Hotour spricht Klartext Staatliche Hilfen sind kein Füllhorn
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Hotour spricht Klartext: Staatliche Hilfen sind kein Füllhorn

Frankfurt. Martina Fidlschuster redet Klartext. Die Geschäftsführerin der Hotour Hotel Consulting ermahnt die Branche: Der Schutzschirm der deutschen Regierung ist kein Füllhorn mit Goldmünzen! Einiges aus ihren Gesprächen erinnert sie an die Unsicherheit und das Chaos nach dem Lehman-Crash 2008/2009.

Staatshilfen aus dem Füllhorn: Aber jeder Fall wird einzeln entschieden.Foto: Adobe Stock Sombra De Luna

Die erfahrene Beraterin kommt aus dem Rechnen nicht mehr raus. Ihre Kunden lassen sie ihre Liquidität und die in Aussicht gestellten Finanzhilfen checken. Aber sie lernt auch viel aus diesen Gesprächen und mit vielen anderen Geschäftspartnern – und appelliert an die Branche. Denn heute verabschiedet der deutsche Bundestag die Details der staatlichen Hilfen.

"Der gerade ausgesprochene Schutzschirm der deutschen Regierung über alle Kleinst-, Klein- und mittelgrosse Unternehmen bedeutet nicht, dass sich ein Füllhorn mit Goldmünzen über die Branche ergiesst", sagt Martina Fidlschuster. "Am Ende zählt immer die Einzelfall-Betrachtung". Und genau das erinnert sie an die Zeit der globalen Finanzkrise: Seinerzeit wurden Kredithilfen nur dem Unternehmer gewährt, der auch vor der Krise gut gewirtschaftet und dies transparent gemacht hat. Das ist heute nicht anders. "Banken erkennen durchaus, ob in den guten Jahren eine Liquiditätsreserve aufgebaut wurde oder ob der Unternehmer aus dem Vollen geschöpft hat." Unternehmen, die ihre Liquiditätssituation nicht plausibel darlegen können, haben es jedenfalls jetzt schwer(er).

Verständnis hat sie sowohl für Hotel-Investoren wie auch Hotel-Betreiber, die sich seit genau vier Wochen – seit der Absage von IHIF und ITB – öffentlich bedeckt halten. Wer Betriebe runterfährt oder gar stilllegt, sei über Tage/Wochen mit Excel-Tabellen und nerviger Bürokratie beschäftigt. Erschwerend kommt die Sorge um die Mitarbeiter hinzu. Föderale Staaten wie Deutschland mit 16 Bundesländern machen das Handling der Situation für die Hoteliers wahrlich nicht einfacher. Und all das in einer Branche, die buchstäblich über Nacht mit dem staatlich verordneten Shutdown konfrontiert wurde. Hotelgruppen, die mit ihren Häusern in mehreren europäischen Ländern vertreten sind, stehen unter Dauerstrom – sie werden fast stündlich mit Änderungen und neuen länderspezifischen Vorgaben konfrontiert.

Banken bevorzugen Pro-Aktive

"Umso wichtiger ist es, dass die Hotel-Betreiber sofort mit ihren Eigentümern auf professionelle Weise sprechen, die Situation erklären, gemeinsam Schwierigkeiten und Chancen sondieren. Einen Kredit, auch den von der KfW, bekommt am Ende nur der, der vorausschauend agiert und argumentiert", betont die Beraterin mit über 30 Jahren Hotel-Erfahrung. Dabei dürfe man jedoch nicht vergessen, dass Verpächter ihrerseits ebenfalls Verpflichtungen hätten.

Martina Fidlschuster.Foto: Hotour

Gleichwohl appelliert Fidlschuster, dass sich Eigentümer bzw. Verpächter und Hoteliers miteinander abstimmen, bevor das Gespräch mit der Bank gesucht wird. "Banken reagieren ganz anders, wenn sich die Parteien beispielsweise schon vorab darauf verständigt haben, dass etwa der Eigentümer bereit ist, eine Monatspacht vorzufinanzieren, die der Betreiber im Folgejahr zurückzahlen muss." Auch das Zusammenlegen von Hotel-Betrieben, die Reduzierung von Fullservice auf Garni-Standard können mögliche Optionen sein, um durch diese schwierige Phase zu kommen.

Diese Krise lässt sich lösen, macht Fidlschuster Mut. Denn im Unterschied zu 2008/2009 ist einerseits Liquidität im Markt und andererseits hat sich auf Investoren-, Banken- wie Betreiber-Seite das Miteinander deutlich professionalisiert. Und das sei positiv. Auch hat sich vor zehn Jahren das deutsche Kurzarbeitszeit-Modell bewährt. Ein Instrument, auf das viele andere Staaten übrigens neidvoll blicken.

