Durchhalten mit System Wie Ruby CEO Michael Struck die Gruppe seit ihrem Start digitalisierte
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Durchhalten mit System

Wie Ruby-CEO Michael Struck die Gruppe seit ihrem Start digitalisierte

Ruby Lucy London: Design zum Staunen, Wohlfühlen und Bleiben. Von der Digitalisierung hinter den Kulissen merkt der Gast nichts.Foto: Ruby 

München. Der Kostendruck und der Mitarbeiter-Mangel schärfen – endlich – das Bewusstsein für mehr Digitalisierung im Hotel, vor allem im Backend. Alle reden drüber, Ruby Hotels macht es schon seit zehn Jahren, seit Gründung der Gruppe. Nur so konnte die Lifestyle-Marke unter dem anspruchsvollen Motto "Lean Luxury" überhaupt wachsen. CEO Michael Struck erlaubt uns einen Blick in die digitalen und automatisierten Strukturen von Ruby, die vielen anderen Gruppen weit voraus sind.

Wenn man das nachfolgende Interview liest, klingt das alles sehr logisch, flüssig und schnell umgesetzt. Das war es aber nicht, gibt Michael Struck zu. "Natürlich gab und gibt es Schwierigkeiten", sagt der Hotelier, der sein "Haus" sukzessive digital gebaut hat. Deshalb ist Durchhalten mit System genau so wichtig wie die Systeme selbst.

Er erinnert sich an eine schwierige Situation am Anfang, als Rubys damaliger, wichtigster Systempartner, Hetras, durch Shiji übernommen wurde und damit das bisherige System nicht mehr fortgeführt werden konnte. "Wir mussten sozusagen im gestreckten Galopp eine Operation am offenen Herzen vornehmen..." und fügt grundsätzlich hinzu. "Man liegt auch nicht immer richtig mit Entscheidungen. Unser CRM-System haben wir z.B. mehrfach gewechselt, bis wir bei unserem heutigen System 'angekommen' sind."

Wichtig ist ihm dabei immer gewesen, die Technologie als Tool im Hintergrund zu integrieren, um selbst ein guter Gastgeber sein zu können. Corona hat ihm, trotz aller Negativität, hier in die Hände gespielt und die Digitalisierung weiterer Prozesse im Backend weiter vorangetrieben.

Michael Struck: Zentralisierung und Digitalisierung gehen Hand in Hand, die Effizienz ist nachweislich da. Foto: Ruby 

Michael, wann hat die Digitalisierung bei Ruby Hotels begonnen?

Wir haben schon mit der Gründung von Ruby Hotels im Jahr 2013 auf drei Dinge gesetzt, die uns von anderen konventionellen Hotel-Gruppen unterscheiden sollten: erstens auf das Produkt, Lean Luxury, zweitens auf proprietäre technologische Lösungen beim Planen und Bauen, u.a. ein modulares Architektur-Instrumentarium. Und drittens auf eine neuartige Weise, unsere Prozesse und Systeme zu organisieren, basierend auf Zentralisierung und Automatisierung bzw. Digitalisierung.

Von Anfang haben wir mehr als nur die typischen Verwaltungsfunktionen wie Einkauf oder Buchhaltung zentralisiert. Wir sind gleichzeitig Sales & Marketing und die Reservierung angegangen – und haben auch das ins Headquarter gezogen. Wir gehen sogar so weit, viele operative Kernfunktionen zu zentralisieren: Die meisten Leitungsfunktionen im Hotel, beispielsweise das F&B Management, und sogar grosse Teile des Front Office liegen nicht in den Hotels, sondern in der Zentrale. So weit geht meines Wissens keine andere Gruppe in unserer Branche.

Ein paar Beispiele dazu?

Wir haben von Anfang papierbasierte Prozesse in den Hotels vermieden und mittlerweile vollständig eliminiert. Lieferscheine und Rechnungen beispielsweise laufen bei uns rein digital auf. Unser Rechnungswesen-System generiert daraus automatisch Zahlungsdateien für die Bank, Buchungssätze für unsere Buchhaltungssystem, und managt alle vorbereitenden Freigabe-Prozesse. Selbst die Prüfungsprozesse sind teils automatisiert, das System gleicht z.B. automatisch die Lieferscheine mit den Rechnungen ab. Auch die Rechnungspreise werden automatisch mit den Zulieferer-Verträgen abgeglichen. Wir haben mittlerweile einen sehr hohen Automatisierungsgrad in den verschiedensten Workflows erreicht.

