Im Dickicht der Regulierungen Fonds ESG Teil 1 Europas Vorgaben gefährden den eigenen Vorsprung
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Im Dickicht der Regulierungen

Fonds & ESG, Teil 1: Europas Vorgaben gefährden den eigenen Vorsprung

Im Regulierungsdickicht verloren? Die EU läuft Gefahr, in Sachen Nachhaltigkeit von den USA oder Asien überholt zu werden.Foto: Alla Havriushenko Unsplash 

München. Offene und geschlossene Immobilienfonds müssen neben den Auswirkungen der multiplen Krise mit rückläufigen Nachfragen, hohen Regulierungsanforderungen und dem Thema ESG zurechtkommen. Ihr Engagement in den Asset-Klassen hat sich geändert, Wohnen verdrängt Shopping-Center, aber es werden auch wieder Stimmen laut, in Hotels zu investieren. Ein Blick in die Fonds-Branche, ebenfalls eine Branche im Umbruch.

Auf dem Sachwerte-Kolloquium am Münchner Flughafen drehte sich alles um Alternative Investmentfonds, kurz AIFs. Dabei ging es hoch her. Mit im Zentrum auch das Thema Nachhaltigkeit/ESG und die Frage, ob es sich in der momentanen Wirtschaftssituation um eine nachhaltige Transformation oder zyklusbedingte Krise handele.

Eine klassische Rezession mochte Dr. Günter Vornholz, Professor für Immobilien-Ökonomie an der EBZ Business School in Bochum, nicht sehen, sondern einen konjunkturellen, zyklischen Abschwung, der nicht in eine Stagnation, sondern in einen Aufschwung mündet. Der Tiefpunkt sei allerdings noch nicht erreicht. Die Situation aus steigenden Leit- und Bauzinsen sei allerdings aussergewöhnlich. Da inzwischen die Verzinsung der Bundesanleihen steigt, würden sich viele Investoren schon fragen, ob es noch Sinn mache, in Immobilien zu investieren, die im Asset mehr Risiken bergen als eine Anleihe.

Angesichts der akuten Herausforderungen könnte man meinen, es bestehe das Risiko, dass das Thema ESG etwas in den Hintergrund rücken könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn der Druck seitens der Stakeholder nimmt weiter zu. Und die Politik dreht die Daumenschrauben mit immer strengeren, regulatorischen Vorgaben hinsichtlich ESG-Kriterien weiter zu.

Ob EU-Taxonomie, NFRD, SFDR, SFF – die EU hat einen Nachhaltigkeits-überbau geschaffen, der alle Seiten herausfordert.Foto: adobe stock Paul Grecaud   

Das Regulierungsdickicht

Europa war lange Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit und will das auch bleiben. Um dem Ganzen einen gesetzlichen Überbau zu geben, hat die EU bei den Regularien mehrere Bausteine entwickelt: die EU-Taxonomie, die Non Financial Reporting Directive und Non Financial Reporting Directive, die zusammen das Sustainable Finance Framework bilden.

Erster und wichtigster Baustein ist die EU-Taxonomie-Verordnung, die im Juli 2020 in Kraft trat. Sie ist die Basis für eine gemeinsame Sprache, damit zukünftig jeder weiss, was gemeint ist, wenn von nachhaltigen Geldanlagen oder Finanzprodukten, beispielsweise Fonds, die Rede ist. Denn Nachhaltigkeit ist nicht einheitlich definiert und der Begriff ist nicht geschützt.

Jeder Anbieter konnte bislang mit unterschiedlichen Anforderungen arbeiten. Deshalb hat die EU nun Kriterien definiert, anhand derer die Nachhaltigkeit von Wirtschaftsaktivitäten bewertet wird. Wichtig war der EU dabei eine dynamische Struktur, um die Taxonomie an aktuelle Gegebenheiten anpassen zu können.

Zweiter Baustein ist die Non Financial Reporting Directive. Sie wurde zunächst als europäische Richtlinie entwickelt wurde und 2017 in deutsches Recht überführt. Seit 2018 befindet sie sich unter dem Namen CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz in Anwendung. Hier wird festgelegt, was betroffene Unternehmen an nicht-finanziellen Informationen und Informationen bezüglich der Diversität veröffentlichen müssen: über Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelange sowie Massnahmen zur Achtung der Menschenrechte und Bekämpfung der Korruption. Dies trifft börsennotierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, Banken, Versicherungen und Unternehmen von öffentlichem Interesse.

Ab 2024 wird die NFRD-Richtlinie durch die europaweite CSR-Richtlinie ersetzt werden. Diese wird dann mehr Unternehmen einschliessen und auch mehr Nachweispflichten mit sich bringen.