Struktur-Wandel wird kommen

In der aktuellen Handlungsnot, durchaus getrieben von gesellschaftlicher Hysterie, könnte die Branche mit ihren derzeit laut vorgetragenen, öffentlichkeitswirksamen Forderungen nach staatlichen Mitteln allerdings auch konträre Reaktionen auslösen, "dass sie als Jammer-Branche wahrgenommen wird, deren Existenz von staatlichen Hilfen abhängt", gibt Martina Fidlschuster zu bedenken."Die Branche muss viel klarer als bisher deutlich machen, dass jedes Bett, das pro Nacht nicht belegt ist, als Umsatzbringer einfach weg ist". Autos hingegen bringen auch dann noch Umsatz, wenn sie Monate später noch fertiggebaut werden können – sobald China die vermisste letzte Schraube endlich angeliefert hat.

Als Folge von Corona zeichnet sich in den Augen von Insidern bereits jetzt ein Strukturwandel ab. Schicke Budget-Lifestyle-Hotels überleben in der Regel mit einem Break Even von etwa 40%, 4-Sterne-Hotels hingegen erst ab 65%. Beide aber erzielen oft in etwa den gleichen RevPAR. Zu prüfen sei, ob sich ein Upscale-Hotel auf ein Edel-Garni trimmen lasse! Denn die Erfahrung zeige immer wieder: Hotelgäste wissen den mit hohen operativen Kosten verbundenen F&B-Bereich eines Hotels weitaus weniger zu schätzen als Locals. Denn nicht selten gehen Hotelgäste zum Essen und Trinken lieber vor die Tür als die Angebote im Hotel zu nutzen. Corona provoziert aber noch tiefere Einschnitte in der Branche: Viele Investoren denken inzwischen auch über Umnutzungen nach.

Fest steht für die Branchen-Beobachterin aber auch: Das Virus hat eine ganze Wirtschaftskette unterbrochen – und damit ein System, das bislang ausschliesslich auf Wachstum gesetzt. Auf ein derart explosives Wachstum, wie man es in den letzten Jahren erlebt hat, sichtbar in den übervollen Pipelines der Hotelgruppen und einem heftig einsetzenden Verdrängungswettbewerb in A- und B-Destinationen, folgt nun die Schockstarre. Und das hat durchaus positive Effekte. "Erfahrungsgemäss ist davon auszugehen, dass jetzt etliche Projektpläne wieder in der Schublade landen", sagt Fidlschuster. Und das verschaffe den bestehenden Häusern wieder mehr Luft.

Grosse Leere...Foto: Timo Wagner Unsplash

Wirtschaft darf nicht länger als 1 Monat stillstehen

Clemens Fuest, der Präsident des deutschen Ifo-Instituts, hat die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise für Deutschland am Dienstag in einem Artikel für die deutsche Tageszeitung FAZ erläutert. Er erwartet mittlerweile Kosten in nie dagewesener Höhe seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Der entscheidende Absatz in diesem Artikel laut so: "Für Deutschland dürften sie sich [die Schäden] demnach auf mindestens 152 Milliarden Euro belaufen. Das entspreche einem Rückgang von 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Jahr 2020 und trete ein, wenn die deutsche Wirtschaft einen Monat stillstehe. Doch ist das für die Ökonomen noch das günstigste Szenario. Da mit vielen Unsicherheiten behaftet, könnte die einmonatige Schliessung sämtlicher Bereiche auch rund 270 Milliarden Euro vernichten. Jede weitere Woche koste Deutschland dabei 25 bis 53 Milliarden Euro. Im Falle von drei Monaten hält man am Ifo-Institut gar einen BIP-Einbruch von bis zu 20 Prozent für möglich. 700 Milliarden Euro Wohlstand gingen dann verloren. Das wäre nahezu das Doppelte von dem, was der Bund im ganzen Jahr einnimmt."

Die Pandemie jedenfalls verschont niemanden und keine Branche. Und so endet dieser bemerkenswerte Klartext-Artikel in der FAZ mit einem Satz, der Hotellerie und Gastronomie genauso mit einbezieht wie kleinere und mittlere Unternehmen anderer Branchen: Am stärksten betroffen seien "die eher binnenwirtschaftlich orientierten, konsumnahen Dienstleistungsbranchen, die bislang die Konjunktur" gestützt hätten, lautet die Prognose.

In einem "Monitor" gibt Hotour Hotel Consulting aus aktuellem Anlass Hilfestellungen für Eigentümer und Betreiber. Sie finden diese Checkliste in anhängendem PDF. / map

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