ESG Ab 2024 ist Berichten Pflicht Neue EU Reporting Direktive zwingt Hotels auch KMUs zu detaillierter Transparenz
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ESG: Ab 2024 ist Berichten Pflicht

Neue EU Reporting Direktive zwingt Hotels, auch KMUs, zu detaillierter Transparenz

ESG erhöht die Daten- und Berichtsstandards mit dem Ziel, Unternehmen neu vergleichbar zu machen. Foto: adobe stock Pcess609

Dresden. Die heute noch veröffentlichten Nachhaltigkeitsberichte grosser Hotelgruppen werden in dieser Form künftig nicht mehr ausreichend sein. Sie sind zu unpräzise. Jetzt greift die EU-Kommission im grossen Stil ein: Im Juli hat sie die Implementierung der neuen Corporate Sustainability Reporting Directive beschlossen. In der Branche führt sie dazu, dass signifikant mehr Betriebe berichtspflichtig werden – und zwar schon ab 2024. Die Standards werden deutlich härter, externe Prüfungen zur Pflicht. Die Änderungen beschreibt Prof. Dr. Hannes Antonschmidt von der SRH Dresden School of Management.

Hannes Antonschmidt ist Professor für Internationales Hotelmanagement an der SRH Dresden School of Management. Regelmässig publiziert er seine Forschungsergebnisse zu den Schwerpunkten Nachhaltigkeit und Innovationsverhalten im betrieblichen Kontext in internationalen Fachjournalen. In dem nachfolgenden Gastbeitrag für hospitalityInside.com erläutert er die vier grossen Veränderungen, die sogar kleinere Gruppen und Einzelhotels betreffen können.

"Die Postulierung der 17 Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen im Jahr 2016 sowie der Green Deal der EU 2019 haben Nachhaltigkeit von einer Randnotiz zu einem bestimmenden Faktor im Betriebsalltag werden lassen, auch für Unternehmen der Hospitality-Branche. Sie müssen einen substanziellen Beitrag zur Erreichung der ambitionierten sozialen, ökologischen und ökonomischen Ziele auf internationaler Ebene leisten und ihre Daseinsberechtigung damit mittel- bis langfristig erhalten.

Doch was geschieht tatsächlich in Hospitality-Unternehmen unter Nachhaltigkeits-Gesichtspunkten und wie lässt sich diese Leistung beurteilen?

Bisher zu viel Spielraum

Prof. Hannes Antonschmidt berichtet von vier grossen Veränderungen.Foto: Privat

Grosse, überwiegend börsennotierte Hotelketten publizieren schon länger umfangreiche jährliche Nachhaltigkeitsberichte. Bisher erfolgt diese Berichterstattung – trotz bestehender Regelungen auf EU-Ebene sowie einiger weltweiter Initiativen wie den Global Reporting Initiative Standards – jedoch inhaltlich und methodisch wenig standardisiert sowie innerhalb der EU uneinheitlich.

Diese Situation eröffnet den berichtenden Unternehmen erheblichen Interpretationsspielraum, wodurch die Beurteilung ihrer Nachhaltigkeitsleistung und ein effektiver Benchmarking-Prozess erschwert werden. Darüber hinaus lässt nur knapp ein Drittel der Unternehmen seine Nachhaltigkeitsberichte von einer unabhängigen Partei bezüglich Vorschriftsmässigkeit bzw. Wahrheitsgehalt extern prüfen, wie die EU-Kommission in der Begründung der neuen Richtlinie ausführt.

Diese Unzulänglichkeit steht im Gegensatz zu einer Finanzberichterstattung, die bereits sehr stark professionalisiert und standardisiert ist und in der Regel als verlässlich gilt. Während also Investoren z.B. die finanzielle Leistung eines Unternehmens relativ sicher einschätzen können, bleibt bei der berichteten Nachhaltigkeitsleistung vieles noch ambivalent, so dass letztere kaum als Entscheidungsgrundlage für Investitionen dienen kann.

