Erdbebenopfer oder Touristen In der Türkei öffneten Hotels ihre Türen Jetzt steht die Sommersaison bevor
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Erdbebenopfer oder Touristen?

In der Türkei öffneten Hotels ihre Türen – Jetzt steht die Sommersaison bevor

Am 6. Februar 2023 verwüsteten zwei Erdbeben u.a. elf Provinzen in der Türkei.Foto: Adobe Stock Cenk 

Istanbul. Die vielen Erdbeben, die den östlichen Teil der Türkei erschüttert haben, sorgten für Tausende Tote und Verletzte und Millionen haben ihr Zuhause verloren. Der örtliche und internationale Hotel-Sektor eilte zur Hilfe. Viele Hotels, die geschlossen waren, öffneten erneut. Jetzt stellt sich die Frage, was mit den unerwarteten Gästen passiert, sobald die geschäftige Tourismussaison beginnt? Touristisch hat sich die Türkei vollständig von der Pandemie erholt.

6. Februar 2023. Im kollektiven Gedächtnis wird dieses Datum die "Nacht" bleiben, in der über 50.000 unschuldige Menschen im Osten der Türkei und im Norden Syriens traurigerweise ihr Leben verloren haben, als zwei aufeinanderfolgenden Erdbeben der Stärke 7,8 und 7,4 auf der Richterskala 11 Provinzen verwüsteten und viele Leben in Städten wie Adana, Gaziantep, Osmaniye und Kahramanmaras auslöschten. Jenseits der Grenze wurde zudem eine ganze Region im Nordwesten Syriens in Mitleidenschaft gezogen mit beinahe 6.000 Toten und Hunderttausenden Vertrieben laut UN. Mindestens 17 Millionen Menschen sind davon betroffen.

Mitten im kalten und verschneiten Winter arbeiteten über 30.000 örtliche Einsatzkräfte und über 6.000 internationale Mitglieder von Such- und Rettungsteams gemeinsam an der Rettung der unter den Trümmern der eingestürzten Gebäude gefangenen Menschen. Einen Monat später sind noch immer rund 13,5 Millionen Menschen von "der Katastrophe des Jahrhunderts" betroffen, wie die türkische Regierung es nannte.

Touristisch hat die Türkei Corona komplett hinter sich gelassen. Welchen Effekt wird das Erdbeben auf den Tourismus 2023 haben?Foto: Martin Fuchs Pixabay

Viele Menschen zelteten zwischen den Trümmern, andere in vorübergehende Zeltlager evakuiert, die von der türkischen Katastrophenschutz-Behörde AFAD in sicheren Gebieten errichtet wurden. Die Hotellerie wurde ebenfalls gebeten, Hilfe zu leisten. Tausende Opfer wurden in Hotels und Resorts untergebracht, besonders in den beliebten Touristenzielen Alanya und Antalya an der Mittelmeer- und Ägäis-Küste. Aktuell ist dort Zwischensaison, was bedeutet, dass die meisten Hotels geschlossen waren. Doch Hunderte Hotels öffneten ihre Türen früher, um die Überlebenden aufzunehmen, die in jener Nacht alles verloren hatten – Zuhause und Familienmitglieder.

Hotels und Resorts leisten Hilfe

Die türkische Hotelier-Vereinigung sagte Reuters gegenüber, dass Tausende Zimmer in Resorts in Antalya, Alanya, Marmaris, Fethiye, Bodrum sowie in İzmir und Cappadocia zur Verfügung gestellt wurden. Der Eigentümer des Cettia Beach Hotel in Marmaris, Bulent Bulbuloglu, erklärte, wie er der Solidaritätsbewegung beigetreten ist. "Mein Hotel ist im Winter geschlossen und sollte im April wieder öffnen, zum Beginn der Sommersaison. Wir renovierten gerade das Hotel, unterbrachen diese Arbeiten und öffneten das Hotel", sagte er. Viele Hoteliers vor Ort taten dasselbe. Auf internationaler Ebene schloss sich eine Handvoll Hotel-Gruppen der Hilfe im Rahmen ihrer Möglichkeiten an.

Die Best Western Hotel Group bot beispielsweise durch ihre Wohltätigkeitsorganisation Best Western for a Better World den von der Katastrophe Betroffenen Unterstützung an und stellte die Sicherheit der Hoteliers und ihrer Teams in der Region sicher.

Solidarisch stellte Accor mehrere Initiativen auf die Beine und bietet Ersthelfern und Erdbebenopfern vorübergehend Unterkunft in Häusern, die sich in der Nähe der betroffenen Gebiete befinden, und auch eigenen Mitarbeitern und ihren Familien, wenn deren Wohnraum beschädigt wurde. Und die Hotels im Land haben ihren Vorrat an Bettwäsche, Handtüchern und Lebensmitteln der türkischen Hotel-Vereinigung gespendet.

