Heisser Mix: Suchen, buchen, bewerten

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Social Media-Panel an der ITB: Die Giganten stellten sich der Kritik

Moderatorin Gabriele Schulze befragte die Teilnehmer intensiv: Markus Luthe, Marco Nussbaum, Jörg Trouvain, Christine Petersen. Nicht im Panel-Foto: Juliane Cray.

Berlin. Bewertungsportale, Suchmaschinen und Buchungswege hängen immer enger zusammen. Die Dynamik der Entwicklung wirft Fragen auf - und jede Menge Kritik von Seiten der Hoteliers. Sie fordern mehr Transparenz und Fairness im Umgang mit der Branche. Ihrer Kritik stellten sich bei der Talkrunde "Social Media & Hotelbewertungsplattformen - Freunde fürs Leben?" an der Hotelkonferenz "ITB Hospitality Day" Top-Vertreter von TripAdvisor, Google und HolidayCheck. Auf Hoteliers-Seite: der Hotelverband Deutschland und prizeotel. Über 500 Messebesucher hörten zu.

Markus Luthe.

"Wir sind heute weit weg von einer Konfrontation und sehen uns eher im Dialog," fasst Markus Luthe, Geschäftsführer des Hotelverbands Deutschland eingangs die aktuelle Stimmung der Branche gegenüber Hotelbewertungs-Portalen zusammen. Der Meinungs-Umschwung beinhaltet unterdessen eine Reihe von Forderungen, wie der europäische Hotel-Dachverband HOTREC sie zusammengefasst hat: Die Portale sollen ihre Geschäftsmodelle klar darlegen, Hotel-Sterne korrekt wiedergeben, Algorithmen erklären und Bewertungen erst zulassen, wenn welche in ausreichender Zahl zu einem Haus vorliegen, zählte Luthe auf. Was die Bewertungsplattformen dazu geantwortet haben, kann man übrigens separat nachlesen auf der Hotrec-Website.

In Berlin zeigte sich auch prizeotel-Gründer und CEO Marco Nussbaum distanziert gegenüber den Bewertungsportalen: "Sie bewerten nicht nur, sondern verdienen ihr Geld mit Links!", stellte er klar. Die Kritik der beiden Hotelvertreter richtete sich vor allem an das US-Portal TripAdvisor - dem europäischen Konkurrenten HolidayCheck bescheinigten sie dagegen unisono ein offenes, faires Verhalten.

Kritische Punkte: Kontrolle und Einflussnahme

Christine Petersen, President TripAdvisor for Business, erläuterte, wieviel Mühe ihr Unternehmen in die Content-Kontrolle investiert, u.a. durch technische Filter und menschliches Knowhow. So habe man kürzlich auch einen Customer Service Director eingestellt, der vor allem die Kommunikation mit den Hoteliers verbessern soll. Darüber hinaus würden auch die über 250.000 registrierten Hoteliers als Kontroll-Community fungieren.

Marco Nussbaum.

Doch Nussbaum legte Unstimmigkeiten offen: Sein Hotel, das prizeotel Bremen, ist beispielsweise nicht über Expedia - die Muttergesellschaft von TripAdvisor - buchbar, weil er so die hohen Kommissionen sparen will. Hotelbewertungen auf Expedia allerdings würden nahtlos in TripAdvisor einfliessen und ihm so ein schlechteres Ranking auf TripAdvisor bescheren, monierte er.

Wie glaubwürdig sind also Hotelbewertungs-Plattformen, wie loyal ihr eigenes Verhalten? Moderatorin Gabriele Schulze, Gründerin der Beratungsgesellschaft marketing4results, bohrte nach, was den Fokus erneut auf TripAdvisor lenkte: Dem US-Portal warf Luthe in höflich-sachlicher Manier vor, wenig interkulturelles Gespür zu haben. So sei es in den USA keine Beleidigung, einen Hotelier als "Monster" zu bezeichnen, in Europa durchaus. Christine Petersen reagierte offen und versprach, solche Dinge künftig sensibler zu handhaben. "Ja, wir müssen uns kulturellen Aspekten anpassen," sagte sie.

Schimpfwörter als Massstab

Google musste sich von den beiden Hotel-Vertretern anhören, dass deren Hotelbewertungen auf einfachste Weise zu manipulieren seien… Juliane Cray, Industry Head Travel Germany für Google, gab zu, dass man in puncto Hotelbewertungen, die erst seit wenigen Monaten möglich sind, noch viel lernen müsse. Doch auch hier setzten die beiden Hoteliers nach: Es dürfe nicht sein, dass das Adlon Berlin als "Nutten-Hotel" verunglimpft werde - bei solchen Bewertungen sei es offensichtlich, dass jemand dem Haus gezielt schaden wolle. Auch könne Google für Bewertungen nicht auf die "Sterne-Symbolik" zurückgreifen, da diese den offiziellen und anerkannten Hotelklassifizierung vorbehalten sein müsse.

Christine Petersen.

