Europa Studie zu Overtourism Handeln solange es keinen Druck gibt
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Europa-Studie zu Overtourism: Handeln, solange es keinen Druck gibt!

Wien. Städteurlaub treibt Overtourism: In den vergangenen zehn Jahren stiegen die Übernachtungen in diesen Destinationen doppelt so schnell wie in vergleichsweise untersuchten Ländern. Das ergab u.a. die erste europaweite Studie von Roland Berger und der Österreichischen Hoteliervereinigung.

Die überfüllte La Rambla in Barcelona, Mega-Kreuzer vor dem Dogenpalast in Venedig: "Da wurden Städte Opfer ihres eigenen Erfolgs. Das ist unverantwortlich und wirklich nicht notwendig", fasst ÖHV-Generalsekretär Dr. Markus Gratzer die Situation zusammen. Die Hintergründe legt Dr. Vladimir Preveden, Managing Partner bei Roland Berger Österreich und Co-Autor der neuen europaweiten Studie "European city tourism study 2018: Protecting your city from overtourism", offen: "Das geschieht ja nicht von heute auf morgen und es wirken immer mehrere Faktoren zusammen", verweist er auf Ausnahme-Situationen wie in Amsterdam oder Lissabon. Städteurlaub forciert den Massentourismus, zusätzlich befeuert durch die Sharing Economy.

 

"Entscheidend sind die Wertschöpfung und das Verhältnis zwischen Touristen und Einheimischen, die sogenannte Tourismus-Intensität", erklärt Preveden die zentralen Messgrössen der Studie. "In London, Wien, Berlin, München oder Rom ist ihr Verhältnis geradezu optimal, in Venedig, Reykjavik, Istanbul, aber auch Salzburg sehen wir – durchaus unterschiedlichen – Handlungsbedarf".

Massnahmen und Strategien

"Die gute Nachricht: Overtourism ist keine Einbahnstrasse. Ein Turnaround ist möglich", hebt Gratzer hervor. Die Studie zeigt sieben Ansätze auf, wie Städte dem effektiv begegnen können. Wichtigste Nachricht: "Wer noch nicht unter Druck steht, muss handeln, damit es so bleibt". Städte mit niedriger oder mittlerer Tourismus-Intensität hätten es selbst in der Hand:

1. Tourismus-Strategie und Stadtplanung gemeinsam denken: Der vielversprechendste und gleichzeitig auch langfristigste Ansatz. Tourismusmanager und Stadtplaner arbeiten hierbei eng zusammen und entwickeln eine gemeinsame Strategie. Fokussiert wird auf Infrastruktur, Umwelt, Lebensqualität und Smart City Features.
2. Tourismusärmere Stadtviertel beleben: Um den Gästestrom ideal in Städten zu verteilen und Zentren zu entlasten, müssen Hot Spots abseits ausgetretener touristischer Pfade geschaffen werden. So können Viertel revitalisiert und aufgewertet werden.
3. Gäste-Segmente upgraden: Zur Steigerung der Wertschöpfung werden Angebote geschaffen, die gezielt Luxus-Gäste ansprechen. Qualität vor Quantität verhindert, dass Städte in die Overtourism-Falle tappen.
4. Alternative Angebote in Szene setzen: Bestehende Angebote abseits vielfrequentierter Lagen werden adaptiert, neu interpretiert und aktiv beworben – idealerweise über die Stadt und die Saisonen verteilt.

So können Städte reagieren, die bereits von Overtourism betroffen sind:

5. Beschränkung von Kapazitäten: Wenn Städte den Gästeansturm nicht bewältigen können, gibt es die mittelfristige Möglichkeit von Kapazitätsbeschränkungen. Die Ansätze reichen vom Hotelbetten-Stopp bis hin zur Limitierung von Bus- und Kreuzfahrt-Gästen.
6. Aktives Management der Sharing Economy: Unregulierte Sharing Economy ist der Turbo für Overtourism. Von der Registrierungspflicht von Hosts bis hin zum Komplettverbot der touristischen Kurzzeit-Vermietung in Wohnungen gibt es eine breite Range möglicher Reaktionen.
7. Beschränkung des Zugangs: Wenn keine anderen Massnahmen greifen oder zu spät reagiert wird, gibt es meist nur einen Ausweg: die Beschränkung des Zugangs. Die möglichen Massnahmen reichen von Ticketing über örtliche Zutrittsregulierungen oder flexibles Pricing.

Wien unter den "Shining Stars"

Zusammen mit weiteren Städten zählt Wien laut Studie zu den "Shining Stars", die sich durch gesunden, nachhaltigen Tourismus und ein Miteinander von Stadtplanung und touristischer Entwicklung auszeichnen. "Das gute Abschneiden Wiens sehe ich sehr positiv, verstehe es aber als Auftrag. Aus repräsentativen Untersuchungen wissen wir: 96% der Wiener stehen dem Tourismus in der Stadt positiv gegenüber", erklärt Tourismusdirektor Norbert Kettner.

Zusammenspiel aller Player als Basis

Er rief bei WienTourismus 2017 die Abteilung Destination Management ins Leben, um die Vernetzung lokaler Partner gezielt voranzutreiben, die Bedürfnisse von Bewohnern miteinzubeziehen und wichtige strategische Herausforderungen proaktiv anzugehen. "Doch es braucht das Zusammenspiel aller Player über die Tourismusbranche hinaus – Politik, Wirtschaft oder Kultureinrichtungen tragen zusammen mit uns Verantwortung, dass Tourismus ein Erfolgsprodukt bleibt", erklärt Kettner.

So sei etwa im Bereich der privaten Zimmervermietung über Online-Plattformen der Bund gefordert, bundesweit einheitliche Regelungen zu schaffen. Fragen der innerstädtischen Mobilität, Nutzungsdruck auf den öffentlichen Raum oder die Schaffung von dezentralen Angeboten für Einheimische wie Besucher seien Herausforderungen, denen man sich nur gemeinsam stellen könne. "Die Vielzahl an Ticket-Verkäufern, austauschbare Souvenir-Shops, 10 Millionen leere Taxi-Retour-Kilometer pro Jahr zwischen Wien und Flughafen oder Kreuzfahrt-Passagiere, die mit einem extra Bus in die Stadt kommen, welche eigentlich über ein perfekt ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz verfügt – es gibt einige Hebel, bei denen wir ansetzen können", so Kettner.

Derzeit sei Wiens Tourismusstrategie 2025 in Arbeit, die neben einem internationalen Beirat auch einen breit angelegten Stakeholder-Prozess beinhaltet, an dem sich Akteure aus allen relevanten Bereichen beteiligen können. Sie wird im Herbst 2019 präsentiert und sich den touristischen Zukunftsthemen der Stadt stellen.

Die 20seitige Studie von Roland Berger und ÖHV, in englischer Sprache, finden Sie in anhängendem PDF. / red

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