Heidelberg wird Europas erste zirkulare Stadt
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Heidelberg wird Europas erste circulare Stadt

Heidelberg. Weil in Deutschland rund die Hälfte des Abfallaufkommens aus den Bereich Bau und Abbruch fällt, setzt die Neckar-Stadt mit dem Pilotprojekt „Circular City – Gebäude-Materialkataster für die Stadt Heidelberg“ auf das Urban Mining-Prinzip, also: "Bergbau in der Stadt".

Dabei geht es darum, eine vollständige ökonomische und ökologische Analyse des gesamten Gebäudebestands vorzunehmen, der in einem digitalen Materialkataster zusammengefasst wird. Das Kataster soll fortan Auskunft darüber geben, welches Material in welcher Qualität und in welcher Menge verbaut wurde. "Basierend auf diesen Informationen lassen sich beispielsweise Deponien und Aufbereitungsflächen planen und eine regionale Wertschöpfung durch regionale Lieferketten und neue Geschäftsmodelle anstossen. Das verringert die Abhängigkeit von importierten Rohstoffen oder lange Transportwege", erklärt Jürgen Odszuck, Erster Bürgermeister und zuständig für die Ressorts Stadtentwicklung und Bauen.

Unterstützt wird das Projekt von der ortsansässigen HeidelbergCement AG und der Material-Plattform Madaster. Die Konzeption hat das Umweltberatungsinstitut EPEA übernommen, eine Tochter des Beratungsunternehmens Drees & Sommer SE.

Für den Fall des Abriss: Jedes Haus in Heidelberg soll als künftiges Baumaterial dokumentiert werden.Foto: Klaus Venus

Die Stadt als Materiallager

Die Basis des Kataster bildet der vom EPEA entwickelte Urban Mining Screener. Dabei handelt es sich um ein Programm, das anhand von Gebäudedaten z.B. den Bauort, das Baujahr, Gebäudevolumen oder den Gebäudetyp sowie deren materielle Zusammensetzung auf Knopfdruck schätzen kann. Die ersten Gebäude sind bereits erfasst: Das Patrick-Henry-Village, eine ehemalige Wohnsiedlung für Angehörige der US-Armee, ist mit rund 100 Hektar die grösste Konversionsfläche Heidelbergs. Langfristig sollen hier Wohnungen für 10.000 Menschen und Raum für ca. 5.000 Arbeitsplätze entstehen. Noch befinden sich hier aber 325 Gebäude, die für die neue Siedlung saniert oder abgerissen werden müssen – ein gigantisches Rohstofflager, wie der Urban Mining Screener berechnet hat: Das Patrick-Henry-Village beinhaltet demnach rund 465.884t Material, davon entfällt etwa die Hälfte auf Beton, ein Fünftel auf Mauersteine und gut 5% auf Metalle.

"Das Kataster liefert damit eine wichtige Entscheidungsgrundlage für zukünftige Quartiersentwicklungen", erklärt Matthias Heinrich, Urban Mining-Spezialist bei EPEA, und verweist darauf, dass es für Menschen früherer Jahrhunderte selbstverständlich war, die Steine alter Burgen oder Anlagen für den Bau von Kirchen oder Siedlungen zu verwenden. Gerade heute bestünde grosses Potenzial: In ganz Deutschland summiert sich die Rohstoffsubstanz der Gebäude auf etwa 15 bis 16 Milliarden Tonnen, das sind 190t pro Person. Unter Berücksichtigung des Tiefbaus wie Strassen ist ein Rohstofflager von fast 29 Milliarden Tonnen entstanden. Gerade Beton müsse als meist verwendeter Stoff genutzt werden. Um den CO2-Fussabruck zu verringern, hat HeidelbergCement z.B. Verfahren entwickelt, um den Lebenszyklus aller Bestandteile von Beton zu verlängern und die anfallenden Feinanteile zur CO2-Bindung zu nutzen. Für dieses Projekt 'ReConcrete-360°' hat das Unternehmen kürzlich den Innovationspreis für Klima und Umwelt 2022 erhalten.

Blaupause für andere Städte

Im Laufe des Jahres wird das Kataster vom Patrick-Henry-Village auf das gesamte Stadtgebiet Heidelbergs ausgeweitet. Neben Informationen zu den verbauten Materialien können in das Kataster auch Informationen wie Energieverbrauch im Gebäudebetrieb, Mietkosten oder Flächenbedarf einfließen. So entsteht nicht nur Transparenz über den Gebäudebestand, sondern eine fundierte Entscheidungsgrundlage für nachhaltiges Bauen. Dass dieses Vorgehen Schule machen wird, davon ist Bürgermeister Odszuck überzeugt: "Die Methoden und Konzepte, die die Stadt systematisch in die Praxis umsetzt, könnten schon bald anderen Städten in Deutschland und Europa als Blaupause für klimafreundliches Bauen dienen." / red 

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