Künftig klare Richtlinien

Intention der neuen Reporting-Direktive CSRD ist es daher, die Qualität der Nachhaltigkeits-Berichtserstattung zu steigern. Die neue Richtlinie soll die bisherige Non-financial Reporting Directive ersetzen, nach welcher betroffene Betriebe ihre Leistung in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung seit 2018 berichten müssen. Die CSRD zieht nun in vier Bereichen erhebliche Änderungen gegenüber der bisherigen Richtlinie nach sich:

Erstens: Die Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen erhöht sich deutlich. Bisher galt die Berichtspflicht nur für grosse Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden. Europaweit waren damit bisher etwa 11.600 Unternehmen berichtspflichtig. Die CSRD betrifft dagegen alle Unternehmen, die ihre Wertpapiere an geregelten Märkten in der EU handeln sowie alle Unternehmen, welche mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen: mehr als 250 Mitarbeitende; Nettoumsatz von über 40 Millionen Euro; Bilanzsumme von über 20 Millionen Euro.

Von der Berichtspflicht ausgenommen sind lediglich kapitalmarkt-orientierte Kleinstunternehmen Bilanzsumme: 350.000 EUR; b) Nettoumsatzerlöse: 700.000 EUR; c) durchschnittliche Zahl der während des Geschäftsjahres Beschäftigten: 10).

Diese Ausweitung führt zu einer deutlich höheren neuen Gesamtzahl von etwa 49.000 berichtspflichtigen Unternehmen. Auch Tochtergesellschaften müssen einen eigenen Nachhaltigkeitsbericht vorlegen, wenn sie selbst kapitalmarkt-orientiert sind oder sie sich hinsichtlich ihres Risikoprofils in Bezug auf die Berichtsinhalte deutlich von ihrem Mutterunternehmen unterscheiden.

Ebenso müssen kapitalmarkt-orientierte KMU über ihre Nachhaltigkeitsleistung Auskunft geben; hier soll es jedoch reduzierte Berichtspflichten und eine längere Übergangszeit geben. Alle anderen KMU sollen freiwillig berichten können. Nicht zu unterschätzen ist auch die indirekte Berichtspflicht, da die Konzerne zukünftig Verantwortung für die Nachhaltigkeitsleistung entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette übernehmen müssen.

Zweitens: Eine externe Prüfung der Nachhaltigkeits-Berichtserstattung wird Pflicht – durch einen unabhängigen Prüfer. Ein spezieller Bestätigungsvermerk der Prüfung wird dem Nachhaltigkeitsbericht hinzugefügt. Diese Praxis ist bei Jahresabschlüssen grösserer Unternehmen bereits seit den 1930er Jahren vorgeschrieben und wird häufig von grossen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und zwingend von einem speziell ausgebildeten und zugelassenen Personenkreis – den Wirtschaftsprüfern – durchgeführt.

Drittens: Die Berichterstattung selbst erfolgt deutlich standardisierter. Die EU verlangt einen sichtbaren Bezug zu Nachhaltigkeitszielen, die Ziel-Erreichung muss mit Kennzahlen gemessen werden. Die inhaltlichen Hauptbereiche sind repräsentiert im bekannten Akronym ESG – Environment, Social, Governance.

Die konkreten Anforderungen innerhalb dieser Bereiche werden in den European Sustainability Reporting Standards niedergelegt, die derzeit einem öffentlichen Konsultationsprozess unterzogen werden. Dabei soll es – analog zu den GRI-Standards – allgemeine und branchenspezifische Vorgaben geben, deren Entwicklung bis Mitte 2023 bzw. Mitte 2024 abgeschlossen sein soll.

Das Reporting gilt ab 2024 für deutlich mehr Hospitality-Unternehmen als bisher. Foto: adobe stock Rawpixel com Photomorphic 

Den ersten Bericht nach der CSRD-Richtlinie müssen bisher bereits berichtspflichtige grosse Unternehmen daher 2025 für das Geschäftsjahr 2024 vorlegen. Bisher nicht berichtspflichtige grosse Unternehmen wenden die CSRD erstmalig 2025 an und berichten dann 2026. KMU erhalten einen Aufschub und müssen spätestens 2029 erstmalig berichten, hält der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft fest.

Spannend wird sein, inwieweit sich der soziale Bereich der dienstleistungs-orientierten Hospitality-Branche – der viele 'weiche' Aspekte beinhaltet – der Logik der harten Metriken unterwerfen lässt. Berichtsinhalte, die dazu im bisherigen Entwurf der ESRS festgehalten sind, betreffen u.a. die Bereiche Aus- und Weiterbildung bzw. Personalentwicklung, Gesundheit und Sicherheit, Arbeitszeit, Work-Life-Balance, Vergütung sowie Arbeitnehmervertretung.