Digitalisierung und Zentralisierung erfolgen dabei Hand in Hand. Durch den hohen Digitalisierungsgrad unserer Prozesse liegen uns zentral alle aktuellen Daten vor, so dass – um beim Beispiel F&B zu bleiben – das zentralisierte F&B Management sehr effektiv funktioniert. Wir sehen die historischen und aktuellen Volumina im Vergleich aller Hotels, sehen welche Artikel laufen oder nicht. Wir arbeiten auch deshalb nur mit Lieferanten zusammen, die unsere digitalen Prozesse unterstützen.

Auch bei unserem zentralisierten Front Office gehen die Zentralisierung und Digitalisierung Hand in Hand, und darauf basierend zahlreiche Automatisierungen, die quer durch die Firma gehen. Two-Way-Interfaces aller Distributionssysteme, automatisiertes Pricing und automatisierte Marketing-Messages, die heute natürlich Standard sind, hatten wir schon von Anfang an, vor neun Jahren. Genauso gehörten automatisierter Check-Out, Rechnungsstellung, und Zahlungsabwicklung von Anfang an für uns dazu. Wir treiben den hinter den Kulissen ablaufenden Automatisierungsgrad immer weiter, und automatisieren beispielsweise zusätzlich auch die Prozesse in der Gruppen-Reservierung.

Rubys digitaler Check-in an der Rezeption, die auch Bar ist: Das Tablet ist integriert, das Anmeldeformular darin vorausgefüllt. Eine Bestätigung und die Zimmerkarte fällt in die goldene Ablage auf Kniehöhe.Foto: Gregor Hofbauer 

In einem früheren Gespräch hast Du bereits die digitale Personalakte erwähnt. Seit wann gibt es diese?

In den letzten Jahren haben wir uns People & Culture gewidmet, vorwiegend den Prozessen in der Personal-Verwaltung, wo wir beispielsweise die Lohn-Abrechnung weiter automatisiert haben. Die ja ohnehin ja schon digital erfolgende Arbeitszeiterfassung kombinieren wir seit 2022 mit einer digitalen Personalakte, die die übrigen für die Lohnabrechnung erforderlichen Daten vorhält, beispielsweise die individuellen vertraglichen Überstunden-Regelungen. So dass auch die Lohnabrechnung jetzt ein vollautomatisierter Prozess ist. Die digitale Personalakte hilft uns, zahlreiche weitere Personal-Verwaltungsprozesse zu automatisieren, beispielsweise das Meldewesen oder das Erstellen von Bescheinigungen. Alles Länder-Spezifische ist dabei selbstverständlich berücksichtigt.

Als nächstes arbeiten wir daran, die Schichtplanung zu digitalisieren, und dabei KI-basiert zu optimieren. Dabei fliessen nicht nur Buchungsdaten zur Abschätzung der Anzahl an Frühstücks-Cover ein, sondern sogar Wetterdaten, um zu prognostizieren, was im Terrassen-Geschäft auf uns zukommt.

Die Künstliche Intelligenz spielt inzwischen eine grosse Rolle. Bewerbungen werden digital eingelesen und dann von der KI ausgewertet. Wir sehen, ob das Profil unseren Anforderungen entspricht oder ob wir gleich eine Absage schicken können.Mit unserem Recruitment-System lassen sich auch andere, viel einfachere aber dennoch bislang arbeitsintensive Prozesse automatisieren, z.B. das Editieren der Stellen-Inserate auf den vielen verschiedenen Recruitment-Plattformen. Das alles sind nur Schlaglichter von dem, was wir tun.

Wie viele Prozent der administrativen Belastung kann man durch die Digitalisierung einsparen?

Digitalisierung, Automatisierung und Zentralisierung hängen bei uns so eng zusammen, dass ich die Effekte jedes einzelnen Faktors nicht separat erfassen lassen. Aber zusammengenommen ist der Effekt eine Effizienzsteigerung um Faktor zwei.

Die Automatisierung findet bei uns im Hintergrund statt, bei den Verwaltungsprozessen, die für die Guest Experience keine Rolle spielen. Das heisst dass diese Automatisierungen die "Ruby Experience" nicht weniger persönlich machen, sondern im Gegenteil: Alle haben dadurch mehr Zeit für die Gäste und mittelbar für das Team, also für all das, worauf es ankommt – auf die Menschen.

Unsere Systeme schaffen den Freiraum, sich stärker um den Gast zu kümmern. Dass sich bei uns die Systeme sich um viele der komplexeren und Knowhow-intensiveren Aufgaben kümmern, hat noch einen weiteren Vorteil für unsere Gäste: So können wir Mitarbeiter danach aussuchen, wie gut sie mit Menschen umgehen können, und nicht abhängig davon wie gut sie in Verwaltungstätigkeiten sind.

