstruktive Gespräche" mit interessierten Hotels, die das erste Barefoot Living Hotel werden wollen." Zwei davon stehen in Deutschland.

Ob Yotel oder Barefoot Living: Beide Konzepte wollen Menschen miteinander ins Gespräch bringen und lokale Besonderheiten hervorheben. Fraglich ist wohl nur, ob man sich der Community eher rational/digital oder emotional nähert. So verwunderte es dann auch wenig, dass die TED-Abstimmung am Ende dieser Diskussionsrunde wenig aussagekräftig ausfiel. Die Frage: "Wird der digitale Trend in Zukunft humane Werte verändern?" beantworteten 51 Prozent der Anwesenden mit "Ja" und 49 Prozent mit "Nein". Das Publikum, so scheint's, vermag momentan weder dem einen noch dem anderen Ansatz ganz vertrauen. / Susanne Stauss

Anmerkung der Redaktion:
Die ITB Berlin kann den Mitschnitt dieses Panels vom ITB Hospitality Day am 5.3.2015 leider nicht in ihrem YouTube-Kanal zeigen. Die Website nennt als Grund: "Dieses Video ist in Deutschland leider nicht verfügbar, da es Musik von SME enthalten könnte, über deren Verwendung wir uns mit der GEMA bisher nicht einigen konnten."

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