Sowohl TripAdvisor als erfahrenes Unternehmen in Sachen Hotelbewertungen wie auch Google als noch junges Unternehmen in diesem Bereich zeigten sich einsichtig, forderten aber umgekehrt die Hoteliers auf, sich stärker online zu engagieren und selbst den Content über das eigene Haus zu kommentieren. Ein Weg bei Google führt dabei über "Google Places", einem mit "Google Maps" verknüpften Tool. Bei TripAdvisor führt ein Weg z.B. über das vor einem Jahr eingeführte Tool der "Business Listings."

Gefahr: Hotels verlieren Content-Kontrolle

Von Bedeutung dieser Satz von Juliane Cray: "Wenn der Hotelier keinen eigenen Content einstellt, nutzen wir anderen Content, z.B. Infos von Fremdportalen." Das bedeutet nichts anderes: Engagiert sich die Branche nicht, verliert sie die Kontrolle über ihre Inhalte. Da hinter Google kein klassisches Bewertungsportal steckt, sondern die grösste Suchmaschine der Welt, kann man davon ausgehen, dass an automatisierten Verbindungen unterschiedlichster Content-Quellen gearbeitet wird. Und das kann erneut zu Ungunsten der Hotellerie ausgehen.

Markus Luthe appellierte in diesem Zusammenhang an TripAdvisor und Google, ihren aktuellen Streit beizulegen. Dabei wehrt sich TripAdvisor dagegen, dass Google Bewertungen auf seinen Seiten abgreift und für eigene Zwecke nutzt. Obwohl TripAdvisor Seiten für Google sperrte, griff Google den Content über Umwege ab - was aus Sicht der Hotellerie wieder dazu führte, dass eine Bewertung nicht einmal, sondern fünf- oder sechsmal auftauche. Das wiederum sei ein Ungleichgewicht z.B. zu HolidayCheck-Bewertungen, die nur einmal auftauchen würden.

Juliane Cray.

Die Hotellerie sei das Opfer dieses Streits, kritisierte Luthe und stellte klar: "Man kann unsere Branche nicht über einen Kamm scheren." In der Tat fand TripAdvisor-Präsidentin Christine Petersen das Google-Verhalten auch nicht witzig: "Es ist nicht fair, TripAdvisor-Content einfach aus seinem Kontext heraus zu nehmen!", sagte sie und warf Google Unfairness vor. Juliane Cray von Google versprach: Wenn Content von Hoteliers da sei, werde dieser bevorzugt behandelt; gleichzeitig überprüfe man derzeit bestehende Partnerschaften.

Fragwürdige Rankings und Awards

Soviel war damit klar: Im Beziehungsgeflecht der Beteiligten knistert es nach allen Seiten. Jeder legt momentan nur soviel offen, wie er muss: Das wurde deutlich beim Stichwort Rankings. "Ich will wissen, wie diese Rankings oder Awards zustande kommen," verlangte Marco Nussbaum. "Wenn Hotels mit geringerer Belegung und weniger Bewertungen einen TripAdvisor-Award bekommen, sind meine Mitarbeiter demotiviert," beschrieb er den Effekt nach innen. Schliesslich gesteht er als social media-affiner Chef seinen Mitarbeitern abhängig vom Abschneiden in den Rankings zwei bis drei zusätzliche Monatsgehälter im Jahr zu.

Jörg Trouvain.

Bei TripAdvisor setzen sich die Rankings oder Hitlisten überwiegend aus den Hotelbewertungen zusammen, aus einem kleinen Anteil an Reise-Artikeln, ferner aus Kriterien wie der Lage eines Hotels und aus den Herkunftsländern der Bewertungen. Der Rest sei TripAdvisor-Geheimnis, blockte sie dann ab. Kopfschütteln bei den Hoteliers: Weshalb sollte ein Bewertung aus München wichtiger sein als eine aus Stuttgart? Diese Frage blieb offen. An dieser Stelle erntete aber auch HolidayCheck Kritik - und zwar von Moderatorin Gabriele Schulze. So konnte CEO Jörg Trouvain nicht beantworten, weshalb Ferienhotels im Grünen nie so hoch bewertet werden wie Ferienhotels "mit Anschluss an Shops"… Ansonsten hatten die Hoteliers HolidayCheck unisono als Partner mit offenen Ohren und schnellen Reaktionen gelobt.

Verschieben sich durch die Verknüpfung von Suchmaschinen mit Hotelbewertungsportalen inzwischen auch die Buchungswege?, wollte die Moderatorin am Schluss wissen. Es sieht ganz danach aus, denn zumindest Google und TripAdvisor trachten danach, über - käufliche - Links und Angebote die Hotels künftig noch enger an sich zu binden.

Eine abhängige Verknüpfung zwischen TripAdvisor und der Muttergesellschaft Expedia, wie es die Hoteliers vermuteten, wies Christine Petersen unterdessen scharf zurück: "Es gibt keine Verbindung!" insistierte sie. Das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter wird sich aber aktuell ändern: TripAdvisor soll den News der letzten Tage zufolge von Expedia abgesplittet werden und selbst an die Börse gehen. / Maria Pütz-Willems

 

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