Mitarbeiter entlasten, heisst aber auch: Wie viele Köpfe kann man im Back Office weniger einstellen? Und entsteht dadurch Freiraum, um mehr Kräfte z.B. im Service einzustellen?

Die Kapazitäts-Freiräume, die wir gewinnen, nutzen wir auf zwei Arten: Wir können dadurch mehr Zeit investieren in den Dialog mit unseren Gästen. Und zweitens können wir dadurch Kapazitäten in der Verwaltung sparen, und geben diese Kostenvorteile als Preisvorteile weiter – das ist einer der Wege, wie wir Luxus für unsere Gäste erschwinglich machen, und ein so gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Beide Wege führen also am Ende zu Vorteilen für unsere Gäste.

Entspannte Mitarbeiter mit Zeit zum Plaudern mit dem Gast: In ihre digitale Personalaktie fliessen sogar die veränderten Schichtpläne automatisiert mit ein.Foto: Ruby 

Wie kommen weniger geschulte oder Tech-affine Mitarbeiter mit Euren vollautomatisierten Prozessen zurecht? Muss auch der schwächste sich in Euer System hinein denken und Online-Anfragen stellen?

Gute Systeme sind intuitiv und selbsterklärend. Ruby verfügt inzwischen über ein grosses Systems-Team, das sicherstellt, dass die User Interfaces genau so sind. Viele unserer Systeme sind Eigenentwicklungen oder werden gemeinsam mit System-Partnern entwickelt bzw. weiterentwickelt. Das Front Office System haben wir beispielsweise damals mit dem Münchner Start-up Hetras entwickelt, das 2016 von der chinesischen Tech-Company Shiji übernommen wurde und die immer noch unser System-Partner dafür sind.

Mit wie vielen verschiedenen Softwares bzw. IT-Systemen hat Ruby seinen heutigen Automatisierungsgrad erreicht?

Viele unserer Automatisierungen haben wir, wie gerade erwähnt, selbst entwickelt, z.B. unsere eigene IBE, zu der wir mit der Firma Workmatrix zusammengearbeitet haben. Die IBE massgeschneidert zu entwickeln, war eine der Voraussetzungen für viele anschliessende Automatisierungen. Dadurch konnten wir von Anfang einen einen halbautomatisierten Online-Check-in anbieten, bei dem beispielsweise der Meldeschein schon vorausgefüllt wird. Das Gleiche gilt für die erwähnte automatisierte Rechnungsstellung und Zahlungsabwicklung.

Heute, im Zuge unseres Wachstum in viele neue Jurisidtionen, auch in Nicht-EU-Länder, sind die Anforderungen an all diese Systeme komplexer geworden. Covid lehrte uns zudem schnell, die komplett kontaktlose Zahlung anzugehen.

Wie stellt sich denn heute der Payment-Mix dar? Wie viele noch Cash, über EC-/Kreditkarten, wie viele über Smartphone/Apps?

Cash-Zahlungen gibt es bei uns nicht mehr. 100% unserer Zahlungen sind digital, wir bieten dabei alle gängigen Zahlungsplattformen an, natürlich auch via Apple Pay und Google Pay. Wie sich die Transaktionen auf die verschiedene Zahlungswege verteilen, müsste ich nachschauen.

Wir entwickeln gerade unsere eigene App, die auch unseren Mobile Key beinhalten wird. Aufgrund dessen wird es eine Native App, da es für den Mobile Key unseres Erachtens zur Zeit noch keine sichere Lösung via Progressive Web Apps gibt. Die Schliesssystem-Hersteller arbeiten schon lange an einer Progressive Web App-basierten Lösung, aber noch müssen wir etwas darauf warten.

Wir selbst haben intern momentan 45 System-Projekte gleichzeitig laufen. Jedes Projekt durchläuft einen Portfolio-Planungsprozess, der sich alle sechs Monate wiederholt. Werden die Projekt-Ziele zur Produkt-Verbesserung, Produktivitäts-Optimierung oder den erhofften Kosten-Senkungen nicht erfüllt, werden andere Projekte hochgestuft bzw. bevorzugt. Das ist ein transparenter und klar geregelter Prozess.

Systementwicklung kostet schliesslich sehr viel Geld. Wir investieren pro Jahr deutlich über zwei Millionen Euro nur in Systeme. Das ist für einen Operator unserer Grösse schon viel.

Herzlichen Dank, Michael, für diesen Einblick in Eure digitalen Strukturen!

Interview: Maria Pütz-Willems


 

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