Der dritte Baustein ist die EU-Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzprodukte. Die Richtlinie betrifft die Finanzinstitute, die Finanzprodukte, insbesondere ESG-Finanzprodukte entwickeln und anbieten. ESG-Finanzprodukte zeichnen sich dadurch aus, dass mit ihnen entweder eine nachhaltige Investition angestrebt wird oder aktiv ökologische bzw. soziale Aspekte des Finanzproduktes beworben werden. Beschlossen wurde die Richtlinie bereits 2019.

Die daraus abgeleiteten Berichtspflichten werden seit 2021 bis 2023 stufenweise eingeführt. Durch sie sind Finanzinstitute dazu verpflichtet, offenzulegen, welche negativen Nachhaltigkeits-Auswirkungen mit den Finanzprodukten verbunden sind und inwiefern Nachhaltigkeitsfaktoren bei der Entwicklung berücksichtigt wurden.

Tritt ESG angesichts der akuten Herausforderungen in den Hintergrund? Nein, so Finanzexperten. Der Druck seitens der Stakeholder nimmt weiter zu.Foto: Adobe Stock Pcess609

Im März 2021 trat die Level 1 Ausprägung in Kraft. Durch sie werden die Fonds-Angebote in "light green" und "dunkelgrüne" eingeteilt. Seit 1. Januar 2023 ist Level 2 aktiv. Initiatoren müssen nun offenlegen, welche negativen Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit der Produkte sie berücksichtigen, wie sie das zu tun und wie sie mit negativen Folgen umgehen wollen. Für Artikel-8-Fonds und Artikel-9-Fonds muss alles regelmässig und umfassend dokumentiert werden. Bei Artikel 6-Fonds müssen keine ESG-Kriterien eingehalten werden; darunter fallen automatisch alle Fonds, die nicht unter Artikel 8 oder 9 fallen.

Zu viele Regeln gefährden Europas Vorsprung

Mit immer mehr Regulierungen läuft die EU inzwischen Gefahr, dass sie ihre Vorreiterrolle in Sachen Nachhaltigkeit an die USA oder Asien verliert, ist in der Branche immer wieder zu hören. Adrian Dumas, Chief Investment Officer des Fonds-Spezialisten Mandarine Gestion, glaubt, dass trotz aller Ankündigungen der Politik, bei Nachhaltigkeit weltweit führend sein zu wollen, Europa im globalen Vergleich den Anschluss verliert.

Die USA springe nun machtvoll auf den ESG-Zug auf, beispielsweise mit Präsident Bidens Inflation Reduction Act. Das Gesetz soll der hohen Inflation entgegenwirken und mit 369 Milliarden US-Dollar den Klimaschutz in den USA vorantreiben. Während sich die europäische Politik jahrelang einschliesse, um möglichst korrekte, konsistente und umfassende Regelwerke zu entwerfen, zu verhandeln und zu beschliessen, würden die US-Behörden nach anfänglicher Zurückhaltung in den vergangenen Jahren nun deutlich schneller deutlich schlankere Regularien auf den Markt bringen, die nach entsprechendem Praxistest natürlich überarbeitet werden müssten und so mit der Zeit immer passförmiger werden würden, warnt auch der ehemalige Bafin-Präsident Felix Hufeld. Einfacher wird die Nachhaltigkeits-Regulierung nicht werden – darüber sind sich alle einig.

Verwunderte Politiker: ESG – was ist das?

Angesichts dieser immer schärferen regulatorischen Anforderungen aus Brüssel und Berlin sei ESG in aller Munde, doch viele wüssten immer noch nicht, was sich dahinter verberge, bestätigt auch Fondsinitiator Thorsten Eitle, Gründer und CSO von Hep global, einem Unternehmen mit Fokus auf Erneuerbare Energien. In einer Kommunalsitzung mit 25 Personen unterschiedlicher politischer Couleur hätte niemand gewusst, was ESG bedeute. Das hätte ihn dann doch sehr verwundert, würden diese drei Buchstaben doch zukünftig das Wirtschaftssystem massiv verändern.

Doch nicht nur die Kommunalpolitiker, auch Führungskräfte in Deutschland haben viel Nachholbedarf beim Thema Nachhaltigkeit, wie das Odgers Berndtson Manager Barometer herausfand. Nicht einmal die Hälfte der Befragten kennt die ESG-Kriterien des eigenen Unternehmens. Massnahmen oder Innovationen zu deren Umsetzung würden oft komplett fehlen. Statt als Innovationstreiber würden ESG-Themen häufig als externe Anforderung der Stakeholder wahrgenommen werden.

Im zweiten Teil dieses Artikels nächste Woche zeigen wir auf, wie engagiert Fonds Nachhaltigkeit umsetzen. / Beatrix Boutonnet

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