Einige der betrieblichen Leistungen in diesen Bereichen lassen sich unkompliziert durch Indikatoren messen – die ESRS nennen hier beispielsweise die durchschnittliche Anzahl von Aus- und Weiterbildungsstunden pro Angestelltem nach Beschäftigungsstatus und Geschlecht. Bei anderen Anforderungen, wie jener, über den Status eines betrieblichen 'Abhilfeplans' gegen Diskriminierung zu berichten, wird vermutlich ein narrativer Ansatz das Mittel der Wahl sein.

Als allgemeines Berichtsprinzip gilt die sog. 'doppelte Wesentlichkeit', also 'Wie wirken Einflüsse aus der natürlichen, ökonomischen und sozialen Umwelt auf das Unternehmen?' und 'Wie wirkt das Unternehmen auf die natürliche, ökonomische und soziale Umwelt?'. Einbezogen in die Betrachtung werden u.a. Strategien und Ziele des Unternehmens sowie dessen explizit negative Auswirkungen entlang der betrieblichen Wertschöpfungskette. Eine Herausforderung für die konkrete Berichterstattung könnten auch komplexe Konzepte wie faire Löhne oder Work-Life-Balance darstellen.

Viertens: Die Informationen müssen digital vorgelegt werden. Als letzte Neuerung sollen die Nachhaltigkeitsinformationen nach dem Vorschlag der EU-Kommission zukünftig im Lagebericht der Unternehmen sowie in digitaler Form vorgelegt werden. Perspektivisch sollen alle Berichte dann auf einer zentralen Online-Plattform auf EU-Ebene verfügbar sein.

Die Konsequenzen für die Hospitality-Branche

Betrachtet man die Betriebsgrössen in der Hotellerie, dürften neben den grossen Ketten nun auch weitere Kapitalgesellschaften und grössere Einzelhotels berichtspflichtig werden. Die Mehrzahl der privatgeführten Einzelhäuser fällt zwar mangels Grösse auch weiterhin nicht unter den Anwendungsbereich der CSRD. Gleiches gilt für die meisten Unternehmen der von noch kleinteiligeren Betriebsstrukturen geprägten Gastronomie. Relevant für letztere Gruppen sind allerdings die KMU-Standards, die noch durch die EU-Kommission zu formulieren sind. Es bleibt also spannend.

Aus der höheren Transparenz- und der neuen Prüfungspflicht ergibt sich ein deutlich höherer Druck für Hospitality-Unternehmen. Die betriebsinterne Expertise muss deutlich erhöht werden. Eine Möglichkeit wäre, dass jedes Unternehmen einen speziell ausgebildeten Verantwortlichen benennt, ähnlich wie es bereits mit Finanz-Verantwortlichen erfolgt ist.

Auch in der Breite müssen die Mitarbeiter für eine korrekte Berichterstattung, aber auch für die finale nachhaltige Leistung ihres Betriebes sensibilisiert werden. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht gilt es, Wege zu finden, die eigene Leistung transparent und effektiv zu kommunizieren und damit in Kaufargumente für den Gast zu verwandeln. Dadurch können die Mehrkosten für die Berichterstattung kompensiert werden.

Ebenso ist aufseiten der Berichtsprüfer eine umfangreiche Expertise im Bereich Nachhaltigkeit zwingend. Es darf die kritische Frage gestellt werden, ob die traditionellen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, deren Denkweise notwendigerweise sehr stark finanzorientiert ist, diese bereits in erforderlichem Masse aufweisen.

Nicht eindeutig geht in diesem Zusammenhang aus der CSRD übrigens hervor, ob die Prüfungen des Jahresabschlusses und des Nachhaltigkeitsberichts von derselben Person durchgeführt werden dürfen. Insgesamt ist zu erwarten, dass Auditing und Assurance-Unternehmen neue Fachabteilungen bilden bzw. die bestehenden vergrössern werden und sich darüber hinaus neue, spezialisierte Prüfungsunternehmen formieren.

Ebenso sind Hochschulen, aber auch andere Bildungseinrichtungen gefordert, ihr Fachwissen in die Praxis zu bringen. Adäquate Lehrgänge müssen entwickelt werden, damit angehende Auditoren und ihre Pendants in den Betrieben theoretisch und methodisch optimal auf ihre Aufgaben vorbereitet sind.

Bis zur endgültigen Anwendung der Richtlinie bleibt für alle Beteiligten noch eine Reihe von Aufgaben zu erledigen. Trotzdem sollten die Hospitality-Unternehmen frühzeitig beginnen, schliesslich sind es bis 2024 nur noch 16 Monate."

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