Accor Heartist Solidarity, die Stiftung der Gruppe, hat sich mit dem UNHCR, dem UN-Flüchtlingskommissariat, zusammengeschlossen, um Spenden von Mitarbeitern zu sammeln, die dann von Accor aufgestockt wurden. "Accor beobachtet die Situation weiterhin genau und wird das Land mittel- bis langfristig unterstützen, einen Fahrplan mit Prioritäten und Wegen erarbeiten, wie wir unsere laufenden Anstrengungen fortsetzen können", erklärte das Unternehmen.

Ob in Antalya, Alanya, Marmaris, Fethiye oder wie hier in Bodrum – tausende Opfer kamen in Hotels unter.Foto: Tamer Harteviouglu 

Die Radisson Hotel Group zeigte sich ebenfalls der Situation gewachsen und ermutigte ihre Mitglieder, ihre Radisson Rewards-Punkte zu spenden, um den Betroffenen zu helfen. Alle gespendeten Punkte werden in Geld umgewandelt und dem Roten Kreuz zur Verfügung gestellt, das die Hilfen koordiniert. "Radisson Rewards wird die ersten 10 Millionen gespendeten und in Bargeld umgewandelten Punkte zugunsten der Sache verdoppeln", versprach die Hotelgruppe.

In Frankreich hat das Gästehaus- und Ferienunterkünfte-Netzwerk Gites de France seine Plattform für Initiativen gestartet, um Spenden zu sammeln. Alle gesammelten Spenden werden der örtlichen Wohltätigkeitsorganisation Secours Populaire Français zur Verfügung gestellt.

OTAs bieten Unterkunft und Geld

Tech-Plattformen stellen ihre Technologie den Betroffenen ebenfalls zur Verfügung. Das in Istanbul ansässige Start-up Missafir, das in der Türkei Wohnraum für Kurzzeit-Vermietung der Unternehmen Airbnb, Booking.com, Agoda, VRBO, Homes & Villas by Marriott und Expedia verwaltet, hat beispielsweise eine Plattform ins Leben gerufen, um Überlebende des Erdbebens, die Wohnraum brauchen, mit Eigentümern von Wohnraum zu vernetzten, die ihre Unterkünfte bereitstellen. "Wenn Sie Ihr Zuhause Opfern bereitstellen wollen, die Hilfe benötigen, füllen Sie dieses Formular aus. Wenn Sie nach einer Unterkunft suchen, füllen Sie das Formular aus und wir helfen Ihnen", ist auf der Website des Unternehmens zu lesen.

Die traditionell in Krisenzeiten sehr aktive Non-Profit-Organisation von Airbnb, Airbnb.org, arbeitet mit Wohltätigkeits- und Regierungsorganisationen zusammen, um kostenlosen Wohnraum auf Zeit in der Türkei und Syrien anzubieten. Diese Aufenthalte werden von den Non-Profit-Partnern von Airbnb.org koordiniert und durch Airbnb und grosszügige Spenden an Airbnb.org finanziert.

"Wir bieten über unser zuverlässiges Netzwerk von Partnern Gutscheine für Übernachtungen an. In den nächsten Monaten wird Airbnb.org seine Arbeit mit Non-Profit-Partnern ausweiten, um kostenlosen Wohnraum in Gebieten anzubieten, wo es sicher ist", wie in einem der Nachrichten-Feeds zu lesen ist. Die Organisation fordert Leute auf, die ihre wichtige Arbeit sowie andere Krisensituationen unterstützen wollen, auf Airbnb.org/earthquakes zu spenden. Das Unternehmen versprach, alle Spenden bis zu einem Gesamtwert von 5 Millionen Dollar zu verdoppeln.

Zusätzlich zur Unterstützung von Partnern, Reisenden und ihren Mitarbeitern, die Familien in der Region haben, spendete Booking Holdings 250.000 Euro an die UNHCR und verdoppelt zudem alle Spenden von Mitarbeitern, die zusätzlich zu diesem Betrag gesammelt werden.

Halalbooking.com verdoppelt alle Spenden

Der halal-freundliche OTA Halalbooking.com mit Sitz in den UK startete einen 200.000-Euro Emergency Earthquake Appeal in Zusammenarbeit mit der Islamic Relief UK. Die Plattform gab an, alle Spenden bis zum Wert von 100.000 Euro zu verdoppeln auf insgesamt 200.000 Euro. Am Dienstag war auf der Seite JustGiving zu sehen, dass bereits 70.000 Euro zusammengekommen waren. "Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir das Ziel von 100.000 Euro erreichen werden", so Ufuk Secgin, Co-Founder und CMO von HalalBooking.

Viele Hilfsinitiativen aus der Tourismusbranche: Der halal-freundliche OTA Halalbooking.com aus UK startete einen 200.000-Euro Emergency Earthquake Appeal.Foto: Screenshot

Letzterer erwähnte zudem Artikel in der türkischen Presse, die bestätigen, dass viele Hotels in Antalya spontan ihre Türen öffneten, um Überlebende aufzunehmen. Die lokale Nachrichtenredaktion gazeteoksijen.com spricht von aktuell 150.000 Personen, die direkt in Antalya untergekommen sind. "Ich weiss z.B., dass eines unserer beliebtesten halal-freundlichen Stand-Resorts, das Selge Beach Resort&Spa in Managvat/Antalya, Erdbebenopfer kostenlos in Koordination mit AFAD unterbringt", teilte Ufuk Secgin mit.

Passagiere und
Fracht kostenfrei

Airlines spielten ebenfalls eine wichtige Rolle. Turkish Airlines half nach der Naturkatastrophe sofort und setzte einen Festpreis in Höhe von 5,30 Dollar pro Passagier fest und beförderte über zehntausend Zivilisten auf Einladung des AFAD ins Erdbebengebiet. Pegasus Airlines bot direkte Inlandsflüge für Evakuierte an, transportierte kostenfrei alle Hilfspakete von Personen, die helfen wollten, und machte im Namen ihrer Mitarbeiter eine Spende von insgesamt über 400.000 Dollar.

Und Qatar, Gastgeber der letzten Fussball-Weltmeisterschaft, spendete 10.000 Container, die bei dem zurückliegenden Ereignis als nachhaltige "Pop-up"-Unterkünfte genutzt wurden.

Was passiert im Sommer?

Aktuell sind die Kapazitäten voll ausgeschöpft und auch wenn sie sich über die herzliche Aufnahme durch die Hoteliers freuen, fragen sie viele Überlebende, was mit ihnen passiert, sobald die Sommersaison im April oder Mai beginnt. Im Gespräch mit den lokalen Medien erklärte der Präsident der Mediterranean Touristic Hoteliers and Operators Association, dass sie 65.000 Erdbebenopfer in allen Hotels – gross und klein – untergebracht haben.

Er selbst öffnete zwei Häuser in Kemer und Belek zur Unterstützung. "Wir werde unsere Gäste bis zum 15. März beherbergen. Wie bieten Unterkunft, drei Mahlzeiten am Tag und Wäscheservice auf Freiwilligenbasis. Aber wir brauchen jetzt langfristige Lösungen", so der Präsident von AKTOB, der Treffen mit dem Gouverneur und anderen Behörden organisiert, um weitere Optionen zu erarbeiten. Die Regierung hat u.a. alle Studentenwohnheime und offiziellen Gebäude aufgefordert, so viele obdachlose Leute wie möglich unterzubringen. Erdogans Regierung hat ausserdem Eigentümer von Zweitwohnungen im ganzen Land gebeten, Wohnraum ein Jahr lang an Überlebende zu vermieten, wo der Staat dann die Mietkosten trägt.

Deutsche Touristen ersetzten Russen

Laut Tourismus-Ministerium hatten sich die türkischen Hoteliers vor den Erdbeben vollständig von der Pandemie erholt. Trotz der schweren Disruption durch den Krieg zwischen Russland und der Ukraine, der die Destination von zwei grossen Quellmärkten abgeschnitten hat, erfreut sich das Land nach wie vor grosser Beliebtheit. Da die Natur normalerweise jedes Vakuum schnell wieder füllt, ersetzte Deutschland schnell Russland als grössten Quellmarkt für Tourismus, gefolgt von Frankreich, dem Nahen Osten und Grossbritannien.

2022 hiess die Türkei 51,3 Millionen Besucher aus dem Ausland willkommen und verzeichnete 46,3 Milliarden Euro durch Tourismus generierten Umsatz. Hotels waren der Erholungskurve nach der Pandemie voraus. Ein Grund hierfür ist, dass die Entwertung der türkischen Lira die Destination dem Rest der Welt gegenüber erschwinglicher machte, wo Inflation und höhere Energiekosten die Budgets der Familien erheblich schmälerten.

Wie der jüngste STR/Costar-Bericht zu 2022 zeigt, betrug die durchschnittliche Belegungsrate der türkischen Hotels 66,7% und lag damit nur knapp unter den 67,1% von 2019. Der durchschnittliche Tagessatz der Hotels in der Türkei belief sich 2022 auf 122,09 Dollar, was einem Anstieg um 42,3% im Vergleich zu 2019 entspricht. 2022 erreichte der RevPAR 81,44 Dollar landesweit. Experten gehen davon aus, dass die Türkei trotz der Katastrophe und Tragödie als Destination 2023 überleben wird. / Sarah Douag

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